Versicherungen
19. Dezember 2022

Zinsanstieg schafft stille Lasten von 50 Milliarden Euro

Lebensversicherungen im Assekurata EKG-Check. Kurzfristig drückt Zinswende auf Erträge.

Von der Zinswende profitieren nicht zuletzt die Lebensversicherer. Allerdings drücken deutlich gestiegene stille Lasten auf die Ertragskraft. Dies sind Hauptergebnisse des Ertragskraft-Garantie-Check (EKG-Check) 2022 in der Lebensversicherung der Assekurata. „Abgecheckt“ hat Assekurata hierfür 69 Lebensversicherer.

„Insgesamt profitiert die Lebensversicherungsbranche von den höheren Zinsen“, spricht Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei Assekurata, das Zitat zur Zinswende. „Dennoch hätten sich die meisten Versicherer sicherlich einen weniger raschen Anstieg gewünscht.“

Rückflüsse aus ZZR

Ein Grund zur Freude dürfte bei der Betrachtung der Belastungen aus den Garantieverpflichtungen herrschen. „Die extrem niedrigen Zinsen der vergangenen Jahre trafen die Lebensversicherer ertragsseitig besonders bei der Erfüllung der Altgarantien in den Beständen“, erläutert Lars Heermann. Bereits seit 2011 müssen die Lebensversicherer daher eine Zinszusatzreserve (ZZR) bilden. Diese ist bis Ende 2021 marktweit auf gut 96 Milliarden Euro angewachsen. Aufgrund der deutlich höheren Marktzinsen bleibt der zur ZZR-Berechnung geltende Referenzzins für 2022 stabil bei 1,57 Prozent. Aus Sicht der Studienautoren hat dies in diesem Jahr erste Rückflüsse aus der ZZR von branchenweit drei Milliarden Euro zur Folge.

Um die Anforderungen der ZZR auch für die kommenden Jahre abschätzen zu können, haben die Analysten in der EKG-Studie die ZZR-Entwicklung für verschiedene Zins-Szenarien bis 2035 hochgerechnet. Im Falle eines weiteren Zinsaufschwungs bis 3,00 Prozent bliebe der Referenzzins auch in den kommenden Jahren stabil und würde ab 2028 erstmals ansteigen. Dies würde die Dynamik beim Abbau des ZZR-Bestandes zusätzlich beschleunigen. „Der Grund, weshalb auch bei gleichbleibendem Referenzzins die ZZR abgebaut wird, liegt derweil in den Beständen der Lebensversicherer“, erklärt Lars Heermann. „So ist der Effekt des sukzessive auslaufenden Altbestandes größer als der jährlich neu berechnete Zuführungsbedarf zur ZZR.“

Ertragsseitig können die Lebensversicherer allerdings nur bedingt von den steigenden Zinsen profitieren, da sie zunächst mit einem deutlichen Marktwertverlust der Zinsanlagen in ihren Büchern konfrontiert sind. Während die zur Finanzierung der ZZR benötigten Bewertungsreserven Ende 2021 aufgrund des Niedrigzinsumfelds noch ein Niveau von rund 150 Milliarden Euro aufwiesen, geht Assekurata aufgrund des Zinsanstiegs davon aus, dass die Brache im Saldo derzeit stille Lasten von etwa 50 Milliarden Euro aufweist.

Buy and Hold schützt vor Abschreibungen

Da die stillen Lasten im Wesentlichen auf die festverzinslichen Anlagen zurückzuführen sind, sind bei rein zinsinduzierten Wertveränderungen keine Abschreibungen notwendig, da Lebensversicherer als Langfristinvestoren üblicherweise mit Buy-and-Hold-Strategien agieren. Die Kehrseite ist, dass stille Lasten die Ertragsflexibilität mindern und grundsätzlich das Risiko droht, dass diese doch realisiert werden müssen, beispielsweise wenn Kunden im großen Stil ihre Verträge kündigen oder aufgrund von Bonitätsverschlechterungen der Emittenten Abschreibungen nötig sind.

Parallel zum Wegfall des ZZR-Zuführungsbedarfs geht Assekurata für 2022 von einem deutlichen Rückgang der Nettoverzinsung auf durchschnittlich 2,40 Prozent aus, nachdem sie 2021 noch bei 3,58 Prozent gelegen hat. „Auf lange Sicht dürften die Versicherer durch den Zinsanstieg jedoch in der Lage sein, in der Neu- und Wiederanlage wieder stärker in rentablere Papiere zu investieren, freiwerdende ZZR-Mittel in die Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB) einzustellen und letzten Endes auch wieder höhere Überschussbeteiligungen für die Kunden zu gewähren“, prognostiziert Lars Heermann.

EKG-Quote zeigt Unterschiede auf

Die Ausgangslage ist aber je nach Unternehmen sehr unterschiedlich, wie sich anhand der Ertragskraft-Garantie-Quote (EKG-Quote) zeigt. Versicherer mit einem zinsunabhängigeren Geschäftsprofil und einer stärker diversifizierten Kapitalanlage weisen in der Regel höhere Kennzahlenwerte auf als traditionelle kapitalbildende Anbieter. „Bereits 2021 sind durch den Rückgang der Bewertungsreserven die EKG-Quoten vieler Unternehmen zurückgegangen“, fasst Lars Heermann die Studienergebnisse zusammen. „Mit Blick auf das gestiegene Zinsniveau und die ausfinanzierte ZZR lässt sich jedoch auch eine gegenläufige Entwicklung erkennen, da die Rechnungszinsanforderungen deutlich entlastet werden. Dieses Gesamtbild wird sich 2022 weiter festigen.“

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