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27. Mai 2024

Rechtsprechung zur Betriebsrente weiterentwickelt

Das Bundesarbeitsgericht hat seit Ende 2022 spannende Urteile zur bAV gefällt, berichtet die Vorsitzende Richterin. Die Palette reicht von Betriebsrenten-Anpassung über das Kapitalwahlrecht bis zur Invalidenrente bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Inflation, Beitragsgarantien, Sozialpartnermodell und aktuelle Rechtsprechung sowie die angedachte bAV-Reform versprechen einen weiter spannenden Jahresverlauf in Sachen Betriebsrente. Zum „8. Berliner bAV-Auftakt“, der traditionell ersten bAV-Fachtagung jedes Jahres, lud Mathias Ulbrich, Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule Schmalkalden, Vertreter aus Politik, von Sozialpartnern, Ministerien, Verbänden und Gerichtsbarkeit in die Hauptstadt. Stephanie Rachor, Vorsitzende Richterin des Betriebsrentensenats beim Bundesarbeitsgericht (BAG), stellte auf dem Event einige wichtige Entscheidungen vor. Die Palette reicht von Betriebsrentenanpassung über das Kapitalwahlrecht und die Umstellung laufender Renten auf Kapitalzahlung sowie gehaltsbezogene Zusagen bei Teilzeitbeschäftigung bis zu Regeln der betrieblichen Invalidenrente bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Zur Anpassung der Betriebsrente hat das BAG bereits vielfach entschieden. So kann die Anpassung unterbleiben, wenn die wirtschaftliche Lage der Firma schlecht ist. Als Maßstab gilt die Eigenkapitalverzinsung. Die bestehe aus einem Basiszins (entspricht der Umlaufrendite öffentlicher Anleihen) und einem Risikozuschlag für das investierte Kapital (laut BAG sind es 2,0 Prozent). Der Arbeitgeber müsse darlegen und beweisen, dass seine Entscheidung, die bAV nicht anzupassen, billigem Ermessen entspricht und sich in den Grenzen des Gesetzes bewegt (Az.: 3 AZR 246/20).

Besteht ein Gewinnabführungsvertrag, ändere sich laut BAG nichts am Eigenkapital (Az.: 3 AZR 506/21). Inzwischen hat das BAG mit Urteil vom 15. November 2022 entschieden: Das Bestehen eines isolierten Gewinnabführungsvertrages, insbesondere ohne einen Beherrschungsvertrag, rechtfertigt im Rahmen der Anpassungsprüfung keinen Berechnungsdurchgriff auf die wirtschaftliche Lage der herrschenden Gesellschaft (Az.: 3 AZR 505/21).

Wer kriegt wie viel? Stephanie Rachor, Deutschlands oberste bAV-Richterin, urteilt zur Betriebsrente.

Dazu verwies Rachor auf die Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung. Der durch das Gesetz (Paragraf 16 Abs. 1 BetrAVG) vorgeschriebene Drei-Jahres-Rhythmus zwinge nicht zu starren, individuellen Prüfungsterminen. Die Bündelung sämtlicher Prüfungstermine in einem Unternehmen zu einem einheitlichen Jahrestermin sei zulässig. Und: Der Versorgungsschuldner ist nicht zur Anpassung der Betriebsrenten verpflichtet, nur weil er Pensionsrückstellungen gebildet hat. „Zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage kommt es auf die nach den handelsrechtlichen Rechnungslegungsregeln erstellten Jahresabschlüsse an“, betonte Rachor in ihrem Vortrag.

Mehrere wichtige Urteile aus dem Jahr 2023

Beim „8. Berliner bAV-Auftakt“ listete die oberste bAV-Richterin Deutschlands eine Reihe bAV-relevanter BAG-Entscheidungen von 2023 auf. Beispiel Kapitalwahlrecht: Ein in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Versorgungseinrichtung geregeltes Recht, anstelle der zugesagten Zahlung laufender Renten eine mindestens barwertgleiche, einmalige Kapitalzahlung zu leisten, stellt einen Änderungsvorbehalt dar, hält aber einer AGB-Kontrolle stand, so das BAG mit Urteil vom 17. Januar 2023 (Az.: 3 AZR 501/21).

Eine solche vertragliche Ersetzungsbefugnis, mit der die Zusage laufender Rentenleistungen durch eine einmalige Kapitalleistung ersetzt wird und damit die Versorgungszusage erfüllt, „stellt keine unzulässige Abfindung einer Versorgungsanwartschaft beziehungsweise laufender Leistungen dar“, erklärte Rachor. Damit werde nicht auf eine Anwartschaft oder eine laufende Leistung verzichtet, vielmehr werde mit der Kapitalleistung der Anspruch aus der Versorgungszusage erfüllt. Das Recht zur Ersetzung durch eine einmalige Kapitalleistung könne allerdings nur bis zum Beginn des Leistungszeitraums ausgeübt werden. Die Ersetzung sei allerdings unwirksam, wenn die Kapitalleistung nicht mindestens dem versicherungsmathematisch ermittelten Barwert der laufenden Renten entspricht.

In einem anderen Fall geht es um die Berücksichtigung einer Teilzeitarbeit beim Entgeltfaktor, der bei endgehaltsbezogenen Zusagen eine Honorierung der Betriebstreue unter Bewertung des Versorgungsbedarfs darstellt. Hier entschied das BAG mit Urteil vom 20. Juni 2023: Stellt eine Versorgungsordnung zur Bestimmung des Entgeltfaktors auf den Durchschnitt der letzten zwölf Monate des vom Arbeitnehmer verdienten Entgelts ab und sieht ferner bei Teilzeitbeschäftigung innerhalb von zehn Jahren vor dem Ausscheiden einen Korrekturfaktor basierend auf dem durchschnittlichen Beschäftigungsumfang in diesem Zeitraum vor, ist dies nicht zu beanstanden (Az.: 3 AZR 221/22).

Das Versorgungsniveau wird nicht durch bestimmte Dienstjahre erdient, sondern durch die Betriebszugehörigkeit im gesamten Arbeitsverhältnis. Damit darf die Berechnung der Betriebsrente bei Teilzeitbeschäftigung auf die letzten zehn Jahre vor Renteneintritt beschränkt werden. Dies bedeutet, dass frühere Vollzeittätigkeiten für die Rentenberechnung irrelevant sind, was oft zu einer geringeren Betriebsrente führt. „Der Pro-rata-temporis-Grundsatz verlangt deshalb bei endgehaltsbezogenen Versorgungszusagen nicht etwa die Berücksichtigung eines Beschäftigungsfaktors für das gesamte Arbeitsverhältnis“, erklärte Juristin Rachor. Der Pro-rata-temporis-Grundsatz erlaubt eine ungleiche Abgeltung der verschiedenen Beschäftigungsmodelle in quantitativer Weise.

Im konkreten Fall hatte eine Frau, die viele Jahre in Vollzeit und dann 15 Jahre in Teilzeit arbeitete, gegen ihren Arbeitgeber wegen einer geringen Betriebsrente geklagt. Die Berechnung basierte auf dem rentenfähigen Einkommen des letzten Jahres vor dem Renteneintritt. Die Frau erachtete dies als Diskriminierung, da sie für einen Großteil ihrer Berufslaufbahn in Vollzeit tätig war. Das BAG wies ihre Klage jedoch ab und bestätigte die Rechtmäßigkeit der Berechnungsmethode. Das oberste deutsche Arbeitsgericht hatte bereits in früheren Entscheidungen klargestellt, dass eine proportionale Kürzung der Betriebsrente für Teilzeitbeschäftigte rechtens ist. Dies gilt auch, wenn durch eine Berechnung über das gesamte Arbeitsverhältnis eine höhere Betriebsrente resultieren würde.

Ein letztes Beispiel aus der Rachor-Auflistung betrifft die bAV-Invaliditätsleistung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Fall: Ein Arbeitnehmer bezog auf eigenen Antrag hin und mit Bescheid des Rentenversicherungsträgers vom Januar 2021 volle gesetzliche Erwerbsminderungsrente. Er legte den Bescheid seinem Arbeitgeber vor und verlangte ab Januar 2021 auch betriebliche Invaliditätsrente. Der Arbeitgeber lehnt dies ab, da die Betriebsrente laut Versorgungszusage erst bei Ausscheiden aus der Firma fällig wurde. Im konkreten Fall endete das Arbeitsverhältnis erst Ende März 2022. Danach zahlte die Firma die betriebliche Invaliditätsrente.

Der Arbeitnehmer wollte die Leistung jedoch schon 15 Monate früher – vergeblich (siehe Ausgabe 1/2024). Denn auch das BAG entschied mit Urteil vom 10. Oktober 2023 gegen ihn (Az.: 3 AZR 250/22). Dies hatte das BAG in früheren Fällen auch schon anders gesehen (siehe Ausgabe 4/2022). Die jetzigen Entscheidungsgründe nennt Rachor: Bei der Auslegung der Begriffe der „Berufs- und Erwerbsunfähigkeit“ in einer Versorgungsordnung ist regelmäßig von einer Anknüpfung an das Sozialversicherungsrecht auszugehen. Ein Arbeitgeber ist befugt, die Leistung in einer Versorgungsordnung mit vorformulierten Vertragsbedingungen (AGB) grundsätzlich davon abhängig zu machen, dass der Arbeitnehmer eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente bezieht und zudem rechtlich aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist.

Ausscheidensklauseln in Versorgungszusagen hätten jedenfalls bei betrieblichen Invaliditätsversorgungen den Sinn, sicherzustellen, dass nicht gleichzeitig Ansprüche auf Arbeitsvergütung einerseits und Ruhegeld andererseits entstehen. Die der Inhaltskontrolle unterliegende Regelung benachteiligt den Arbeitnehmer auch nicht unangemessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben. „Das berechtigte Interesse des Arbeitgebers, keine Doppelleistungen erbringen zu müssen und Planungssicherheit zu haben, ist dem Interesse des Arbeitnehmers am Bezug betrieblichen Ruhegeldes bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich zumindest gleichgewichtig“, so Rachor. Urteile zur bAV im neuen Jahr sind bis Redaktionsschluss noch nicht veröffentlicht worden.

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