Pension Management
11. November 2024

Zielrente Chemie unter der Lupe

Kürzlich hatte die Chemiebranche ein zweites Angebot für Sozialpartnermodelle auf den Markt gebracht, bundesweit erstmals über eine Pensionskasse. Worum es dabei geht, offenbarte eine Veranstaltung der Höchster Pensionskasse.

Mitte August hat die Chemiebranche, die bereits Ende 2022 ein branchenweites Sozialpartnermodell (SPM) per Flächentarifvertrag über einen Pensionsfonds gestartet hatte, ein zweites Angebot vorgelegt. Diesmal wird die reine Beitragszusage (rBZ) erstmals in der deutschen Historie über eine Pensionskasse offeriert. Das neue Angebot nennt sich „Zielrente Chemie“, wird von der Höchster Pensionskasse ab 1. Dezember 2024 durchgeführt und zusammen mit dem Vermögensverwalter Fidelity International organisiert. Damit wird den rund 1.700 Chemie- und Pharmafirmen eine ­zusätzliche SPM-Chance geboten, integriert in den bestehenden Tarifvertrag über Einmalzahlungen und Altersvorsorge.

Mitte September haben Jürgen Rings, Vorstandschef der Höchster PK, und sein Team zusammen mit den ­beteiligten Sozialpartnern und Fidelity eine Auftaktveranstaltung im Industriepark Höchst ­organisiert, um den rund 600 Mitgliedsunternehmen der Pensionskasse das neue Angebot vorzustellen. Ganz neu: Die Sozialpartner haben sich gegen ein Lebenszyklusmodell entschieden, wo jede ­Alterskohorte bezüglich Kapitalanlage individuell gesteuert wird. „Stattdessen werden die Beiträge durchgängig kollektiv angelegt“, betonte Andreas Hilka, Vorstand Asset Management der Höchster PK. Zusätzlich ist ein kollektiver Sicherheitspuffer von fünf ­Prozent vorgesehen, der wie schon beim SPM über den Chemie-Pensionsfonds allein durch Beiträge der Arbeitgeber finanziert wird.

Die einheitliche Anlagestrategie für Einzelkonten und kollektive Vermögenstöpfe während der Einzahlungs- und Rentenphase ­skizzierte Hilka wie folgt: Während der Einzahlungsphase fließen die Beiträge in das jeweilige Einzelkonto, das bei Renteneintritt verrentet und in das kollektive Rentnervermögen überführt wird. ­Parallel wird der Sicherungsbeitrag des Arbeitgebers im kollektiven Sicherheitspuffer angespart und in dieser Phase nicht angetastet. Zu Beginn der Rentenphase wird eine individuelle Startrente ­ermittelt und um den kollektiven Kapitaldeckungsgrad angepasst (bei der ersten Rentnerkohorte: 112,5 Prozent). Eine kollektive ­Rentenerhöhung ist fällig, sobald der Kapitalisierungsgrad 125 ­Prozent übersteigt. Danach fällt der Kapitaldeckungsgrad auf 115 Prozent. Eine kollektive Rentenkürzung ist nötig, sobald der ­Kapitalisierungsgrad auf unter 100 Prozent fällt (danach 105 ­Prozent). „Der Sicherungspuffer wird zur Vermeidung von Rentenkürzungen auf weniger als 70 Prozent der individuellen Startrente verwendet“, erklärte Hilka.

„Bei der rBZ sind mindestens 30 Prozent höhere Startrenten als bei Systemen mit 100-Prozent-Garantie zu erwarten“, sagte Lutz Mühl, Geschäftsführer Wirtschaft und Sozialpolitik des Bundes­arbeitgeberverbandes Chemie (BAVC). Neu sei die Kombination ­einer Firmenpensionskasse und einem externem Kapitalanleger, den die Tarifpartner gemeinsam ausgewählt haben. Die Einzahlungen in den Anlagestock erfolgen kleinteilig und steigen sukzessive an. „Daher bietet sich eine eigenständige Fondslösung mit sehr breiter Streuung von börsentäglich bewerteten Kapitalanlagen und gleichzeitig kostenschlanker Ausgestaltung an“, so Rings. „Die Beiträge sollen sofort und auch in kleinen Tranchen angelegt werden. „Dieses Vehikel bietet Fidelity“, so der Chef der Höchster PK.

Das Anlageuniversum umriss Hilka so: Es kommen aus­schließlich liquide, kostengünstig investierbare Aktien- und ­Rentenmärkte mit täglicher, veröffentlichter Preisfeststellung zum Einsatz. Dabei werde auf Wertsicherungskonzepte verzichtet, aber ein risiko­kontrollierter Anlageprozess organisiert. Kostenvorteile aus bestehenden Anlageformen würden weitergegeben, die Anlagen in eine ­effiziente Investment-Infrastruktur eingebettet, um auch klein­teilige Anlaufinvestments kostengünstig zu verwalten. Im Zusammenspiel von Anleger (Höchster PK, Abrechnungsverband rBZ), Asset Manager (Fidelity International), Kapitalverwalter (Universal Investment) und Verwahrstelle (Landesbank Baden-Württemberg) werde eine Anlagestrategie mit langfristiger ­Renditeerwartung von etwas mehr als vier Prozent pro Jahr gefahren.

„Die Anlagestrategie setzt auf breite Diversifizierung, im ­Wesent­lichen aufgebaut auf einem globalen Aktienportfolio der ­Industrie- und Schwellenländer (45 Prozent) sowie einem welt­weiten Rentenportfolio von Staats- über Unternehmensanleihen, Hochzins­anleihen bis hin zu Schwellenländeranleihen (55 Prozent)“, so Christof Quiring, Leiter des Bereichs Workplace ­Investing bei ­Fidelity International. Im Detail fußt die Strategische Asset-­Allokation auf globalen Aktien (38 Prozent), Schwellenländer-­Aktien (sieben Prozent), Investment-Grade-Anleihen (30 Prozent), Staatsanleihen (zehn Prozent) sowie Hochzinsanleihen und ­Anleihen von Schwellenländern (jeweils 7,5 Prozent).

Dazu würden hauseigene ETFs von Fidelity verwendet, um die ­Kosten gering zu halten. Durch dynamisches Management sollen die Chancen in einzelnen Anlageklassen genutzt und Risiken in anderen begrenzt werden. „Für die einzelnen Anlageklassen sind taktische Bandbreiten von zehn Prozent nach oben und unten vorgesehen“, so Quiring. Vom aktiven Management auf Portfolio­ebene werde ein zusätzlicher Renditebeitrag erwartet. Innerhalb der ETFs erfolge vorwiegend eine aktive Bottom-up-Titelauswahl auf Basis des hauseigenen Researchs. „Insgesamt soll damit ein zusätzlicher Mehrwert im Rendite-Risiko-Verhältnis gegenüber einer passiven Variante geschaffen werden“, hofft Quiring. Simulationsrechnungen von Fidelity haben ergeben, dass durch die Kapital­anlage das Vermögen die einbezahlten Beiträge deutlich übersteigt, und zwar mit 97,2 Prozent Wahrscheinlichkeit. „Aus gut 120.000 Euro Einzahlung werden bei vier Prozent Rendite mit 65 Jahren gut 525 Euro Startrente“, rechnete Christoph Schulte, Vorstand der Höchster PK für Versicherungs- und Informationstechnik, an ­einem Beispiel mit 100 Euro Monatsbeitrag vor.

Das Leistungsspektrum der Zielrente Chemie umfasst übrigens ­Alters- und optionale Hinterbliebenenleistungen, aber keine Invaliditätsabsicherung, so Christian Röhle, Bereichsleiter Pensionskassenmanagement und Recht der Pensionskasse der Mitarbeiter der Hoechst-Gruppe. Eine vorgezogene Altersrente sei ab Vollendung des 62. Lebensjahres möglich. Voraussetzung: Das maßgebliche Beschäftigungsverhältnis wird beendet. Die Zielrente Chemie tritt als zusätzliche Option neben die bisherigen Modelle der Höchster PK. „Bestehende Modelle werden also nicht durch die Kasse zwangsweise abgelöst“, wie Rings betonte. Vor allem für neu eintretende Mitarbeiter könne die rBZ zum Einsatz kommen oder auch für den Bestand, und zwar für Tarifvertragsbestandteile, bei denen auf individueller Unternehmensebene die bAV bislang nicht als Option existiert. „Die Regelungen zur Zielrente Chemie sind generell so angelegt, dass der Beitritt Dritter auf tarifvertraglicher Ebene durch Übernahme der tariflichen Regelungen zu Organisation und Durchführung des Chemie-SPM ermöglicht wird“, hob BAVC-Geschäftsführer Mühl hervor. Andere Branchen können sich so über eigene Flächentarifverträge – oder einzelne Unternehmen über Haustarifverträge – anschließen. Voraussetzung: Die Chemie-Tarifvertragsparteien IGBCE und BAVC stimmen zu.

Man wird abwarten müssen, ob die Renditehoffnungen bei der Zielrente Chemie aufgehen. Den Durchbruch beim SPM verspricht sich die Bundesregierung mit dem zweiten Betriebsrentenstärkungsgesetz, für das seit 18. September ein Gesetzentwurf vorliegt. Dort sind auch Erleichterungen für Pensionskassen vorgesehen. „Die Anpassung der Pensionskassendefinition in Paragraf 232 VAG, die Regelungen zur vorübergehenden Unterdeckung des ­Sicherungsvermögens (Paragraf 234j VAG) und zur überdotierten Verlustrücklage (Paragraf 193 VAG) sowie die Änderung der ­Anlageverordnung werden zu einer guten Weiterentwicklung der Pensionskassen führen, auch wenn im Detail noch etwas gefeilt werden müsste“, urteilte Klaus Stiefermann, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (Aba). „­Damit mehr Rendite erzielt werden kann, bedarf es allerdings nach den gesetzlichen Anpassungen auch einer Überarbeitung des Bafin-Kapitalanlagerundschreibens und des Bafin-Stresstests für Pensionskassen“, ergänzte Jürgen Rings, der ehrenamtlich Leiter der Aba-Fachvereinigung Pensionskassen ist.

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