Recht, Steuer & IT
22. Mai 2024

ESG für den Praktiker

Auf der SIS 7 streiten die Gelehrten, wie man Nachhaltigkeit praxistauglich machen kann. Trend zu Transitions.

Die Branche ist müde und verunsichert – und das liegt an drei Buchstaben: E, S und G. Wie gleich mehrere Teilnehmer der Nachhaltigkeitskonferenz SIS 7 erklärten, sorgt die Regulatorik für ­Ermüdung und die Themen Greenwashing sowie die Outperformance von fossilen Energien für Verunsicherung. „Die Taxonomie setzt am falschen Punkt an und ist ein Bürokratiemonster“, sagte Björn Bohnhoff im Mai in Frankfurt. Zudem ist für den Vorstand Leben der deutschen Zurich Greenwashing ein großes Thema.

Engagiert wurde darum auf dem Branchentreff nach praktischen Lösungen gesucht. So brachte Andreas Poestges, Vorstandsvorsitzender der Barmer Ersatzkasse und der Wuppertaler ­Pensionskasse, in die Debatte ein, quasi die Flucht nach vorne anzutreten: „Es mag sich komisch anhören, aber ich wünsche mir eine stärkere Regulierung hinsichtlich etablierter und eindeutiger Standards, was ­nachhaltig ist, und klare Quoten-Vorgaben, wie viel bis wann nachhaltig investiert sein muss.“ Was vorgegeben würde, dürfe nämlich nicht noch zu komplex gestaltet sein. Aber auch dem Aufwand für den jetzigen Rahmen kann Poestges Positives abgewinnen: ­„Nachhaltiges Investieren ist eine aktive Maßnahme im Sinne des Risikomanagements der Kapitalanlagen.“

Bezüglich des Wunschs nach mehr Klarheit stand Poestges nicht allein. Auch Heinz Thomas Striegler, EZVK-Aufsichtsrat, fände ­zumindest bezüglich sozialer Nachhaltigkeit klare Vorgaben hilfreich. Orientierung findet Striegler aber schon heute im Leitfaden für ethisch-nachhaltige Geldanlage in der evangelischen Kirche – und in Oslo. „ESG-Ratings fallen sehr unterschiedlich aus. Es ist darum gut, dass es Leitbilder wie den Ölfonds gibt, was zum ­Beispiel den Ausschluss von Staatsanleihen totalitärer Regime ­betrifft.“ Dieses Leitbild helfe, Umsetzungen selbst zu machen – „und zwar ohne lange Recherche“. Eine Hilfe ist der Ölfonds auch für die Postbeamtenkrankenkasse. „Vor einigen Jahren haben wir deren Negativliste übernommen. Damit konnten wir auf einen der größten Investoren als Best-Practice-Beispiel verweisen, um zu ­vermitteln, warum auch wir nicht mehr in Anleihen von Tabakunternehmen investieren“, so Sven Schuster. Der Leiter ­Kapitalanlagen ergänzte, dass auch für ihn Nachhaltigkeit gelebtes Risikomanagement ist. Dafür bräuchte es auch keine Regulierung. „Risiko­management ist unsere zentrale Aufgabe und darum muss Port­foliomanagement sowieso darauf abstellen, die Risiken im Griff zu ­haben. Eine ESG-Regulierung braucht es also eigentlich nicht.“

Von Ausschlüssen zu Transitions

Ausschlüsse haben aber einen gewichtigen Nachteil: den Tracking Error. Eine Lösung kann eine ESG-Benchmark sein. Dann bleibt ­jedoch ein Peergroup-Risiko. Aber auch das lässt sich senken, wie ein Beispiel aus The Länd zeigt. „In allen institutionellen ­Vermögen mit Bezug zum Land Baden-Württemberg, insgesamt 17 Milliarden Euro, werden Paris Aligned Benchmarks (PAB) genutzt“, erklärte Arnim Emrich, Referatsleiter im Finanzministerium. PABs sehen jährliche Dekarbonisierungen des Portfolios vor, was über ­Ausschlüsse und Transitions erfolgen kann. Apropos Transitions: Diese halten den Tracking Error gering und haben den Charme, nicht zu teure grüne Assets kaufen zu müssen. „Ein schlechtes ­Unternehmen muss kein schlechtes Investment sein. Man kann auch in einen Zementhersteller investieren, der auf Transition-Kurs ist“, sagte Dr. Ralf Seiz, CEO von Finreon. Auch Dr. Guido ­Bader, CEO der Stuttgarter Versicherung, warb für Transitions: „Wir müssen auch in die eigene Industrie investieren und deren Transformation begleiten. Sonst gehen die Unternehmen an Investoren, die wir nicht haben wollen.“ Weniger überzeugt ist Bader ­dagegen von einer Technologie, die derzeit als Universal-Problemlöser gehypt wird: die KI. „Wir sollen alles berichten, aber die ­nötigen ESG-Daten liegen nicht vor oder sind nicht aussagekräftig. Ohne Daten bringt uns KI nicht weiter.“

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