Solvency-II-Test: Ermutigendes Ergebnis für die Versicherungsbranche
Der GDV und die Eiopa sind sich im Nachgang zum LTGA weitgehend einig. Damit Solvency II kommen kann, muss noch an diversen Stellen nachgebessert werden.
Im Februar und März 2013 sind die europäischen Versicherungsgesellschaften aufgefordert gewesen, die Solvency-II-Methode zur Bewertung langfristiger Verpflichtungen zu testen. Während der Zeitpunkt der Scharfstellung von Solvency II weiterhin völlig offen ist, stehen nun die Testergebnisse der deutschen Versicherungswirtschaft fest. Die Ergebnisse des sogenannten Long Term Guarantees Assessment (LTGA) stellte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) Mitte Juni vor. „Das LTGA hat gezeigt, dass die bisherigen Probleme bei der Bewertung langfristiger Verpflichtungen unter Solvency II mit dem getesteten Instrumentenkasten gelöst werden können“, meint der Vorsitzende der GDV-Hauptgeschäftsführung, Jörg von Fürstenwerth. „Es sind aber noch Anpassungen der einzelnen Instrumente notwendig, damit sie später auch praktisch anwendbar werden“, betont er.
In dem Test sollten mit unterschiedlichen Konstellationen möglichst tragfähige Ansätze herausgefiltert werden, wie Versicherungsgesellschaften unter Solvency II ihre langfristigen Verpflichtungen insbesondere in der Lebensversicherung bewerten und welche Zinsentwicklung sie für die nahe und ferne Zukunft annehmen sollen. Die Wirtschaftlichkeit der einzelnen Versicherungsunternehmen war dabei nicht das Thema. Wie bei allen Modellen sind die zugrundeliegenden Annahmen der Knackpunkt solcher Betrachtungen. Von den Annahmen zur Zinsstrukturkurve hängen die Kapitalanforderungen an die Unternehmen ab, wie auch der GDV betont. Seriöse Vorhersagen, wie sich das Zinsniveau in den kommenden Jahrzehnten entwickelt, seien aber nicht möglich. „Die aktuell zu beobachtende extreme Marktvolatilität mit künstlich niedrigen Zinsen in einigen und sehr hohen Risikoaufschlägen in anderen Ländern, wie auch die stetigen Eingriffe der Europäischen Zentralbank, erschweren die Zinsprognose zusätzlich“, erläutert der GDV. Nicht zuletzt habe der deutsche Testlauf 2012 gezeigt, dass das Solvency-II-Modell noch nicht auf dieses stark veränderte Marktumfeld eingestellt ist.
„Ein Blick auf die unterschiedlichen Zinssituationen in Zentraleuropa und Südeuropa zeigt, dass es für die Bewertung langfristiger Verpflichtungen unter Solvency II keine einfache Lösung geben kann“, sagt Axel Wehling, Mitglied der GDV-Hauptgeschäftsführung. Damit aber vor allem die Anbieter von Lebensversicherungen auch unter Solvency II langfristige Garantien anbieten können, sind für den GDV noch mehrere Änderungen im Instrumentenarium notwendig. Dazu zählt eine frühzeitige und schnelle Modellierung oder Extrapolation der Zinsstrukturkurve. Die Modellierung müsse „frühzeitig“ im Jahr 20 starten, wenn keine verlässlichen Marktdaten mehr verfügbar sind. Zudem müsse sie sich „schnell“ im Jahr 30 an den Langfristzins annähern. Dieser Ansatz sei bereits auf politischer Ebene vereinbart und sollte unverändert beibehalten werden.
Zudem sollte es einen gleitenden Übergang für langfristige Garantien geben. „Für langfristige Garantien soll ein Mechanismus für den Übergang nach Solvency II geschaffen werden, der die stetigen Eingriffe der Europäischen Zentralbank in die Marktpreisbildung für einen gewissen Zeitraum kompensiert“, so der GDV. Der im LTGA getestete Ansatz sei noch nicht Solvency-II-konform; die Übergangsfrist mit sieben Jahren sei wesentlich zu knapp bemessen. Die Phase sollte sich an den sehr viel längeren Laufzeiten von Lebensversicherungen orientieren. „Grundlage für die Laufzeit sollte die durchschnittliche Duration der Passivseite der Unternehmen sein“, konkretisiert Wehling. Verbesserungen oder Verschlechterungen des Marktumfeldes sollten in der Übergangszeit berücksichtigt werden.
Außerdem sollte im Falle kurzfristig gestörter Märkte die Versicherungsaufsicht unter Solvency II einschreiten können, damit Versicherungsgesellschaften in solchen Situationen langfristige Kapitalanlagen nicht verkaufen. Der im LTGA getestete Krisenreaktionsmechanismus, die sogenannte antizyklische Prämie, hat sich für den GDV als richtiger Ansatz erwiesen. Es müsse aber noch verlässlich festgelegt werden, wann der Mechanismus in welcher Höhe greift – europaweit einheitlich. Nationale Aufseher sollten die Möglichkeit haben, im Bedarfsfall Erhöhungen vorzunehmen. Des Weiteren soll ein Ausgleichsmechanismus für langfristige Kapitalanlagen im marktwertbasierten Solvency-II-Modell berücksichtigen, dass Versicherungen als langfristige Anleger von Marktschwankungen kaum betroffen sind. Dieses sogenannte Matching Adjustment müsse jedoch – anders als bisher vorgesehen – für alle europäischen Länder anwendbar gemacht werden.
Die EU-Versicherungsaufsicht Eiopa sieht die Lage in diesem Punkt etwas anders. In ihrer Erklärung zu den jüngsten Solvency-II-Testläufen am Freitag riet die Europäische Versicherungsaufsicht von der Einführung eines Matching Adjustment zur Abdeckung langfristiger Versicherungsverpflichtungen ab. Das Instrument liefere Versicherten keinen ausreichenden Schutz und sei schwierig zu überwachen. Überdies geht Eiopa davon aus, dass die für Krisensituationen konzipierte antizyklische Prämie die Finanzstabilität beeinträchtigen dürfte, auch wegen der Art, auf welche sie ausgelöst würde. Eiopa spricht sich dafür aus, die antizyklische Prämie mit einer simpleren, berechenbareren Kennzahl – der sogenannte „Volatility Balancer" – zu ersetzen. Diese Kennzahl soll dabei helfen, die unbeabsichtigter Folgen der Volatilität in den Griff zu kriegen.
Ansonsten stimmt Eiopa in vielen Punkten mit dem GDV überein. Auch sie spricht sich für Erleichterungen in den zukünftigen Kapitalregeln aus und betont, dass eine Umsetzung der Regulierung diversen Grundprinzipien folgen müsse und an mehreren Stellen nachgebessert werden müsse. Zu den wesentlichen Prinzipien zählen unter anderem: die volle Übereinstimmung und Vergleichbarkeit, um den einzelnen Markt zu fördern; eine effiziente Verbindung der drei Säulen quantitative Basis, qualitative Vorgaben sowie erweitertes Reporting und Berichtspflicht; Proportionalität und Einfachheit und eine angemessene Berücksichtigung von Übergangsfragen. Ausführliches zu den Ergebnissen der Eiopa finden Siehier.
Rund 1,3 Milliarden Euro für Berichtspflichten
Neben diesen in den Testläufen gewonnen Ergebnissen, die für ein Gelingen von Solvency II nötig seien, müsse aus Sicht des GDV die Branche auch in anderen Bereichen nacharbeiten. Bei den Berichtspflichten etwa müssten die bisherigen Vorgaben „auf das aufsichtsrechtlich erforderliche Maß“ verringert werden. Das betreffe alle Bereiche: Berichtsinhalte, -frequenz und -fristen. Die geschätzten Implementierungskosten auf Solo-Ebene sollen sich laut GDV auf circa 1,3 Milliarden Euro belaufen. Mit 44 Prozent macht die Säule III dabei den größten Kostenblock aus. Auf die Säule I entfallen 25 Prozent, auf Säule II 31 Prozent. Für kleine und mittlere Versicherungsunternehmen ist für den Verband die konsequente Umsetzung des Proportionalitätsprinzips ebenso wichtig, für die es allerdings noch kein schlüssiges Konzept gibt. Der Start von Solvency II könne nur gelingen, wenn die neuen Regeln von allen Unternehmen angewendet werden können.
Damit Versicherungen stärker in Energie- und Infrastrukturprojekte oder Immobilien investieren können, müssten für diese Anlageklassen zudem risikogerechte Kapitalanforderungen festgelegt werden. Für Investitionen in Energie und Infrastruktur sollte auch eine eigene Risikoklasse festgelegt werden. Ab der Endfassung der Solvency-II-Regeln brauchen die Unternehmen aus Sicht des GDV außerdem ausreichende Übergangsfristen, um sich auf deren Umsetzung vorbereiten zu können. Zudem sollten sie in den ersten fünf Jahren ab „Scharfschaltung“ von Solvency II bei Verfehlung der Solvenzanforderungen (SCR) verlängerte Aufholfristen bekommen. „Das künftige Aufsichtssystem muss in allen Marktsituationen funktionieren und darf auch nicht im Widerspruch zum langfristigen Versicherungsgeschäft stehen“, betont der GDV-Vorsitzende von Fürstenwerth unter dem Strich. „Wir brauchen Rechtssicherheit. Die endgültigen Anforderungen müssen in der Omnibus-II-Richtlinie verankert werden“, fügt er hinzu.
portfolio institutionell newsflash 17.06.2013/gor-kbe
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