„Es ist technisch alles machbar, aber es kostet Ressourcen“
Im kommenden Jahr steht bei der Hamburger Pensionskasse von 1905 VVaG (HPK) der 120. Geburtstag ins Haus. Welche Pläne die Hanseaten für das Jubiläum hegen, wollte Melanie Jura im Interview noch nicht preisgeben. So blieb für das Acht-Augen-Gespräch, an dem auch Vorstand Frank Scheer und der Chief Investment Officer der Hamburger Pensionsverwaltung, Thomas Schmidt, beteiligt waren, mehr Zeit für die großen Anlage- und Regulierungsfragen unserer Zeit.
Die Hamburger Pensionskasse von 1905 VVaG ist mit über 800.000 Mitgliedern aus rund 4.000 Mitgliedsunternehmen Deutschlands größte Firmenpensionskasse auf Gegenseitigkeit. Werden Sie das 120-jährige Jubiläum der Pensionskasse im kommenden Jahr zünftig feiern oder fällt die Party ins Wasser?
Melanie Jura: Ja, natürlich werden wir das Jubiläum angemessen feiern. Das ist klar. Schließlich ist die Hamburger Pensionskasse von 1905, die HPK, sozusagen der Ursprung von alldem, was die Hamburger Pensionsverwaltung und die starke Gemeinschaft mit den von uns verwalteten Pensionseinrichtungen ausmacht. Die Grundidee der HPK ist fest in unserer DNA verankert. Jedem neuen Mitarbeiter und jeder neuen Mitarbeiterin der HAPEV geben wir unser Selbstverständnis, das wir als Social-Profit-Dienstleister an den Tag legen, mit auf den Weg. Die HPK ist auch aktuell sehr gut aufgestellt. Daher haben wir allen Grund, 2025 das 120-jährige Jubiläum der Pensionskasse gebührend zu feiern.
Gemessen an ihren Kapitalanlagen von rund 7,2 Milliarden Euro ist die HPK die größte von insgesamt sieben Pensionskassen unter dem Dach der Hamburger Pensionsverwaltung, der HAPEV. Ferner steuern Sie den Hamburger Pensionsfonds. Was sind die größten Herausforderungen für Sie als Fullservice-Dienstleister in der betrieblichen Altersversorgung (bAV)?
Jura: Unser Aufgaben- und Themenspektrum ist breit gefächert. Als Hamburger Pensionsverwaltung beraten wir umfassend auf dem Gebiet der betrieblichen Altersversorgung, gestalten neue Versorgungswerke und erstellen Gutachten. Darüber hinaus verwalten wir in der HAPEV für unsere Mitglieder und Kunden Anwartschaften und Renten aus Direktzusagen. Wir administrieren auch ganze Pensions- und Unterstützungskassen.
Die Schwerpunkte unserer Arbeit sind vielfältig, das gilt auch für die Herausforderungen. Dazu zählen im Bereich der Verwaltung von Pensionskassen beispielsweise die seit Jahren zunehmenden regulatorischen Anforderungen. Unsere Aufgabe, einmal als Vorstände der Pensionskassen, aber auch als Vorstände der HAPEV, ist die effiziente operationelle Umsetzung der Themen. Wir reduzieren für unsere Pensionseinrichtungen, Mitglieder, Mitgliedsunternehmen und Kunden die Komplexität, indem wir ihnen die Komplexität abnehmen.
Frank Scheer: Als Fullservice-Dienstleister legen wir großen Wert darauf, mit den Unternehmen partnerschaftlich zusammenzuarbeiten. Es geht darum, gemeinsam ihre Bedürfnisse und die ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu erkennen und zu gestalten. Wir vertreiben keine Produkte, sondern entwickeln gemeinsam die richtige Lösung. Das ist etwas, was uns anspornt und uns von anderen bAV-Anbietern unterscheidet.
Zu unserem eigenen Anspruch passt auch die Rechtsform der Hamburger Pensionsverwaltung als Genossenschaft. Wir sind ein Social-Profit-Unternehmen. Aber wir sind nur dann erfolgreich, wenn wir die Sichtweise unserer Mitgliedsunternehmen und Kunden kennen und verstehen und ihnen die optimalen Lösungen anbieten.
Bundesweit haben sich vor allem Unternehmen aus der Ernährungsindustrie und dem Handel der Hamburger Pensionskasse angeschlossen, sie nutzen die Einrichtung für ihre tarifvertragliche Altersversorgung. Wie sind die Schnittstellen zu Ihren Mitgliedern ausgestaltet?
Jura: Die Schnittstellen sind vielfältig. Zum einen ist jedes dieser Unternehmen Mitglied der Hamburger Pensionskasse. Und die Personalabteilungen oder die zuständigen Lohnabrechner melden neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei uns an und überweisen die fälligen Beiträge. Wir haben über die Mitgliedschaftsverhältnisse zu allen rund 4.000 Arbeitgebern Kontakt. Es gibt unterschiedliche Wege, wie die Zusammenarbeit erfolgt. Wir bieten digitale Lösungen wie Portale und zum Beispiel für Unternehmen mit SAP in der Personalverwaltung eine eigens entwickelte Schnittstelle, die die Meldungen erleichtert. Zum anderen übernehmen Vertreter aus den Mitgliedsunternehmen, stellvertretend für Arbeitgeber und Beschäftigte, Aufsichtspflichten in Gremien. Auch über diesen Weg halten wir engen Kontakt.
Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Es kommt immer darauf an, ob wir es mit einem großen, mittelgroßen oder kleinen Unternehmen zu tun haben. Wir haben für alle die passende Lösung, auch was Schnittstellen angeht.
Scheer: Unser Grundsatz ist es, betriebliche Altersversorgung einfach und verständlich zu kommunizieren und zu organisieren. Und das zeigt sich zum Beispiel auch darin, dass unsere aktuell größte Tarifgruppe mit weit über 750.000 Begünstigten besetzt ist. Das ist sehr viel und geht nur, wenn das Leistungsspektrum höchst flexibel und verständlich ist.
Wie ist das möglich?
Scheer: Weil wir einen Tarif haben, den wir ständig weiterentwickeln und der dennoch einfach und flexibel ist. Für Unternehmen ist das sehr interessant.
Insgesamt betreut die HAPEV über eine Million Versorgungszusagen und ein Vermögen von rund zwölf Milliarden Euro. Wie bewältigen Sie die Komplexität, die mit Ihren Aufgaben einhergeht?
Scheer: Unsere Organisation ist in den vergangenen Jahrzehnten stetig gewachsen. Heute beschäftigen wir rund 220 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Entscheidend ist, dass unsere Teams bei allen aufkommenden Themen immer ganz vorne auf der Welle mitschwimmen.
Wir antizipieren das, was als nächstes ansteht – das gilt für die Regulatorik ebenso wie für die IT-Sicherheit und erstreckt sich natürlich auch auf die effiziente und kostengünstige Kapitalanlagensteuerung. Wir können diese Herausforderungen bei allen von uns verwalteten Pensionskassen und anderen Versorgungseinrichtungen zusammen umsetzen.
Kleinere Pensionskassen können das vermutlich nicht. Vielen mangelt es an Nachwuchskräften und spezifischem Know-how, zum Beispiel in der IT-Sicherheit. Die Bafin macht sich Sorgen – auch weil viele Kassen kein Neugeschäft mehr betreiben – also einen abschmelzenden Bestand aufweisen. Es läuft auf eine Konsolidierung des Marktes hinaus.
Scheer: Wir kommen aus unterschiedlichen Gründen mit kleinen und mittleren Pensionskassen ins Gespräch, weil sie wissen, dass wir das im großen Maßstab sehr gut umsetzen. In den Meetings geht es häufig um die Frage, wie diese Pensionseinrichtungen von unserem Wissen profitieren können. Ein Aspekt, der dabei eine Rolle spielt, sind Synergien.
Jura: Wir entwickeln uns kontinuierlich weiter. Und wir sind bereit, andere Pensionskassen bei den anstehenden Herausforderungen zu unterstützen.
Woran denken Sie dabei konkret?
Jura: Von herausragender Bedeutung ist derzeit ein europäisches Regulierungsvorhaben, das bis Januar 2025 umzusetzen ist: der Digital Operational Resilience Act, DORA. Mit der DORA werden sehr dezidierte Vorgaben für das Management von Cybersicherheitsrisiken sowie das Management von Risiken im Zusammenhang mit der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) gestellt.
Was bedeutet das in der Praxis?
Jura: Es bedeutet, dass Pensionseinrichtungen sehr viel investieren müssen in ihre IT- und IKT-Systeme sowie deren Sicherheit. Diese müssen aufgebaut und betrieben werden, das heißt auch der laufende Betrieb wird dauerhaft teurer. Viele Pensionskassen kommen beim Umsetzen dieser Anforderungen aktuell an personelle und finanzielle Grenzen.
Was genau ist das Problem?
Jura: Es ist technisch alles machbar, aber es kostet Ressourcen und es muss spezifisches Know-how aufgebaut werden. Hier kommt ein Vorteil der Hamburger Unternehmensgruppe voll zum Tragen. Die Pensionseinrichtungen, die im Rahmen einer Voll- oder Teilausgliederung von der HAPEV verwaltet werden, greifen auf dieselben Ressourcen zu – dadurch entstehen Synergien und Kosteneffizienzen. Dementsprechend können auch die Aufwände, die entstehen, um diese DORA-Anforderungen umzusetzen, auf vielen Schultern verteilt werden. Und das ist nur ein Beispiel von vielen.
Scheer: Nachdem die IT-Systeme aufgesetzt worden sind, müssen sie überwacht werden. Und es muss vor allen Dingen auch darüber berichtet werden. Das Problem beschäftigt nicht nur die kleinen Pensionskassen, sondern auch die großen Trägerunternehmen. Sie stellen verschärfte Anforderungen an die IT. Doch welches Trägerunternehmen kann seine IT schon an den Belangen seiner Pensionskasse ausrichten? Und das ist genau der Punkt, wo wir unterstützen und umsetzen können, was wir längst praktizieren. Sozusagen von bAV für bAV.
Thomas Schmidt: Die IT hat in unserem Kontext ganz unterschiedliche Komponenten. Einmal für den gesamten Bereich der Passivseite, der Bestandsverwaltung. Dort gibt es eine Reihe von Spezialthemen, die extrem komplex sind. Wir sehen gleichzeitig aber auch, dass das Thema Datenhaltung im Zusammenspiel von Kapitalanlage und Risikomanagement in den letzten Jahren massiv an Bedeutung gewonnen hat, insbesondere wenn wir über Themen wie zum Beispiel die Offenlegungsverordnung sprechen.
Die Offenlegungsverordnung betrifft alle Finanzmarktteilnehmer. Worauf wollen Sie hinaus?
Schmidt: Die zusätzlichen Berichtspflichten erfordern weitere Informationen abseits der klassischen Wertpapierstammdaten. Das soll die Analyse der jeweiligen Bestände verbessern. Man kann hier Standardsoftware einsetzen oder Eigenentwicklungen. Aber auch das bedarf personeller und monetärer Ressourcen. Standardsoftware, die man hier nutzen kann, ist verhältnismäßig kostenintensiv und zielt primär ab auf Banken, Kapitalverwaltungsgesellschaften und Asset Manager – aber weniger auf Pensionskassen mittlerer Größe. Wir können mit der Pensionsverwaltung Skaleneffekte bieten.
Denn am Ende des Tages sind wir die Treuhänder dieser Mittel für die Menschen, die mit unseren Einrichtungen ihre sichere Altersversorgung planen. Und darum geht es. Bei uns steht die Kosteneffizienz immer mit im Fokus.
Herr Schmidt, Sie sind seit 2006 bei der Hamburger Pensionsverwaltung im Portfoliomanagement tätig und haben unter anderem den Bereich für alternative Investments mit aufgebaut. Welche operativen Meilensteine sind Ihnen besonders gut in Erinnerung?
Thomas Schmidt: Wir haben in den vergangenen Jahren mehrere Pensionskassen im Rahmen einer Voll- oder Teilausgliederung in die Verwaltung der HAPEV übernommen und gleichzeitig auch kleinere Pensionskassenbestände auf die HPK übertragen. Es hat uns natürlich sehr gefreut, dass diese Pensionseinrichtungen und deren Träger uns das Vertrauen ausgesprochen haben. Gleichzeitig bin ich fest davon überzeugt, dass ein solcher Schritt auch für die Begünstigten der Einrichtungen die richtig war.
Warum?
Schmidt: Weil ihre Betriebsrentenzusagen in unserem starken Verbund sehr professionell und serviceorientiert fortgeführt werden. Und dieser Trend setzt sich fort. Die regulatorischen Herausforderungen sind bereits zur Sprache gekommen.
Der zweite wichtige Einflussfaktor, den wir über die letzten Jahre gesehen haben, entspringt der Kapitalanlagenseite und hier insbesondere dem Niedrigzinsumfeld, das wir von 2008 bis 2022 gesehen haben. Diese Phase hat für Pensionseinrichtungen zusätzliche Herausforderungen mit sich gebracht.
Die Pensionseinrichtungen müssen ihre Kapitalanlage so aufstellen, dass sie ihre Verpflichtungen unabhängig vom gegebenen Kapitalmarktumfeld langfristig erfüllen können. Das ist mit kleineren Vermögensmassen gerade im Hinblick auf eine angemessene Streuung und Diversifikation deutlich schwieriger zu erreichen. Und da macht ein Investment- und Risikomanagementansatz, so wie wir ihn zum Beispiel für die Hamburger Pensionskasse seit vielen Jahren sehr erfolgreich verfolgen, mehr Sinn und ist langfristig deutlich erfolgsversprechender, auch was die Performance-Erwartung angeht.
Sie schreiben: „Die Kapitalanlage der Hamburger Pensionskasse ist darauf ausgerichtet, dauerhaft eine attraktive Performance zu erzielen und krisenfest zu funktionieren. Das heißt, sie reduziert in Zeiten sehr turbulenter Kapitalmärkte den zwischenzeitlichen Rückgang der Marktwerte.“ Wie machen Sie das?
Schmidt: Wir haben für alle von der HAPEV verwalteten Pensionseinrichtungen Prozesse etabliert, die es ihren Gremien ermöglichen, auf Basis unter anderem von Einschätzungen zum wirtschaftlichen Umfeld, dem Konjunkturzyklus, Zins- sowie sonstigen Kapitalmarkterwartungen Sicherungen zu implementieren, um einen übermäßigen Rückgang der Marktwerte der verwalteten Vermögen zu begrenzen. Hierbei wird, gemeinsam mit den Kollegen und Kolleginnen unter anderem des Risikomanagements und des Aktuariats, für jede der verwalteten Einrichtungen analysiert, welche Risiken zukunftsgerichtet am ehesten relevant sind. Daraus werden individuelle Maßnahmen für jede Pensionseinrichtung abgeleitet und umgesetzt.
Was hat Ihnen das gebracht?
Schmidt: Beispielhaft sei hier das Wiederanlagerisiko erwähnt. Dieses stellt seit jeher eines der größten Risiken für die Hamburger Pensionskasse dar. Wiederanlagerisiken werden unter anderem durch Zinsänderungsrisiken bestimmt, welche in beiden Richtungen wirken können.
Deshalb hat sich die HPK schon Anfang der 2000er Jahre auf ein Japanszenario mit niedrigen Zinsen eingestellt. In diesem Zusammenhang haben sich die HPK sowie auch weitere von der HAPEV verwaltete Einrichtungen über Zins-Hedges gegen sinkende Zinsen abgesichert. Das wurde Anfang der 2000er Jahre erstmals getan und 2007/2008 das zweite Mal sehr erfolgreich implementiert, weshalb die sehr niedrigen und zwischenzeitlich sogar negativen Zinsen der vergangenen Dekade auf die HPK für deren Wiederanlage keinen großen Einfluss hatten.
Wie messen Sie den Erfolg?
Schmidt: Die Sicherungen aus 2007/2008 haben der HPK und auch den anderen von uns verwalteten Pensionseinrichtungen Spielraum für Wiederanlagen in den Jahren zwischen 2012 und 2017/2018 gegeben. Und es funktionierte gerade in diesem langanhaltenden Niedrigzinsumfeld sehr gut und generierte einen Ausgleich zu den am Markt erwerbbaren Zinsen, was dann wiederum Engagements in anderen Anlageklassen mit attraktiverem Risk-Return-Profil ermöglicht hat.
Was waren weitere Meilensteine dieser Kapitalanlagestrategie?
Schmidt: Wir haben uns Ende 2021 gemeinsam mit unseren Pensionseinrichtungen sehr bewusst mit der weiteren Entwicklung der Inflationszahlen beschäftigt und die Erwartungen des Marktes an mögliche Zinssteigerungen hinterfragt. Damals sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass wir entgegen der breiten Marktmeinung an weiter steigende und länger anhaltende erhöhte Inflationsniveaus glauben, weshalb die Notenbanken gezwungen sein werden, die Zinsen stärker anzuheben, als es die Märkte zu dem Zeitpunkt antizipiert und eingepreist hatten. Daraufhin implementierten die von uns verwalteten Pensionseinrichtungen über die Verkürzung der Duration ihrer Zinsanlagen Sicherungen gegen steigende Zinsen.
Der abrupte Zinsanstieg 2022 hat viele auf dem falschen Fuß erwischt.
Schmidt: Die Absicherung hat für unsere Pensionseinrichtungen sehr gut funktioniert und den Marktwertrückgang auf den Zinsanlagen wie gewünscht und antizipiert deutlich reduziert. Genauso ein Aspekt ist, dass unsere Einrichtungen in den Risikoaktiva bewusst mit Sicherungskonzepten arbeiten, die auch das Rückschlagpotenzial begrenzen, wenn wir zum Beispiel über Aktieninvestitionen sprechen.
Was sind die wichtigsten Anlageklassen für die Hamburger Pensionskasse?
Schmidt: Im Investmentansatz der HPK generiert ein Teil des Portfolios sehr stabile, sehr sichere und vor allen Dingen auch langfristig planbare Zahlungsströme. Das ist der Teil des Zinsportfolios, gemeinsam mit der Immobilienallokation. Die Zinsanlagen des Direktbestands beliefen sich am Jahresende 2023 zusammen mit der Liquiditätsposition auf 23,4 Prozent des Kapitalanlagebestands.
Direkt gehaltene Immobilien, Immobilienbeteiligungen und Immobilienfonds machten zusammen 22,4 Prozent aus. Den Zinsbestand der Direktanlage baut die Hamburger Pensionskasse vor dem Hintergrund der jetzt wieder angestiegenen Zinsen sukzessive wieder aus.
Und der Rest der Investments …?
Schmidt: … entfällt auf extern gemanagte, spezialisierte Strategien im Bereich der Investment-Grade-Corporate-Bond-, High-Yield- sowie Aktienanlagen. Außerdem hält die HPK über eigene Fondsvehikel Emerging-Markets-Anleihen-Mandate sowohl in Hard Currency als auch Local Currency und auch eine Allokation in Structured Credit. Eine Anlageklasse, die seitens der HPK seit jeher stärker besetzt ist, auch vor dem Hintergrund des langfristigen Anlagehorizonts der Pensionskasse, ist der Bereich der Beteiligungen. Hier investiert die HPK bereits seit Anfang der 2000er Jahre global sowohl in Private-Equity- als auch Private-Debt-Strategien und war hiermit ebenfalls sehr erfolgreich.
Voriges Jahr hat die Hamburger Pensionskasse gemeinsam mit drei anderen von der HAPEV administrieren Einrichtungen als erste Investoren mit einer Euro-Denominierung in Programme zur globalen Ernährungssicherheit des International Fund for Agricultural Development (IFAD) investiert. Wie entwickelt sich dieses Investment?
Schmidt: Kurz und bündig: Gut. Seit 2022 begibt die IFAD Anleihen in US-Dollar, seit 2023 refinanziert sie sich auch im Euro, wobei die HPK als Ankerinvestor für die neu zu begebende Anleihe agiert hat. Für die Pensionseinrichtungen ist das Thema sehr spannend. Denn wir sehen hier eine Institution aus dem Umfeld der Weltbank, die sich auf das Thema Agriculture Development fokussiert hat. Sie begibt in diesem Bereich Anleihen, die einen Rendite-Pick-up bieten. Diese Kombination war und ist für die Pensionseinrichtungen generell sehr interessant.
Der Immobilienmarkt steht seit geraumer Zeit unter Stress. Wie gehen Sie damit um?
Schmidt: Wenn wir jetzt sehen, dass ein in Schieflage geratener Immobilienbesitzer eine sehr gute Immobilie in Toplage mit einem solventen Mieter veräußern möchte und dies zu Renditen, die deutlich oberhalb dessen liegen, was wir im historischen Kontext sehen, dann schauen wir uns das für unsere Pensionseinrichtungen selbstverständlich sehr gerne als Investitionsmöglichkeit an. Auf der Verkäuferseite engagieren sich die Einrichtungen im aktuellen Umfeld nicht, es sei denn, es handelt sich um Bestände, für die auch heute noch sehr attraktive Bewertungen generiert werden können und die aus strategischen Überlegungen zur Disposition stehen.
Zum Beispiel?
Schmidt: Ein Fonds unserer Pensionskasse hat kürzlich ein Gebäude mit einer wohnwirtschaftlichen Nutzung in einer der deutschen Top-Städte in sehr guter Lage veräußert. Hintergrund war, dass der Fondsmanager und wir zur Einschätzung gekommen sind, dass dort zukunftsgerichtet aus unterschiedlichen Gründen stärkerer Ertüchtigungsbedarf entstehen und das laufende Ergebnis belasten könnte.
Jura: Wenn sich die Pensionseinrichtungen oder deren Fondsmanager für einen Verkauf entscheiden, dann nur aus strategischen Gründen oder weil es auf diese Weise das Rendite-Risiko-Profil verbessert. Aber nicht, weil es notwendig ist, um ein Ergebnis darzustellen oder weil sie Liquidität bräuchten.
Die Nutzungsart Büro war lange Zeit von großer Bedeutung für Sie. Wie stehen Sie heute dazu?
Schmidt: Unser Anspruch sowohl innerhalb Deutschlands als auch in den europäischen Metropolen ist seit je her, nur die absoluten Top-Städte auszuwählen, dort wiederum sehr gute Lagen und Objekte, die flexible Büronutzungen ermöglichen. Und unter diesen Maßgaben finden wir die Nutzungsart Büro weiterhin attraktiv. Wo es schwierig ist und was die Pensionseinrichtungen daher in der Vergangenheit auch nicht allokiert haben, sind Büros in Peripherielagen. Wenn Unternehmen ihre Beschäftigten zurück ins Büro holen und mehr Präsenz einfordern, dann tun sie das eher in Innenstadtlagen, gut erreichbaren Lagen, die auch eine gewisse Attraktivität für die Menschen mit sich bringen. Peripherielagen sind entsprechend weniger nachgefragt und wir sehen, dass diese eher abgebaut werden, was die verfolgte Strategie bestätigt.
Die Einrichtungen diversifizieren ihre Portfolien seit geraumer Zeit unter Berücksichtigung dieser Trends durch Engagements auch in anderen Nutzungsarten. Dazu zählen unter anderem Logistik und Hotels. Doch das für die Einrichtungen relevante Angebot ist hier nicht sehr groß.
In den letzten Monaten war immer wieder die Rede davon, dass Angebot und Nachfrage an den Immobilienmärkten nicht zusammenfinden. Es fanden kaum Transaktionen statt. Wie schätzen Sie das Verhalten der Marktteilnehmer heute ein?
Schmidt: Wir sehen, dass sich die Preisvorstellungen zunehmend annähern. Aber noch sind die Transaktionsaktivitäten deutlich reduziert. Präzise Informationen entnehmen wir aus Research, zum Beispiel von MSCI.
MSCI?
Schmidt: Ja, MSCI hat einen relativ umfangreichen Datenpool auch im Bereich Real Estate, den die externen Fondsmanager der Pensionseinrichtungen und wir nutzen. Wir ziehen diese Informationen auch bei der Analyse der Immobilienportfolios unserer Pensionseinrichtungen heran. Dabei werden unter anderem einzelne Objekte betrachtet und deren Entwicklung mit den jeweiligen Teil-Märkten verglichen.
Durch MSCI haben wir und die Pensionseinrichtungen Möglichkeiten, über die Zulieferung eigener Daten spezielle Benchmarks zu generieren gegen ein sehr breites Universum. Wir haben das für die Objekte der von uns verwalteten Einrichtungen und deren Fonds implementiert. So können wir eine sehr gute Einschätzung darüber treffen, wie sie sich im Gesamtvergleich oder gegen ihre Benchmark entwickelt haben. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal und eher ein Thema auf Seiten der Asset Manager selbst – aber zumindest nach unserer Kenntnis – weniger bei Pensionseinrichtungen oder Versicherern.
Infrastruktur-Assets können langfristig planbare Zahlungsströme bieten.
Schmidt: Die Pensionseinrichtungen sind bis dato aber nicht im Bereich Infrastructure investiert, weil wir in der Vergangenheit für die verschiedenen Strategien im Bereich der Infrastructure-Investments Risiken gesehen haben, die wir nur sehr schwer bewerten und bepreisen können. Mit den angedachten Änderungen in der Anlageverordnung für Pensionseinrichtungen, die im Zuge eines zweiten Betriebsrentenstärkungsgesetzes geplant waren, einer dedizierten Quote für Infrastruktur, die nicht auf die Risikoquote angerechnet wird, kann man sich dort natürlich auch andere Ansätze für die Pensionseinrichtungen anschauen. Denn das Renditeerfordernis ist ein anderes, wenn die Einrichtungen diese Engagements nicht unter den Quoten für Beteiligungen oder sonstigen Alternative Investments und damit unter der Risikoquote führen müssen.
Daraus schließe ich, dass Ihnen eine separate Infrastrukturquote für Pensionskassen in der Kapitalanlagensteuerung durchaus helfen würde.
Schmidt: Ja. Es erhöht die Flexibilität am Ende des Tages. Ob die Pensionseinrichtungen sie dann nutzen würden, das können wir heute noch nicht final beurteilen, weil es auch von weiteren Prüfungen abhängt und insbesondere auch der Fragestellung, welche Strategien verfolgt werden sollen und mit wem man an der Stelle zusammenarbeiten möchte.
In dem Moment, in dem die Einrichtungen Investitionen eingehen, die zehn, zwölf, 15 Jahre laufen, müssen alle Beteiligten, insbesondere die Organe der Pensionseinrichtungen sowie die Vertreter des Portfoliomanagements und des Risikomanagements 100-prozentig überzeugt sein, dass das dauerhaft die richtigen Investmentansätze und Partner für die Einrichtungen sind.
Autoren: Tobias BürgerSchlagworte: Alternative Anlagen | Betriebliche Altersversorgung (bAV) | Dora (Digital Organizational Resilience Act) | Investoreninterview | Pensionseinrichtungen | Pensionskassen | Zweites Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG II)
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