Investoren
22. April 2025

Engagements aus dem hohen Norden

Gute Unternehmensführung steht beim norwegischen Ölfonds hoch im Kurs. So stimmte er im vergangenen Jahr gegen 426 Vergütungspakete von Vorständen. Der Staatsfonds will sein Abstimmungs­verhalten auf Aktionärsversammlungen transparenter machen. Das haben wir uns näher angeschaut.

Damit Engagements erfolgreich sind, braucht es gute Argumente. Aber ohne ein großes (Aktien-)gewicht im Rücken wiegen auch ­gute Argumente bei großen Corporates oft nicht viel. Viel mehr Bewegung kann hier ein gewichtiges Portfolio bringen. Der norwegische Ölfonds, offiziell als Government Pension Fund Global (GPFG) bezeichnete Staatsfonds Norwegens, in den die Erträge aus der Öl- und Gasförderung des Landes fließen, verfügt über das größte Portfolio weltweit. Ende des vergangenen Jahres war der Fonds rund 1,7 Billionen ­Euro schwer.

Einen Großteil seines Vermögens investiert er in Aktien (71,4 Prozent). Erst an zweiter Stelle folgt Fixed Income (26,6 Prozent). Zu etwa 1,8 Prozent ist der Ölfonds auch in Immobilien und zu einem noch sehr kleinen Teil (0,1 Prozent) in Infrastruktur investiert. Im Jahr 2024 schaffte der Fonds ­eine Gesamtrendite von 13,1 Prozent, die vor allem von den Aktien­investments getrieben war. Die zuletzt fallenden Kurse an den weltweiten Börsen haben auch dem Ölfonds zugesetzt. Dessen Vermögen sank zum Redaktionsschluss Mitte März (13.3.) auf rund 18,66 Billionen norwegische ­Kronen, umgerechnet also auf 1,6 Billionen Euro.

Der norwegische Staatsfonds gilt mit seinem enormen Kapital als mächtiger Investor, der auch die Auseinandersetzung mit CEOs großer globaler Konzerne nicht scheut. So stimmte er im vergangenen Jahr gegen 426 Vergütungspakete von Unternehmenslenkern, was jedoch angesichts von fast 9.000 Unternehmen, in die er investiert, weniger als fünf Prozent ausmacht. Allerdings: Was Nicolai Tangen, CEO von Norges Bank ­Investment Management, dem ­Manager des Ölfonds, und seine Kollegen kritisieren, findet ­international Gehör. Denn mit ­seinen ­Engagements und seinem Abstimmungsverhalten auf ­Aktionärsversammlungen nimmt der Fonds mittelbar auch ­Einfluss auf die Besetzung von Vorstands-Gremien.

So berichtete Chief Governance and Compliance Officer Carine Smith Ihenacho auf einer Pressekonferenz des GPFG im Februar über das „Schlüsselthema CEO-Pay: Langfristige Anreizsysteme in der ­Vergütung von Vorstandsvorsitzenden bleiben ein zentrales Thema für uns. Wir glauben, dass derzeit die Interessen von CEOs und Langfristinvestoren noch nicht angeglichen („aligned“, also im ­Einklang) sind.“ Als negatives Beispiel für das jüngste­ Abstimmungsverhalten des Ölfonds nannte Smith Ihenacho die Firma Intel. Hier habe es ein Ungleichgewicht (misalignment) zwischen der Vergütung und der Performance gegeben. Dessen CEO sei später im Jahr zurück­getreten. Als positives Beispiel nannte die Governance-Vorständin dagegen den Tech-Riesen Amazon. 2023 habe sich Amazon für ein „einfaches und transparentes CEO-Package“ entschieden, welches dem CEO (Andrew R. Jassy) Anreize gebe, langfristig zu denken und zu handeln.

Prominentestes Negativ-Beispiel für exorbitante CEO-Packages bei globalen Corporates dürfte jedoch Tesla sein, dessen CEO Elon Musk sich im vergangenen Jahr eine Vergütung von insgesamt ­satten 56 Milliarden US-Dollar von den Aktionären hatte genehmigen lassen. Im Januar hatte ein US-Gericht im Bundesstaat Delaware die Auszahlung noch untersagt. Nach der Abstimmung wurde das Gehaltspaket dann im Dezember 2024 durch die zuständige Richterin erneut gestoppt. Musk und Tesla hätten zuletzt dagegen Berufung einlegen wollen, so Medienberichte. Die enorme Summe sei vor allem aufgrund der hohen Wertsteigerungen von Tesla in den vergangenen Jahren zustande gekommen, da der Boni-Vertrag mit Musk auf Basis der Aktienkurse von 2018 geschlossen wurde.

Der norwegische Staatsfonds hatte ­Medienberichten zufolge ­bereits seit 2018 das zweite Mal gegen ein Vergütungspaket von Musk ­gestimmt. Das US-Magazin Fortune berichtete, dass der Ölfonds sein Nein damit begründete, dass er den Wert, der unter Musk ­geschaffen wurde, schätze, allerdings „Bedenken hinsichtlich des Gesamtumfangs der Zuteilung, der Struktur angesichts der Leistungsauslöser, der Verwässerung und der mangelnden Minderung des Risikos von Schlüsselpersonen“ habe. Das Nein des Ölfonds zu Musks gigantischem Vergütungspaket hatte jedoch ein Nachspiel. Die spätere Textnachricht Musks mit einer Absage an ­Tangens ­Einladung zu einer Dinnerparty in seinem Haus in Oslo und ­dessen Antwort sind inzwischen Geschichte. Das US-Magazin ­Fortune ­titelte im Januar, Musk habe Tangen die „kalte Schulter ­gezeigt“. Aktuell dürften Aktionäre Musk kaum noch zujubeln: Seit dem Hoch im Dezember 2024 hat sich der Kurs der Tesla-Aktie ­nahezu halbiert (Stand: 13. März 2025).

Zur generellen Position des Ölfonds und seinem Abstimmungs­verhalten in puncto CEO-Vergütung sagt Wilhelm Mohn, Global Head of Active Ownership bei Norges Bank Investment Management (NBIM): „Ein Vorstand sollte sicherstellen, dass die Vergütung des Vorstandsvorsitzenden auf die langfristige Wertschöpfung für das Unternehmen und seine Aktionäre ausgerichtet ist. Wir werden weiterhin gegen unverhältnismäßige Vergütungspakete und Vergütungspraktiken stimmen, die keinen Wert für die Aktionäre schaffen.“ Die neben den Assets des Ölfonds vielleicht ­­be­eindruckendste Zahl ist die der Votings: 110.656-mal hat der ­norwegische Ölfonds im vergangenen Jahr seine Stimme zu ­verschiedensten Topics auf Hauptversammlungen abgegeben. Insgesamt an 11.154 Hauptversammlungen hat er teilgenommen. ­Allerdings setzt der Fonds sein Gewicht bei Abstimmungen nur in homöopathischen Dosen ein: „Im Jahr 2024 haben wir bei 95 Prozent aller Beschlüsse im Einklang mit den Empfehlungen des ­Vorstands ­gestimmt“, heißt es.

Wie erwähnt investiert der GPFG in fast 9.000 Unternehmen. „Diese Unternehmen, die für die Performance des Staatsfonds wichtig sind, sollten langfristig denken und handeln“, forderte auch Carine Smith Ihenacho auf der betreffenden Pressekonferenz des Ölfonds. Daher setze sich der Ölfonds auch kritisch mit der ­Regulatorik, konkret der vierteljährlichen Berichterstattungspraxis, auseinander. „Sie kann Wachstum und Innovation behindern und Unternehmen vom Zugang zu öffentlichen Märkten abhalten.“ Die Quartalsberichterstattung könne zudem zu einem Verhalten führen, das sich nicht im Einklang mit langfristiger Wertschöpfung befinde, erklärte Smith Ihenacho den Standpunkt.

Die Bilanz der Engagements des Ölfonds und seiner Gespräche mit Unternehmen ist beachtlich: Im Jahr 2024 kam es zu 3,313 Gesprächen mit 1.342 Unternehmen. Davon betrafen etwa 60 Prozent Governance- oder nachhaltigkeitsbezogene Themen, was etwa 65 Prozent des Aktienportfolios des Staatsfonds entspricht. In einer Liste auf seiner Website führt der Ölfonds minutiös auf, wieviele Treffen es mit welchem Unternehmen im vergangenen Jahr ­gegeben hat und um welche Themen sich die Gespräche drehten: ­Environmental, Social, Governance, Climate Change oder Net-Zero Targets. Zusätzlich ging es bei einigen Gesprächen auch um die „Klima-Engagement-Fokus-Liste“. Wie der Ölfonds erklärt, ­umfasst diese Liste Unternehmen, die etwa 70 Prozent der finanzierten Scope-1- und Scope-2-Treibhausgasemissionen des Aktienport­folios des Fonds ausmachen, zudem umfasst die Liste die größten Beteiligungen in Sektoren mit erheblichem indirektem Klima­risiko, sowie weitere Unternehmen mit erhöhtem Klimarisiko auf der Grundlage eigener Bewertungen. Der Auflistung zufolge scheinen Governance-Themen und Net-Zero-Targets im Jahr 2024 mit Abstand die häufigsten Themen in den Unternehmens­dialogen ­gewesen zu sein, eine Zusammenfassung der Themen in Zahlen findet sich hier jedoch nicht. Interessant ist jedoch die Häufigkeit der Treffen, die der Fonds mit einigen Firmen ­vornimmt: So fanden im vergangenen Jahr ganze 13 Meetings mit einem ­Öl­konzern statt: Shell Plc. Dabei ging es der Liste zufolge um alle ­Themenbereiche von Environment bis hin zu Netto-Null-Zielen. Das Wohnungsunternehmen Vonovia kam auf elf Meetings, ­ebenso wie das Rohstoff- und Bergbauunternehmen BHP Group Ltd, Tesla kam immerhin auf zehn Meetings.

Divestment als letztes Mittel

Wichtig für ein erfolgreiches Engagement ist letztlich auch die mögliche Entscheidung zum Divestment. Der Ölfonds beschreibt drei Gründe für einen Verkauf von (Aktien-)Beteiligungen: Governance- und Nachhaltigkeitsrisiken nennt der Fonds als ersten Grund, gefolgt von der geringen Größe eines Investments. Als­ ­letztes Mittel komme ein Divestment auch in Betracht, wenn der Dialog mit einem Unternehmen und auch das Abstimmungs­verhalten ihm gegenüber mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zum Erfolg führen werden. Als Mahnung an die Schmutzfinken ­unter den ­Corporates führt der GPFG seine berühmte Ausschlussliste ­öffentlich und aktualisiert sie regelmäßig. Die Liste wird von institutionellen Investoren weltweit studiert, darunter auch von ­vielen Investoren aus Deutschland.

Der Ölfonds ist das Dickschiff unter den aktiven Asset ­Ownern weltweit. Im angelaufenen Jahr verfolgt der Ölfonds rund 1200 ­Engagements, wobei rund 40 Prozent sich um verschiedene Governance-Themen drehen. Bei den Einzelthemen liegt jedoch das ­Thema Klimawandel mit 24 Prozent vorn, gefolgt von „Qualität und Effektivität des Vorstands“ mit 13 Prozent. Regional entfällt ein großer Teil der Engagements auf US-Unternehmen (rund 29 Prozent). Es bleibt abzuwarten, was der GPFG in puncto Klimaschutz bei den Corporates noch erreichen wird. Sein „Climate Action Plan“ sieht unter anderem vor, dass der Fonds 2025 ein umfassendes System zur Messung der eigenen Klimarisiken und -chancen etabliert hat, sowie potenzielle Emissionspfade für das Portfolio einrichtet. Das Aktien­portfolio soll einem jährlichen Stresstest in Bezug auf 1,5 Grad und andere Klimaszenarien unterzogen werden.

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