Aus Erneuerbaren Energie schöpfen
Erneuerbare Energien befinden sich in der Zwickmühle: Aufgrund der Klimaziele ist enormes Wachstum geboten, gleichzeitig sind die nötigen Investments durch den Staat allein längst nicht zu stemmen. Investoren bieten Renewables Anlagechancen, doch auch die Risiken sind mitunter hoch.
Die Europäische Union hat ihr Klimaziel auf das Jahr 2050 gesetzt, Deutschland will derweil schon bis 2045 klimaneutral sein. Es geht also kein Weg am Ausbau der Erneuerbaren Energien vorbei. Das belegt auch eine aktuelle Studie des Freiburger Wirtschaftswissenschaftlers Dr. Lars Feld für Union Investment. Dem Papier zufolge beläuft sich der „erhebliche Investitionsbedarf“ in Deutschland allein für die Energieinfrastruktur aufgrund der Energiewende bei On- und Offshore-Anlagen auf bis zu 270 Milliarden Euro bis zum Jahr 2037. Die kommende Dekade wird also entscheidend sein für den Erfolg der Energiewende. Auf internationaler Ebene markiert zunächst das Jahr 2030 die nächste, bedeutende Zwischenetappe. Nach einem Bericht der International Renewable Energy Agency, Irena, vom Oktober geht es bei den Renewables auf globaler Ebene um eine Verdreifachung der Kapazitäten bis zum Ende dieses Jahrzehnts. Der Irena-Untersuchung zufolge ist der Ausbau der Renewables weltweit im Jahr 2023 um etwa 14 Prozent auf 3.865 Gigawatt gestiegen.
Institutionelle Investoren aus Deutschland engagieren sich seit Jahren stark in der Energiewende. So ist beispielsweise die Talanx laut ihrem Geschäftsbericht 2023 mit über 1,2 Milliarden Euro in Erneuerbare Energien investiert. Der Versicherungskonzern hat für 23 Windparks – darunter vier auf See – Finanzierungslösungen zur Verfügung gestellt beziehungsweise ist Eigenkapitalinvestor. Darüber hinaus engagieren sich unter anderen auch die Gothaer und die Alte Leipziger/Hallesche stark in Erneuerbaren Energien. Signal Iduna machte im Sommer Schlagzeilen mit einem Investment in den größten zusammenhängenden Solarpark Europas.
Im Club braucht es gleichgerichtete Interessen
Manchmal benötigen Renewables-Anlagen derart viel Kapital, dass es mehrere institutionelle Investoren braucht, um zu investieren. Gerade Offshore-Windinvestments sind hierfür ein Beispiel. Häufig bilden Investoren hier Konsortien, die Offshore-Windkraftanlagen Finanzierungen geben. In solchen Konsortien seien meist größere Versicherer, Versorgungswerke oder auch Corporates involviert, wobei es darauf ankomme, dass hier die Anlageziele der einzelnen Investoren nicht zu weit auseinanderliegen: „Bei einem Investorenclub sind gleichgerichtete Interessen der beteiligten Investoren sehr wichtig, da diese Investments sehr langfristig ausgerichtet sind“, betont Dr. Nicole Arnold, Vorstandsmitglied bei der Commerz Real AG und verantwortlich für strukturierte Finanzierungen und Infrastrukturinvestments. Die Commerz Real hat ihren Schwerpunkt bei Wind auf Onshore-Investments, hält aber auch eine Beteiligung am Windpark „Veja Mate“ in der Nähe der Nordseeinsel Borkum. Doch Offshore ist auch mit höheren Risiken verbunden. „Viele institutionelle Investoren beschäftigen sich eher mit Investments in Solarenergie oder Onshore-Wind und fühlen sich komfortabler damit“, berichtet Arnold.
Auch Ludger Wibbeke, einer der drei Geschäftsführer der Service-KVG Hansainvest und verantwortlich für den Geschäftsbereich Real Assets, berichtet von investorenseitigem Interesse vor allem an Photovoltaik und Onshore-Wind: „Wir sehen Offshore in Fondsinvestitionen noch gar nicht, was auch an der nochmal gesteigerten Komplexität liegen mag.“ Im Augenblick liege der Fokus zudem eindeutig auf Eigenkapital-Investments. „Dies schlüsselt sich auf in die Segmente Photovoltaik, Onshore-Wind, Bioenergie, Ladeinfrastruktur, Batteriespeicher und Wasserstoff. Es sind zum deutlichen Großteil Eigenkapital gebende Fonds.“ Nicole Arnold von der Commerz Real weiß: „Während sie bei Onshore-Investments mit einer Leistung zwischen 30 und 100 Megawatt die Anteile meist zu 100 Prozent übernehmen können, sind Offshore-Investments immer Minderheitsbeteiligungen.“ In der Regel entfielen hier Anteile von maximal 25 Prozent auf einen Investor.
Was macht Offshore-Windinvestments im Vergleich zu Onshore-Investments noch aus? „Einmal sind es die sehr viel längeren Genehmigungs- und Planungszeiten von circa zehn Jahren und mehr für die Offshore-Anlagen, im Onshore-Windbereich sind es in der Regel nur etwa drei bis fünf Jahre, bis eine Anlage genehmigt und gebaut wird. Ein anderer Punkt sind die deutlich längeren Laufzeiten bei den Beteiligungen“, sagt Michael Henn, Global Head of Green Deal Infrastructure bei der Commerz Real. „Die Haltedauer bei Offshore-Wind beträgt auf der Eigenkapitalseite eher 35 Jahre bis 40 Jahre.“
„Bei Offshore-Projekten weist das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) die möglichen ‚Cluster‘ in den deutschen Hoheitsgewässern aus, die sich für den Bau von Offshore-Anlagen eignen. Hier sind einerseits die Flächen begrenzt durch angrenzende Anlagen, und Gegebenheiten wie die Hauptwindrichtung sowie mögliche Turbulenzentwicklungen fließen frühzeitig in die Due Diligence ein. Auch benachbarte Anlagen, zum Beispiel auch von Anrainerstaaten wie den Niederlanden, müssen in die DD mit einfließen“, erklärt Henn. Es komme auf See zudem häufiger zu dem Effekt, dass bestehende Offshore-Anlagen die Windintensität auf dem Meer veränderten und sich mehrere Offshore-Anlagen so gegenseitig den Wind „wegnehmen“, so Henn. „Hier muss idealerweise vorab vertraglich geklärt werden, wer für mögliche Abschattungseffekte wie kompensiert wird.“
Bieter- und Ausschreibungsverfahren für Offshore-Anlagen fänden so meist sechs bis sieben Jahre vor dem Baubeginn statt, was an sich zudem ein Risiko durch den technischen Fortschritt berge: „Die Wahl des Turbinen-Typs erfolgt daher meist erst nach dem Bieterverfahren, was wiederum die Risiken für Offshore-Projektentwickler erhöht“, so Henn. „Diese langen Planungsphasen, in denen sich technisch noch viel verändern kann, sind ein Hauptgrund dafür, weshalb institutionelle Investoren meist nicht in Projektentwicklungen, sondern nur in bestehende Offshore-Anlagen investieren. Die Risiken sind vielen einfach zu hoch“, weiß Henn. Auch schwimmende Offshore-Anlagen sind möglich, allerdings nicht in der Nordsee, so Nicole Arnold. „Schwimmende Windkraftanlagen kommen dort infrage, wo das Meer zu tief für stationär verankerte Anlagen ist“, sagt auch ihr Kollege Michael Henn. Und Arnold nennt ein Beispiel: „Floating Offshore macht Sinn in hohen Wassertiefen, zum Beispiel an Steilküsten, wie etwa vor der Küste Japans, wo die Meerestiefen 1.000 Meter und mehr betragen“, so die Investment-Expertin der Commerz Real.
Schwimmende Offshore-Anlagen
Unter anderem in schwimmende Offshore-Windanlagen investiert Edmond de Rothschild Asset Management über seine Infrastructure-Debt-Plattform Bridge. „Für uns zieht sich das Thema Energie-Transition durch alle Infrastruktursektoren hindurch: Da sind alle Energiebereiche, einschließlich Investitionen in Generation zwei, wie zum Beispiel Floating Offshore und Batteriespeicherung. Aber auch grüne Mobilität (Aufladen von Elektrofahrzeugen, umweltfreundlichere Transportflotten, Elektrifizierung von Offshore-Windpark-Wartungsschiffen), soziale Infrastruktur mit Energieeffizienz, Dekarbonisierung von Versorgungsunternehmen“, sagt Jean-Francis Dusch, Global Head of Infrastructure and Structured Finance und CIO Infrastructure Debt bei Edmond de Rothschild Asset Management. Auch in das Thema Wasserstoff werde investiert. „Wasserstoff ist zwar noch kein ausgereiftes Infrastruktursegment, aber wir beginnen bereits, in einige Projekte zu investieren, bei denen wir uns in Bezug auf die industriellen, baulichen und betrieblichen Risiken sicher fühlen“, erklärt Dusch. Seit ihrer Auflegung (2014) hat die Bridge-Plattform rund sechs Milliarden Euro an Kapital für Infrastrukturfinanzierungen eingeworben.
Dusch konzentriert sich auch auf die Qualität der (finanziellen oder industriellen) Sponsoren, sei es im Bereich der Erneuerbaren Energien, der Energiewende, des Verkehrs, des Sozialwesens, der Versorgungsunternehmen oder der digitalen Infrastruktur. Gerade bei Windinvestments sei dies wichtig: „Als Finanzierer von Infrastruktur brauche ich auf der Eigenkapitalseite einen starken Partner“, sagt Dusch. Finanzierungen hält er in der Folge für nachhaltiger, vorausgesetzt die zugrunde liegenden Vertragsbedingungen sind solide, ausgewogen und gut dokumentiert. „Für EK-Geber hängt die Rendite stark vom Exit ab, während Debt-Investoren einen wiederkehrenden Cashflow erhalten. Wir bieten im Wesentlichen ein festverzinsliches Produkt. Wir strukturieren zudem die Schuldtitel mit einem umfangreichen Paket an Sicherheiten, das in den Finanzierungsvereinbarungen mit den Kreditnehmern sorgfältig dokumentiert ist, um den Schutz und die Interessen unserer Anleger zu maximieren“, zieht Dusch von Edmond de Rothschild Asset Management Bilanz.
Einen anderen Blick auf das Thema Renewables hat Prabal Sidana, Leiter des Bereichs Liquid Private Markets und Portfoliomanager bei der Schweizer Partners Group. Im Bereich der Infrastrukturaktien investiert Sidana zum Beispiel nicht in Windparkentwickler, sondern lieber in Übertragungsnetzbetreiber. Deren Anteil macht üblicherweise zwischen 15 und 20 Prozent des Gesamtportfolios des Fonds „Partners Group Listed Investments SICAV – Listed Infrastructure EUR (I-Acc)“ aus, während der Anteil von Betreibern Erneuerbarer Energien bei etwa zwei Prozent liegt. „Vor allem Windkraftanlagenentwickler hatten zuletzt mit vielfältigen technologischen Risiken zu kämpfen. Klar ist: Der Sektor wird für die kommenden Jahrzehnte stark im Wachstum begriffen sein, aber es wird noch ein weiter Weg, bis die Technologie wirklich ausgereift ist“, so Sidana.
Ludger Wibbeke von der Hansainvest erwartet jedoch, dass sich auch beim Thema Windkraft in den kommenden Jahren ein Wandel im Fokus weg von technischen Themen hin zur Finanzierungsseite vollziehen wird. „Photovoltaik ist heute technisch deutlich weniger anspruchsvoll. Das war vor wenigen Jahren noch ganz anders. Die gleiche Entwicklung hin zu Investment- und Finanzierungsfragen wird bald auch verstärkt bei Onshore-Wind einsetzen“, erwartet der Experte für Real Assets.
Renewables dienen nicht per se als Inflationsschutz
Nach Meinung von Prabal Sidana dienten Erneuerbare Energien auch nicht per se als Inflationsschutz für Investoren. Es komme vor allem darauf an, zunächst die Treiber der Inflation zu ermitteln: „Ist die Inflation in erster Linie durch steigende Lohn- und Materialkosten getrieben, so ist das meist schlecht für die Projektentwickler, auch gerade im Bereich der Erneuerbaren. Resultiert die Inflation zuvorderst aus steigenden Energiepreisen, so kann das gut für Renewables sein, wenn die zugrundeliegenden Verträge eine Anpassung an die Strompreisentwicklung zulassen“, so der Portfoliomanager. Handele es sich dagegen um ein langfristiges Power Purchase Agreement (PPA) mit fester Vergütung an einen Endnutzer, wie zum Beispiel ein Rechenzentrum, wäre ein steigender Strompreis hier eher von Nachteil für die Bewertung des Unternehmens, welches das PPA abgeschlossen hat, so Prabal Sidana von der Partners Group.
PPAs sind heute am Markt eher üblich als in der Vergangenheit, weil man aus den Ereignissen im Jahr 2022 gelernt habe, weiß Ludger Wibbeke zu berichten: Durch die hohe Volatilität bei den Strompreisen gestalteten sich auch die Erträge der Erneuerbaren-Energien-Fonds viel volatiler. „2022 führten die erst stark steigenden und danach stark fallenden Strompreise auch zunächst zu steigenden und dann wieder zu stark fallenden Verkehrswerten der Assets in den Fonds. Diese werden cashflow-basiert teils monatlich oder quartalweise, manchmal auch jährlich ermittelt. Heute sind daher PPAs mit einer festen Gebühr und festen Laufzeiten üblich. Die Absicherung nach unten macht das Downside-Risiko beherrschbarer“, konstatiert Ludger Wibbeke.
Autoren: Daniela EnglertSchlagworte: Erneuerbare Energien / Renewables | Power Purchase Agreement / Stromabnahmevertrag | Wasserstoff | Wind- und Photovoltaikparks
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