Die 90-Jährigen, die auf die Barrikaden stiegen
Die Menschen werden immer älter, der Anteil der Grauhaarigen im Stadtbild steigt. Da zugleich immer weniger Kinder geboren werden, droht eine Rollator-Schieflage. Unter anderem bei der Credit Suisse.
Aufgepasst! Im Jahr 2060 wird der Anteil der über 65-Jährigen in Europa auf 30 Prozent steigen, so das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung. Das ist doppelt so viel wie 1990. Grundsätzlich ist die Situation positiv, schließlich können die rüstigen Omas und Opas die Enkelbetreuung übernehmen und sich auch anderweitig nützlich machen. Weniger amused sind die Rentenversicherer. Unter den Spitzenreitern bei der Lebenserwartung liegt im Übrigen die Schweiz mit 82,5 Jahren ein ganzes Stück vor Deutschland. Die Eidgenossen werden im Schnitt zwei Jahre älter als wir. Damit landet die Alpenrepublik im weltweiten Vergleich laut OECD-Statistik nur knapp hinter Japan auf Platz zwei.
Dies wiederum zwingt eidgenössische Unternehmen zu mitunter unkonventionellen Strategien, mit dem demografischen Wandel umzugehen. Beispiel Credit Suisse: Seit Jahrzehnten bietet die Bank ihren Pensionären, von denen viele 90 Jahre oder älter sein sollen und noch aus Zeiten der Vorgängerbank „Kreditanstalt“ stammen, Seniorenturnen an. Von ärztlicher Seite wurde dieses Engagement stets begrüßt, hält es die älteren Semester doch fit und gesund. Das wiederum scheint aber nicht im Interesse der Credit Suisse zu sein, die die Lebenserwartung ihrer Pensionäre, sagen wir mal, etwas modifizieren will. Zudem drücken die großen Herausforderungen, vor denen die Banken stehen. Brady Dougan, CEO der Credit Suisse, verweist in Interviews stets auf die neuen Regeln, denen die Institute unterworfen werden und für die es mehr Kapital braucht.
Die Credit Suisse handelt deshalb schnell und entschlossen: Ab dem Sommer soll Schluss sein mit Seniorenturnen, wie das Nachrichtenportal „Inside Paradeplatz“ berichtet. Zwar habe sich die Bank offiziell nicht dazu geäußert. Es sei jedoch zu hören, dass die Senioren zu teuer geworden sind. Ein Betroffener reagiert entsprechend pickiert: „Es waren wir Alte, welche die Basis für den Ausbau der Kreditanstalt zur globalen CS gelegt hatten.“ Und damit auch für den Ausbau des Vermögens von Brady Dougan, der mit über 150 Millionen Franken als einer der bestbezahlten Bankmanager gilt. Auch die engeren Vorstandskollegen müssen bei der Credit Suisse nicht darben: Das Grundgehalt der 13 Mitglieder der Konzernleitung stieg – im Gegensatz zur Vergütung aller Mitglieder – 2012 auf 74,1 Millionen Franken. Die Kosten für das Seniorenturnen liegen nach Schätzungen von „Inside Paradeplatz“ übrigens bei etwa 50.000 Franken pro Jahr.
Von einer Investmentbank hätte man durchaus kreativere Lösungen für die Langlebigkeitsproblematik erwartet. Zu denken wäre an Longevity-Swaps oder eine geratete Rentner-Verbriefung, in die man tranchenweise investieren kann. Im Hinblick auf den Rentnersport bietet sich im wahrsten Sinne des Wortes auch eine Step-up-Anleihe an. Dass man stattdessen das Seniorenturnen völlig einfallslos streicht, sollte Firmenkunden zu denken geben.
Im Sinne der Unternehmenskultur der Credit Suisse wäre es gut, wenn Dougan und seine Kollegen auch einmal am Seniorenturnen in einer Zürcher Sporthalle mit allen Ehemaligen, die nicht mit Ansprüchen auf ein Arbeitszimmer, Sekretärin und Chauffeur ausgeschieden sind, teilnehmen würden. Leider ist der Terminplan des Boards immer sehr eng, und es fehlt die Zeit, sich mit Sprossenwand und Medizinbällen abzuplagen. Schließlich will man ja auch noch ein paar Golfbälle in St. Andrews schlagen oder mit der eigenen Yacht rumschippern.
In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio ein schönes Wochenende.
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