Schwarzer Schwan
7. Februar 2014

Linke Tasche, rechte Tasche

Die aktuellen Steueraffären lassen nicht gerade eine große Steuerehrlichkeit erkennen, dafür jedoch manche dissoziative Identitätsstörungen beziehungsweise Fälle von gespaltenen Persönlichkeiten.

Uli Hoeneß gab in Talkshows gerne Weisheiten zu sozialen Pflichten und zur Kaufmannsethik zum Besten. Als Landesminister kaufte Helmut Linssen CDs mit Daten mutmaßlicher Steuersünder, obwohl sein eigener Name auf einer weiteren CD vermerkt war. Alice Schwarzer zeigt als Steuersünderin wenig Solidarität mit ihren Schwestern und sieht ihre Steuerflucht als Flucht aus politischen Gründen. Und in Berlin zeigte Wowis Kulturstaatssekretär, was er unter Steuerkultur versteht.  
Ein schönes Beispiel von Identitätsstörung lässt sich auch in Japan bestaunen. Dort zählt die Bank of Japan in diesen Tagen zu den besonders Beherzten unter den Notenbanken. Seit März 2013 kauft sie Monat für Monat heimische Staatsanleihen im Gegenwert von 75 Milliarden Dollar auf. Gemessen an der Wirtschaftskraft des Landes ist das etwa dreimal so viel wie die vielzitierten Offenmarktgeschäfte der US-Notenbank. Die völlig „unabhängigen“ Währungshüter im Land der aufgehenden Sonne sind derzeit in einer besonders unangenehmen Situation, weil doch außer ihnen keiner ernsthaft bereit ist, sich die fast unverzinsten Staatstitel ins Depot zu legen. Sie tragen demnach die Verantwortung, die Zinsen auf einem – aus Sicht des hochverschuldeten Staats – erträglichen Niveau zu halten.
The more you buy, the more you save 
Aus der Warte der Regierung um Premierminister Shinzo Abe ist der Kauf gigantischer Mengen an Staatsanleihen durch die Zinswächter aber ein geniales Geschäft. Laut dem Asset Manager Flossbach von Storch wurde in Japan bereits über die Streichung der im Besitz der Notenbank befindlichen Anleihen nachgedacht. Dann wäre man die Schulden blitzschnell los. Technisch betrachtet hätte das allerdings die Insolvenz der Bank of Japan zur Folge – und das will man dann doch nicht riskieren. Gleichwohl kann man sich zumindest der Zinszahlungen entledigen. Eine Reduzierung der Zinslast ist quasi durch Überweisung der sogenannten Seigniorage – der Zentralbankgewinne – an den Staat möglich. Zumal die vereinnahmten Zinsen auf die ohnehin schon gewaltigen Anleihebestände besonders hoch sind.
Praktisch heißt das, der Staat zahlt die Zinsen auf seine Schulden an sich selbst zurück und reduziert damit die Zinsbürde. Diese etwas subtilere Form der Staatsfinanzierung wird längst von der US-Notenbank und der Bank of England praktiziert, die im Geschäftsjahr 2012 88,9 Milliarden Dollar beziehungswiese 9,8 Milliarden Pfund an die Finanzministerien zurücküberwiesen haben, wie Flossbach von Storch vorrechnet und eine Parallele zur Rettung des Baron Münchhausen zieht, der sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen haben will. 
Auch wenn es verrückt klingt, bringt diese Lösung der japanischen Staatskasse eine spürbare Entlastung. Vorausgesetzt, es liegen genügend Anleihen im Besitz der eigenen Notenbank. Um die Zinslast nachhaltig zu reduzieren, müsste die Bank of Japan weiter eifrig Geld drucken, sprich Anleihen aufkaufen. Je höher ihre Anleihebestände sind, desto weniger fällt die Staatsverschuldung ins Gewicht. Und sollten die Renditen eines Tages doch in die Höhe klettern, hätte das den schönen Nebeneffekt, dass die Einnahmen der Notenbank explodieren und sie dem Staat noch üppigere Gewinne überweisen könnte. 
Unbestätigten Informationen zufolge denkt die japanische Notenbank inzwischen über den Einsatz von Derivaten nach, um von dem Hebeleffekt zu profitieren. Dann würde die Bank genauso schnell wie der Baron Münchhausen vorankommen, als er sich an einer Kanonenkugel festhielt. Inwieweit diese Anstrengungen aber ausreichen, dass der Staat mit seinen Schulden am Ende sogar ein Geschäft macht, bleibt abzuwarten. 
In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio ein geistreiches Wochenende.
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