Vorstände werden auch nach ESG-Zielen bezahlt
WTW-Studie sieht Europa als führend an. In Frankreich (CAC 40) koppeln alle Firmen ihre Incentive-Systeme an ESG-Kriterien, während die Regeln in den USA deutlich laxer sind – noch.
Die meisten europäischen börsennotierten Unternehmen verknüpfen die Vergütung ihrer Vorstände an die Erreichung von ESG-Zielen. Laut einer neuen Studie des Beratungsdienstleisters WTW knüpfen 91 Prozent der Organisationen ihre Incentive-Systeme an ESG-Kriterien. Mit 98 Prozent gehören die DAX-40-Unternehmen hier zu den Spitzenreitern. Nur französische Unternehmen liegen mit einer Quote von 100 Prozent noch darüber. Im französischen Leitindex CAC 40 haben alle Firmen ihre Incentive-Systeme an ESG-Ziele gekoppelt. WTW hat für die Studie Geschäftsberichte von 885 Unternehmen für das Geschäftsjahr 2021 analysiert, die im S&P 500, FTSE 100, DAX 40 oder sieben weiteren wichtigen europäischen Indizes gelistet sind.
Insgesamt sind es demnach weltweit betrachtet 77 Prozent der börsennotierten Unternehmen, die ihre Vorstandsvergütung unter anderem auch an die Erreichung von ESG-Zielen koppeln. Dabei haben in den vergangenen Jahren ESG-Kriterien für die Unternehmensführung erheblich an Bedeutung gewonnen, so WTW. Folglich wird die Erreichung solcher Ziele auch in die Bonussysteme und die langfristig variable Vergütung von Vorständen einbezogen. Aus der neuen WTW-Studie geht hervor, dass im vergangenen Jahr noch 68 Prozent der betrachteten Unternehmen entsprechende Kriterien berücksichtigten. „ESG ist auf dem Vormarsch. Aufgrund der regulatorischen Anforderungen sowie der Erwartungshaltung von Investoren, Mitarbeitenden und der Öffentlichkeit konzentrieren sich Unternehmen zunehmend auf die Verknüpfung von ESG-Zielen mit der Vorstandsvergütung“, sagt Ralph Lange, Senior Director Executive Compensation bei WTW.
US-Unternehmen hinken der Entwicklung hinterher – noch
Beim amerikanischen S&P 500 liegt der Wert der Unternehmen, die ESG-Ziele in ihre Incentive-Systeme einbeziehen nur bei 69 Prozent – und damit unter dem weltweiten Durchschnitt. Lange sagt: „Im Vergleich zu Europa gibt es in den USA keine so strenge Regulatorik und das Bewusstsein der Öffentlichkeit sowie der Investoren ist weniger stark ausgeprägt. Trotzdem ist zu beobachten, dass auch in den USA die ESG-Ziele zunehmend Einzug in die Vorstandsvergütung halten.“
Meist soziale Ziele
Am häufigsten werden für Incentive-Pläne soziale Faktoren verwendet, wie beispielsweise Gesundheit, Motivation und Sicherheit der Mitarbeitenden. 80 Prozent der Vergütungssysteme von DAX-Vorständen enthalten mindestens solch eine Größe. Bei ökologischen Faktoren sind es 78 Prozent, bei Governance 38 Prozent. Ralph Lange sagt: „Die Qualität der Diskussion ändert sich. Bisher ging es vor allem darum, ESG-Kriterien überhaupt in den Vergütungssystemen von Vorständen zu berücksichtigen. Mittlerweile fordern Investoren, Ziele konkret zu benennen, sie messbar zu machen und transparent darüber zu berichten. Unternehmen sind gefragt, abgleitet aus der Unternehmensstrategie ihre ESG-Ziele zu definieren und sie sinnvoll mit den Vergütungssystemen der Vorstände zu verknüpfen.“
ESG entscheidet kurzfristig über die variable Vergütung
In den langfristigen Bonusplänen (LTI) von Vorständen sind ESG-Kriterien immer mehr verbreitet. 45 Prozent der DAX-Unternehmen nutzen mindestens einen ESG-Faktor in den LTI-Plänen. Vergangenes Jahr waren es 22 Prozent. In den kurzfristigen Bonusplänen (STI) ist die Entwicklung ähnlich, jedoch ist die Verwendung von ESG-Kennzahlen bei den DAX 40 bereits etablierter: 98 Prozent nutzen mindestens eine ESG-Kennzahl in ihren STI-Plänen. Eine Zunahme von ebenfalls 23 Prozentpunkten im Vergleich zu 2021.
Auch mit Langfristvergütung verknüpfen
Ralph Lange begründet das Verhalten der Unternehmen wie folgt: „Bisher setzen die Unternehmen den ESG-Schwerpunkt in den kurzfristigen Bonusplänen, die sich auf ein Geschäftsjahr beziehen. Für diesen Zeitraum können Unternehmen besser abschätzen, wie sich die Wirtschaft und Regulatorik verändern wird – anders ist es bei den langfristigen Bonusplänen, die meist eine Laufzeit von drei oder vier Jahren haben“, so Lange. „Investoren wünschen sich jedoch, dass ESG-Ziele auch mit den langfristigen Plänen verknüpft werden, sodass die ESG-Kennzahlen die Unternehmensteuerung nachhaltig beeinflussen.“
Autoren: Daniela Englert In Verbindung stehende Artikel:
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