Mit der Jahrestagung durch ein Vierteljahrhundert
Man lernt nie aus. Zum Beispiel, dass die Inflation auf über acht Prozent steigen kann. Noch höher wäre zumindest die gefühlte Inflation, wenn der Warenkorb auch die Zahl der Veranstaltungen enthalten würde. Die Terminkalender sind voll. So werden die wenigen Events, die in der Branche fast jeder kennt, zu einem realen Wert. Zutreffend ist dies für die Jahrestagung Portfoliomanagement von Uhlenbruch, die am 27. und 28. September zum dann bereits 25. Mal ihre Türen öffnet.
Wenn ein Vierteljahrhundert lang jedes Jahr eine dreistellige Zahl an Teilnehmern zu einer Veranstaltung pilgert, dann bietet diese offenbar mehr als rituelles Anstecken von Namensschildern, Anstehen für Kaffee, das übliche Meet and Greet, nicht-funktionierende Konferenz-Apps, wenig repräsentative Ted-Umfragen, kaum erkennbare Grafiken sowie Referenten, die erst einmal ausführlich die hauseigenen Kompetenzen darlegen. „Bei der Jahrestagung geht es um die aktuellen Themen der institutionellen Kapitalanlage, die Investoren perspektivisch beschäftigen werden. Die Vorträge dürfen nicht werblich sein, sondern müssen sich auf faktenbasierte Inhalte fokussieren und inhaltliche Tiefe haben. Und zuletzt müssen sie von erstklassigen Referenten präsentiert werden“, beschreibt Dr. Jochen Kleeberg, geschäftsführender Gesellschafter von Alpha Portfolio Advisors und Mastermind der Jahrestagung, das Erfolgsrezept. Dieses schmeckt nicht nur Asset Managern und Investoren, sondern mit Produktentwicklern auch einer Gruppe, die man ansonsten weniger oft auf Veranstaltungen antrifft. Neben aller Wissensvermittlung hat der Branchentreff auch noch eine weitere wichtige Zutat: „Es muss auch Spaß machen“, so Kleeberg.
An die erste Tagung anno 1998 erinnert sich Kleeberg noch gut. „Damals erwies sich der Große Ballsaal im Hessischen Hof als zu klein und die Referenten konnte man an ihren bunten Fingern erkennen, weil noch mit Filzstiften am Overhead-Projektor gearbeitet wurde.“ Angestoßen wurde die Veranstaltung aber eigentlich schon drei Jahre früher. Damals promovierte Kleeberg mit der Arbeit „Der Anlageerfolg des Minimum-Varianz-Portfolios. Eine empirische Untersuchung am deutschen, englischen, japanischen, kanadischen und US-amerikanischen Aktienmarkt“ – und für diese brauchte es einen Verlag. Also gründete Kleeberg 1995 gemeinsam mit Dorte Uhlenbruch den Uhlenbruch-Verlag. Allerdings ist, um eine Promotionsarbeit zu drucken, nicht unbedingt ein eigener Verlag nötig. Dies räumt auch Kleeberg ein. „Aber Kapitalmärkte und Unternehmertum haben mich schon immer fasziniert.“ Die bekanntesten Uhlenbruch-Publikationen dürften die in der Branche viele Regale zierenden „Handbücher“ sein.
Lässt man vergangene Themen Revue passieren, erscheinen manche passé und andere als nach wie vor aktuell. „Das große Thema der ersten Konferenz war die internationale Diversifikation. Damals ein top-aktueller Konferenzschwerpunkt, denn 1998 waren noch Balanced-Portfolios der Marktstandard, deren Anlageuniversum kaum über die europäischen Märkte hinausreichte. Die Anlagewelt hat sich inzwischen geändert“, blickt Kleeberg zurück. „1999 brachte uns Professor Werner De Bondt die Behavioural Finance näher. Das war damals neu, innovativ und sehr unterhaltsam, da Werner De Bondt den Teilnehmern ihre systematischen Anlagefehler illustrativ anhand lustiger Cartoons vor Augen führte.“ Trotz des heute weit verbreiteten systematischen Investierens ist Behavioural Finance nach wie vor aktuell. Ein weiterer Dauerbrenner, der regelmäßig nach Krisen im Programm steht: „Lehren aus der Krise und Handlungsalternativen für institutionelle Anleger“ von beispielsweise Jochen Kleeberg (2004) oder „Lessons from the Crisis“ von Oaktrees Howard Marks (2009).
Selbstredend braucht eine Konferenz immer wieder neue Themen. Inflation ist zwar nicht neu, stößt aktuell aber auf ein besonders großes Interesse. „2020 war Dr. Philipp Hildebrand von Blackrock Referent auf unserer Tagung. Er hat damals schon – als noch niemand daran dachte – die Inflation als das zentrale Risiko der kommenden Jahre identifiziert. Darum haben wir ihn für dieses Jahr wieder eingeladen“, so Kleeberg. Mit Professor Lasse Pedersen von der New York Stern University sei es gelungen, einen absoluten Top-Akademiker zu gewinnen, der über Green Investing sprechen wird. Professor Josef Lakonishok von LSV, der bereits erstmals im Jahr 2001 Key-Note-Sprecher war, wird 2022 erneut aus Chicago anreisen. Sein Thema: „Valuation cannot be ignored: The Perils of Wishful Thinking“. Der international wohl bekannteste Name in diesem September im Frankfurter Hilton Hotel dürfte Rob Arnott von Research Affiliates sein. Der Smart-Beta-Pionier spricht zu den „Myths in Today´s Frothy Markets“. Noch populärer ist möglicherweise sogar Cathie Wood von ARK Investment Management. Sie referiert über „Innovation as a Key Driver for Growth: Strong Contrarian Views on Today’s Markets“. Kleeberg: „Cathie Wood ist sehr themenorientiert unterwegs, Josef Lakonishok und Rob Arnott kommen dagegen aus der Bewertungsecke. Es gibt eben mehrere Sichtweisen und Philosophien, und die wollen wir alle abbilden.“
Für die Gäste der Tagung, die es alljährlich ins Hilton Frankfurt City Centre zieht, dürfte die Mischung der Referenten aus Wissenschaft und Praxis interessant sein. Allerdings scheinen das hin und wieder sehr verschiedene Welten zu sein. Blickt man in die damaligen Vortragsunterlagen – die als „Giveaways“ noch großvolumiger und vor allem schwerer als die erwähnten Handbücher waren – so finden sich mit zum Beispiel „Sicherheit geht vor Rendite“ sehr bodenständige Aussagen von Investoren wie Henrik Hänche. Andererseits auch sehr in akademische Tiefen gehende Unterlagen. Somit stellt sich die Frage, ob es ein Problem sein könnte, dass nicht jeder Investor Ökonometrie studiert hat, und nicht jeder Wissenschaftler Insti spricht? „Aus der Wissenschaft stammen viele sehr interessante Ideen und es ist wichtig, gute Ideen in die institutionelle Kapitalanlage einfließen zu lassen. Wir achten deshalb im Rahmen der Jahrestagung Portfoliomanagement ganz besonders darauf, dass die Referenten komplexe Zusammenhänge verständlich aufbereiten und erklären“, erläutert Kleeberg.
Als kleine persönliche Anekdote berichtet Kleeberg abschließend vom ersten Besuch seiner damals sechs Wochen alten Tochter Lina auf der 2. Jahrestagung. Ihr Namensschild wirkte natürlich übergroß und brachte manchen Teilnehmer zum Schmunzeln. Das Schwerpunktthema „Behavioural Finance“ war für sie offenbar prägend. Sie studiert heute Psychology of Economic Life auf Master.
Autoren: Patrick Eisele In Verbindung stehende Artikel:
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