Traditionelle Anlagen
15. November 2024

Expansion statt Transformation

Urgewald: 2023 mit neuem Rekord bei Öl- und Gasförderung. Kurzfristige Expansionspläne im Widerspruch zu internationalen Net-Zero-Zielen.

Es sieht nicht gut aus für die globale Net-Zero-Transformation, vor allem nicht, wenn man auf den Öl- und Gassektor blickt. So hat die Nichtregierungsorganisation Urgewald, zusammen mit 34 Partnerorganisationen, ihre “Global Oil an Gas Exist List“ (Gogel) aktualisiert und meldet anlässlich des Weltklimagipfels in Baku niederschmetternde Zahlen. Der Auswertung zufolge erreichte die weltweite Öl- und Gasproduktion im vergangenen Jahr einen historischen Höchststand: Im heißesten Jahr seit Messbeginn förderten Unternehmen auf Gogel 55,5 Milliarden Barrel Öläquivalent (billion barrels of oil equivalent, bboe). Die globale Öl- und Gasproduktion überschritt damit demnach erstmals Höchstwerte, die zuletzt vor der Covid-19-Pandemie beobachtet wurden. „Dieser Negativrekord ist alarmierend. Wenn wir die fossile Expansion nicht aufhalten und keinen kontrollierten Produktionsrückgang einleiten, wird das 1,5-Grad-Limit unerreichbar. Hier müssen wir bei den Klimaverhandlungen in Baku vorankommen“, sagt Nils Bartsch, Leiter der Öl- und Gasrecherche bei Urgewald.

95 Prozent der weltweiten Öl- und Gasproduktion

Zum Hintergrund: Die Exit-Liste umfasst 1.769 Unternehmen, die Öl und Gas fördern oder neue fossile Infrastruktur entwickeln: Terminals für Flüssigerdgas (LNG), Pipelines oder Öl- und Gaskraftwerke. Die in der Liste aufgeführten Förderunternehmen sind verantwortlich für 95 Prozent der weltweiten Öl- und Gasproduktion.

Wie Urgewald weiter berichtet, erschließen schon jetzt Öl- und Gasfirmen neue Felder, deren Ausbeutung sogar zu einem Temperaturanstieg von mehr als zwei Grad führen könnte. Gogel listet dementsprechend 578 Förderunternehmen auf, die aktuell daran arbeiten, insgesamt 239,3 Milliarden Barrel Öläquivalent (bboe) aus bisher unerschlossenen Öl- und Gasfeldern in Produktion zu bringen.

Netto-Null-Szenario um mehr als 50 Prozent überschritten

Demnach überschreiten fast zwei Drittel der kurzfristigen Expansionspläne der Öl- und Gasunternehmen den Fahrplan der Internationalen Energieagentur (IEA) für Netto-Null-Emissionen bis 2050. Der saudische Staatskonzern Saudi Aramco hat demnach mit 11,6 bboe den größten Anteil kurzfristiger Expansionspläne, die über die von der IEA aufgezeigte Grenze hinausgehen. Es folgen die Abu Dhabi National Oil Company (Adnoc) mit 8,4 bboe, QatarEnergy (7,8 bboe), ExxonMobil (6,6 bboe), die National Iranian Oil Company (Nioc) (5,2 bboe), Petrobras (4,7 bboe), TotalEnergies (4,5 bboe) und Shell (4,4 bboe).

Gogel-Daten zeigten: „Die kurzfristigen Expansionspläne jeder dieser acht Firmen überschreiten das Netto-Null-Szenario der IEA um mehr als 50 Prozent“, schreibt die Organisation in einer Mitteilung vom Dienstag. Zudem investierten die Unternehmen gemeinsam im Schnitt jährlich 8,4 Milliarden US-Dollar für die Suche nach neuem Öl und Gas.

Sektor „transformiert sich nicht“

Die Bilanz von Urgewald sieht dementsprechend düster aus: „Die Öl- und Gasindustrie transformiert sich nicht. Ganz im Gegenteil: 95 Prozent der Förderunternehmen auf Gogel sind auf der Suche nach neuen Öl- und Gasfeldern oder erschließen diese bereits. So auch die Öl- und Gasproduzenten Total Energies, Shell, BP, Eni, Equinor, OXY, OMV und Ecopetrol. Sie alle behaupten bis 2050 Netto-Null-Emissionen anzustreben.“

Und Regine Richter, Energie- und Finanz-Campaignerin bei Urgewald, zieht Bilanz: „Die Klimaziele dieser Unternehmen basieren auf völlig unrealistischen Prognosen für den Einsatz von CCS (Carbon Capture and Storage, Anmerkung der Redaktion), der Nutzung erneuerbarer Energien für den Betrieb ihrer Öl- und Gasanlagen und auf einer Steigerung ihrer Gasproduktion. Keines davon plant, seine Produktion im ausreichenden Maß zu senken, geschweige denn seine Produktion früh genug komplett zu beenden. Es können noch so viele Erneuerbare zugebaut werden, die Welt wird die Erderwärmung nicht auf 1,5 Grad begrenzen können ohne einen schrittweisen Ausstieg aus Öl und Gas.“ Zur Global Oil an Gas Exist List (Gogel) geht es hier entlang.

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