Schwarzer Schwan
6. Juni 2014

Nicht die högschde Verzinsung

Zur Fußball-Weltmeisterschaft geht die Finanzbranche mit Bonuszinsen auf Kundenfang. Jubeln kann der Kunde bei diesen WM-Angeboten allerdings nur, wenn die deutsche Nationalelf den Titel holt.

Beim Fußball geht es längst nicht mehr nur ums Spiel. Es ist ein großes Geschäft, an dem alle verdienen wollen – so auch die Finanzbranche. Pünktlich zur Fußball-WM in Brasilien haben diverse Banken entsprechende Zinsprodukte an den Start gebracht. „Jetzt lohnt sich das Mitfiebern“, „Unsere Jungs erspielen Ihren Fan-Bonus“ und „Unser Dreamteam aus Festgeld und Fonds“ sind Werbeslogans, mit denen fußballbegeisterte Kunden geködert werden sollen. Aber Vorsicht, es droht das finanzielle Abseits. „Ein Renditemeister ist nicht dabei“, warnt Finanztest. Die Finanzexperten von Stiftung Warentest haben 25 Festzinsanlagen, Sparpläne und Kombiprodukte geprüft, die an das Abschneiden der deutschen Nationalmannschaft gekoppelt sind. Ihr Urteil: „Produkte mit attraktiven Renditechancen sind so rar wie deutsche Weltklassestürmer.“  
Eine Handvoll Produkte würde sich nach Einschätzung von Finanztest für einen Spitzenplatz im Produktfinder „Zinsen“ qualifizieren, allerdings nur, wenn Jogis Jungs den Titel holen oder 100 Tore in den bestenfalls sieben WM-Spielen schießen. Nach dem müden Kick im Vorbereitungsspiel gegen Kamerun (2:2) scheinen sowohl die Titelträume als auch die erforderliche Torquote von 14,3 Treffern pro Spiel vermessen. Ohnehin fiel die deutsche Elf in den vergangenen Wochen eher durch Pleiten, Pech und Pannen als guten Fußball auf: Verletzungssorgen um Lahm, Schweini und Neuer, Führerscheinverlust von Jogi, zwei Unfallopfer bei einem Werbedreh und der Watergate-Party-Skandal um Kevin Großkreutz, der sein Revier markierte. Und auch die Statistik spricht gegen den Titelgewinn. Noch nie hat eine europäische Mannschaft bei einer Weltmeisterschaft in Südamerika den Titel geholt. 
Bei den meisten WM-Angeboten handelt es sich laut Finanztest um Einmalanlagen mit festem Zins, wobei die Laufzeiten von neun Monaten bis fünf Jahren reichen. Je nach Angebot gibt es zusätzlich zu der festen Grundverzinsung oft unterschiedlich hohe Boni, die vom Abschneiden der Nationalelf abhängen. „Selbst wenn Lahm, Schweinsteiger und Co. in Brasilien alle Spiele gewinnen sollten, bleibt beim Anleger in der Regel kaum etwas hängen. Und sollte unser Team frühzeitig scheitern, ist die Verzinsung miserabel“, kommentiert Finanztest. Nur bei einigen Produkten käme bei einem Titelgewinn zumindest „verhaltener Jubel“ auf. So ein Fall sei der VR Fan-Bonus 2014 der Raiffeisen-Volksbank Aurich. Bei einem deutschen Sieg brächte dieses regionale und kontingentierte Angebot für zwei Jahre einen Zins von 2,5 Prozent. Ähnlich sieht das Angebot der Volksbank Strohgau aus: Im Fall des Titelgewinns verspreche diese 2,8 Prozent für ein knappes Jahr; 1,8 Prozent gibt es  für das Erreichen des Halbfinales. Aber Achtung: Laut Finanztest sei hier zusätzlich die Fußballexpertise seitens des Anlegers gefragt: „Nur wer das Abschneiden unseres Teams richtig vorhersagt, kommt in den Genuss des Bonuszinses.“ Wem das nicht gelingt, muss sich mit der Grundverzinsung von 0,3 Prozent begnügen.    
Eine andere Strategie verfolgt die Sparkasse Neuss. In ihrem WM-Sparkassenbrief ist ein Basiszins von einem Prozent für vier Jahre vorgesehen, einen Zinsaufschlag gibt es für jedes deutsche Tor. Der Haken: Es gibt für jedes Tor nur magere 0,01 Prozentpunkte. Damit für den Anleger wirklich etwas dabei hängen bleibt, müssten Müller, Poldi und Co. ein Torfeuerwerk sondergleichen zünden. Ein Rechenbeispiel: Der höchste Sieg, den eine deutsche Nationalmannschaft je errungen hat, war ein 16:0 gegen Russland bei den Olympischen Spielen 1912. Wenn dieses Kunststück in allen maximal möglichen sieben WM-Spielen gelänge, wäre das ein Zinsaufschlag von 1,12 Prozentpunkten. Bei allem Patriotismus – das ist utopisch.
Keine Utopie, sondern Realität war das Angebot einer Drogeriekette für das Gruppenspiel der WM 2002 Deutschland gegen Saudi-Arabien; für jedes Tor gab es einen Rabatt von zehn Prozent. Deutschland gewann 8:0 – der Co-Autor dieses Beitrags hatte jahrelang eine Schublade voll mit Duschgel und Rasierschaum. Apropos Schaum: Der echte Fernsehsportler weiß auch ohne Stiftung Warentest, wo es Prozente gibt: nämlich genau fünf Prozent beim Bier. Das ist sicher, real und liquide.    
In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio ein sommerliches Vor-WM-Wochenende. 
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