Generation GFC
Die Angelsachsen lieben ihre „three letter words“. GFC ist eine der neueren Abkürzungen und steht für Global Financial Crisis. Das macht sie zwar auf den ersten Blick kompakter, aber nicht weniger durchschlagskräftig: Ihre Nachwehen diktieren die Portfoliokonstruktion von Institutionellen.
Im April 2008, wenige Monate vor dem Ausbruch der GFC, wechselte Bill Moriarty die Seiten. Von der Capital-Markets-Abteilung der Royal Bank of Canada zog es ihn an die Universität Toronto, genauer: zur University of Toronto Asset Management Corporation. Diese war im Mai 2000 gegründet worden, um die Pensionsgelder der Universitätsangestellten sowie das sonstige Finanzkapital in einer separaten Einheit zu verwalten. In diesem Zuge sollte die bis dato rein passive durch eine aktiv ausgerichtete Portfoliostrategie ersetzt werden. Das Ziel damals: ein risikoadjustierter Mehrwert über einzelnen Benchmarks, also Alpha, nach Kosten – wie für so viele andere institutionelle Kapitalsammelstellen Anfang des neuen Jahrtausends.
Zurück auf Los
In den vergangenen vier Jahren mussten CEO und Präsident Moriarty und seine Mannen durch harte Arbeit die Vergangenheit bewältigen: „We have gone to a simple reference portfolio concept. It’s easy, implementable and passive.“ Darin zeigt sich die ganze Ironie der Geschichte. Der Ausgangspunkt aller Überlegungen ähnelt nun also doch wieder jenem der Jahre vor 2000: ein kostenminimiertes, passiv gesteuertes Referenzportfolio, zusammengestellt nach Risikoquellen beziehungsweise -treibern: Aktien, Zinsen, Cash, Inflation und Währungen. Aktiver zu werden, gerade auch durch Hedgefonds-strategien, ist nicht ausgeschlossen. Solche Aktionen stehen aber unter dem Diktat des Risikobudgets. Die Maßgabe lautet: Jede aktive Komponente muss erst einmal beweisen, dass sie der entsprechenden passiven Komponente überlegen ist. Ein Jurist würde von einer „Beweislastumkehr“ sprechen.
Das Beispiel macht deutlich: Risiko und Kosten – und alle Investments, die man damit zu Recht oder zu Unrecht verbindet – sind das Alpha und das Omega der „Generation GFC“. Entsprechend hat Moriarty in den vergangenen zwölf Monaten ein neues Risikoallokationsmodell eingeführt. Das Ergebnis: Das Portfolio wurde angepasst, weil die Währungsrisiken unterschätzt und das Zinsrisiko stark überschätzt worden war. Und wie sieht nun das aktuelle Portfolio der Kanadier aus? 15,9 Prozent kanadische Aktien, 17,9 Prozent US-Aktien, 16,4 Prozent internationale Aktien, 10,2 Prozent Schwellenländeraktien, 19,8 Prozent Credit, 10,9 Prozent Zinsträger sowie 10,9 Prozent in Absolute-Return-Strategien. Diese Allokation zeigt deutlich, dass die smarten Vertreter der Generation GFC die Abonnements von Anleihen, Aktien und Hedgefondsstrategien für die Schubladen „risikoreich“ oder „risikolos“ nunmehr gekündigt und parallel dazu die Strukturen dafür geschaffen haben, die besagten Abos bei Bedarf doch wieder aufleben zu lassen. Genau diese Flexibilität unterscheidet sie von der Vorgängergeneration – zumindest unter den weitgehend unregulierten Investoren, die nicht de facto oder de jure gezwungen sind, unabhängig vom Blick auf die Märkte beispielsweise Staatsanleihen zu kaufen.
Die Generation GFC hat weltweit dieselbe Blaupause: Kosten senken, neue Wege im Risikomanagement gehen, dabei sehr flexibel bleiben und in den Bieterwettbewerb um bisher vernachlässigte Investmentchancen eintreten – als Folge rekordniedriger Zins- und Renditeniveaus an den Kapitalmärkten. Ein Beispiel ist Railpen, einer der „bellwether funds“ in Großbritannien. Der knapp 20 Milliarden Euro große Eisenbahner-Pensionsfonds hat im vergangenen Jahr die Investments neu sortiert und einen „defensiven“ sowie einen passiven Vermögenspool gestartet und dotiert. Der defensive Pool soll so flexibel sein, dass nötige Risikoanpassungen möglich sind, ohne ein zu starres LDI-Programm (LDI = Liabiliy Driven Investing) einführen zu müssen oder von der Rendite her unattraktive Indexlinker kaufen zu müssen. Der passive Pool bildet die globalen Aktienmärkte kostengünstig ab. Einen aktiv gemanagten globalen Aktienpool gibt es noch, aber er wird kleiner. Außerdem hat die Generation GFC bei Railpen jüngst den Ausstieg aus Fund-of-Fund-Strukturen bei Hedgefonds eingeläutet. Je direkter, desto besser, weil kostengünstiger – so lautet die Ratio.
Die Maßnahmen wirkten sich auch auf die externen Asset Manager aus: Die globalen Aktienmandate mit Brandes, Newsmith, Fidelity, Martin Currie und TT International wurden beendet, wie auch das Anleihenmandat mit Western Asset und das Hedgefondsmandat mit Goodhart. Jetzt dürfen – neben einigen Dutzend weiterer Adressen – andere ran: Edgbaston, Peak Rock Capital, Invesco Perpetual, Aspect Capital, Ares, Ardevora, Credit Suisse, Index Ventures und die auf Technologieunternehmen spezialisierten Venture-Capital-Investoren von Andreessen Horowitz.
Die Nachwehen der GFC zeigen sich aber beileibe nicht nur in den Portfolios der großen, mehrere Milliarden Euro schweren Investoren. Die 1,3 Milliarden Euro große Forsakringsbranchens Pensionskasse (FPK) aus Stockholm beispielsweise hat vor kurzem angekündigt, das „downsizing“ ihres immer noch hälftigen Anleiheanteils fortzusetzen. Der London Borough of Ealing Pensionsfonds, der umgerechnet rund 860 Millionen Euro verwaltet, hält überhaupt keine Staatsanleihen, sondern fast ein Viertel seiner Anlagen in Corporate und High Yield Bonds. Den bisherigen 75-prozentigen Aktienanteil reduzieren die Briten nun um zehn Prozentpunkte. Diese knapp 100 Millionen Euro werden in Immobilien reinvestiert – die Anlageform, die wohl mit am stärksten in den Fokus der Generation GFC gerückt ist. Im Falle der Londoner beschränken sich die Neuinvestments auf heimische Immobilien, wofür Lothbury Investment, Hermes Real Estate und Standard Life Investments ausgesucht wurden.
Schwellenländer für Ascom und Unilever
Die Tendenz zu Engagements in den Schwellenländern und auch in Immobilien sieht man derzeit auch sehr ausgeprägt in der Schweiz und in Dänemark. Die in Bern ansässige Ascom Pensionskasse (eine Milliarde Euro) unter ihrem Kopf René Zaugg und dem für Investments zuständigen Erwin Krättli hält zum Beispiel bereits sage und schreibe rund 40 Prozent ihrer Anlagen in Immobilien. Ende vergangenen Jahres nahm die Pensionskasse auch Schwellenländeraktien ins Portfolio auf – und das, obwohl sie das Aktienrisiko derzeit eher reduziert. Die Pensionskasse der Unilever Schweiz (700 Millionen Euro) in Cham nördlich des Zuger Sees wird als Resultat einer Asset-Liability-Studie von 2011 bis Ende dieses Jahres erstmals sowohl Schwellenländeranleihen als auch Immobilienfonds ins Portfolio aufnehmen.
In Dänemark hält es die Pensionskasse der dänischen Pädagogen (knapp sechs Milliarden Euro) weder in Dänemark noch auf ihrer bisherigen Immobilienquote. Über 25 Millionen Euro haben die Pädagogenvertreter in mexikanische Immobilien investiert. Ib Jansholt, der Immobilienchef, verspricht sich davon immerhin doppelt so hohe Renditen wie mit heimischem Betongold.
Die fast zehnmal größere PFA Pension (50 Milliarden Euro) erinnert mit ihrem über 80-prozentigen Bondanteil am ehesten an die Vorgänger der Generation GFC. Aber auch hier steigt der Druck: Ausgehend von einer Immobilienquote in Höhe von vier Prozent und in der Hoffnung auf „stabile Renditen“ werden sich Asset-Allocation-Chef Henrik Henriksen und der für Real Estate zuständige Michael Bruhn nach weiteren Immobilienengagements umschauen. Die jüngste Investition in das Projekt Nordhavnen im Hafen von Kopenhagen war nur der Anfang in Richtung Generation GFC.
portfolio institutionell, Ausgabe 6/2013
Autoren: Maik Rodewald In Verbindung stehende Artikel:
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