Taxonomien als globales Phänomen
Als in der EU 2018 die Arbeiten an der Taxonomie starteten, verfügte China bereits über Erfahrung mit einem ähnlichen Vorhaben. Das Land veröffentlichte drei Jahre zuvor eine Liste von Projekten, die für grüne Anleihen in Frage kommen. Dieser seither als chinesische Taxonomie bezeichnete Katalog erfuhr 2021 eine Aktualisierung, die mit einem gesteigerten Umweltanspruch und einer Annäherung an internationale Standards einherging. Ähnlich der EU-Taxonomie beinhaltet das chinesische Pendant ökologisch-nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten, etwa den Bau und Betrieb von Solaranlagen. Elemente, die dem Do-No-Harm-Prinzip aus dem EU-Klassifikationssystem entsprechen, sind lediglich in Einzelfällen enthalten und soziale Mindestkriterien mit Bezug auf menschenrechtliche Normen gar nicht.
Weil beide Wirtschaftsregionen bedeutend und die Finanzmärkte international sind, wurde daran gearbeitet, die Interoperabilität beider Ansätze zu fördern. Dies ist auch deshalb relevant, weil die vielen Klassifikationssysteme weltweit meist die chinesischen und europäischen Vorarbeiten als Basis nutzen. Während einige Länder sich eher an China orientieren, etwa die Mongolei, oder wie im Fall von Bangladesch Elemente beider Taxonomien aufweisen, basieren beispielsweise das südafrikanische oder kolumbianische System stark auf den EU-Vorarbeiten.
Weit mehr als ein Dutzend Länder oder supranationale Organisationen verfügen derzeit über eine Taxonomie. Dazu zählen auch Russland, Kasachstan, Sri Lanka, Südkorea, Malaysia, Indonesien, Georgien und die Vereinigung südostasiatischer Länder. Im Entstehen sind Taxonomien unter anderem in Singapur, Thailand, Australien, dem Vereinigten Königreich, dem Senegal, der Dominikanischen Republik, Kanada, Mexiko, Brasilien und Chile. Klassifikationssysteme für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten sind damit ein wahrlich globales Phänomen.
Ein gemeinsames Verständnis von Nachhaltigkeit kann jedoch nur dann entstehen, wenn weitere Arbeit in die Entwicklung von Standards und in das Zusammenspiel der verschiedenen Systeme investiert wird. Der Weg dorthin beinhaltet weit über das Technische hinaus Potenziale. Denn er kann dazu beitragen, Dialoge zu Nachhaltigkeit zwischen Ländern und Kulturen zu fördern und zugleich Synergien zwischen Entwicklungspolitik, Sustainable Finance und Menschenrechtsdiskursen zu schaffen. Gerade in Zeiten globaler Polarisierung könnte darin ein Schimmer Hoffnung liegen.
Autoren: Gesa Vögele In Verbindung stehende Artikel:
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