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5. Mai 2022

Der große Energie-Check

Eine besonders interessante Umsetzungsform für ­Investoren, die in Energieinfrastruktur investieren wollen, können Partnerschaften mit Versorgern sein. Darüber, sowie auch zur nötigen Nähe zu den Assets und den wichtigen Nachhaltigkeitsfragen diskutierten – sehr energiegeladen – Dr. Volker Heinke von der EZVK, Dr. Peter Brodehser von der Talanx, Stephan Köhler von der Pensionskasse Hoffmann-La Roche und Yves Grebenarov vom Schweizer Versorger EBL mit Patrick Eisele.

Werte Diskutanten, die Energiewende zielt auf eine Versorgung mit Erneuerbaren Energien ab. Gleichzeitig soll die Versorgung sicher und bezahlbar bleiben. Ist der Krieg nun für die Energiewende ein Booster oder eine Bremse?

Dr. Peter Brodehser: Die Auseinander­setzung mit der Energiewende hat sich verändert: Es geht nun nicht mehr allein ­darum, sich mittel- und langfristig für den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrund­lagen einzusetzen. Nun geht es ergänzend auch um die Versorgungssicherheit – und zwar kurzfristig, das heißt jetzt.
Darum bekommen wir nun bei der Energieerzeugung eine neue Dynamik in die bislang langwierigen Genehmigungsprozesse. Eine Beschleunigung werden wir aber auch bei Themen wie der Speicherung mit Wasserstoff oder bei Pumpspeicherkraftwerken sehen. Ein Momentum entsteht aber auch bei der Finanzierung. Trotz Inflation ­bleiben die Zinsen vergleichsweise niedrig, womit Inflationsschutz für Investoren an Relevanz gewinnt. Somit werden inflationsgeschützte Debt- und Equity-Instrumente für die ­Finanzierung dieser Projekte attraktiver.
Dr. Volker Heinke: Wenn sogar der Bundesfinanzminister bei Renewables von Freiheitsenergien spricht, dann sollten schnellere Umsetzungen die Konsequenz sein. Die tatsächliche politische Umsetzung bleibt jedoch abzuwarten. Je länger aber der Krieg in der Ukraine dauert und je eher Deutschland eine Energieknappheit erfährt – Stichwort Gas-Embargo –, desto schneller sollte die Energiewende kommen.

Ich bin immer davon ausgegangen, dass Deutschland ohne größere Probleme Alternativen bei der Energieversorgung schaffen kann. Schon 2015, als BASF ­Energiespeicher an Gazprom verkauft hat, wurde dies so ­postuliert und galt Flüssiggas als ­Alternative. Eines hat man jedoch nicht bedacht: den Preis. Preissteigerungen treffen unsere Wirtschaft. Vielleicht ist es aber auch gar nicht so schlecht, wenn wir uns an höhere Energiepreise als Einstieg in eine nachhal­tige Energieversorgung gewöhnen.
Eine Sorge ist aber auch, dass der Zeitdruck und die Versorgungssicherheit dafür ­sorgen, dass die Energieträger Kohle und Öl wieder an Bedeutung gewinnen und das Nachhaltigkeitsthema ausbremsen. In ­Summe gehe ich aber ebenfalls von einem Booster für die Energiewende aus.

Bei Energieinfrastruktur fällt niemand die Treppe hinauf. Auch nicht Dr. Volker Heinke (links), EZVK, und Dr. Peter Brodheser, Talanx.
Bei Energieinfrastruktur fällt niemand die Treppe hinauf. Auch nicht Dr. Volker Heinke (links), EZVK, und Dr. Peter Brodheser, Talanx.

Was ist die Schweizer Sicht?

Yves Grebenarov: Wie in Deutschland sind auch in der Schweiz die Strompreise bereits vor Kriegsbeginn stark angestiegen. Ähnliches gilt für das Ziel „Netto Null“. Erklärtes Ziel der Schweiz ist es, bis 2050 klima­neutral zu sein. Inwieweit die aktuelle Krise zu einem Booster führt, ist schwierig abzuschätzen. Die Genehmigungsverfahren für neue Projekte im Bereich der Erneuerbaren Energien dauern immer noch zu lange und bergen große Unsicherheiten. Diese ­Hindernisse gilt es zu beseitigen, um mehr Planungssicherheit zu erhalten.
Grundsätzlich sehen wir, dass die Komplexität in der europäischen Energiewirtschaft zunimmt, da der Umstieg auf mehr volatilen Wind- und Sonnenstrom zu einem ­Bedarf an Speichern und gesicherter Leistung führt. Gleichzeitig gewinnt die Digitalisierung an Wichtigkeit, um die gesamten komplexen Prozesse effizient zu steuern.

Wo liegen für Sie die Unterschiede zwischen Verkehrs-, Kommunikations- oder eben Energieinfrastruktur?

Heinke: Unabhängig von den Segmenten gilt, dass die am längsten und am besten ­abgesicherten Infrastruktursegmente die niedrigsten Renditen haben. Ein Schwerpunkt der EZVK ist die Energie und hier wiederum die Versorgung. Darin mitent­halten sind Speicher und Netze, weniger ­jedoch die Energieerzeugung. Die EZVK ist aber auch in Solar- und Windkraft investiert. Wir schätzen Energie, weil wir hier den ­großen Transformationsbedarf und somit Chancen für Investitionen sehen.
Im Portfolio finden sich aber auch andere Infrastrukturinvestments. Soziale Infrastruktur haben wir aber nur wenig, da ­unsere Beteiligten, das heißt Unternehmen, deren Mitarbeiter wir rentenversichern, schon stark im Sozialbereich tätig sind. Das Risiko auf unserer Passivseite wollen wir nicht noch auf der Aktivseite verstärken.
Die Umsetzung erfolgt über einen Managed Account. Das heißt aber, dass wir uns – anders als bei anderen Asset-Klassen – jedes einzelne Investment in der Fachabteilung und im Vorstand vorher anschauen. Erst nach unserer Zustimmung investiert unser externer Manager. Dieses Vorgehen ist dem speziellen Risikoprofil und der Komplexität von Infrastruktur geschuldet.

Wie sieht man die Asset-Klasse bei der ­Pensionskasse Hoffmann-La Roche?

Stephan Köhler: In unserem Portfolio sind die verschiedenen Infrastruktur-Trends ­erkennbar. Vor zehn Jahren hat die Versorgung dominiert. Da standen beispielsweise britische Wasser-Utilities im Fokus. Aktuell passiert sehr viel in der Kommunikation und hier insbesondere bei Rechenzentren. Soziale Infrastruktur wiederum spielt im Gesamtmarkt eine eher kleinere Rolle.
Wir wollen aber nicht jedem Trend ­hinterherlaufen. Unser Ziel ist eine breite Diversifikation über Regulierungs- und Preisrisiken. Diese hängen vom Sektor und der Region ab.
Trotzdem entfallen in unserem Infrastrukturportfolio jedoch knapp 40 Prozent auf die Erzeugung von Erneuerbarer Energie. Auf diesem Feld hat sich in den vergangenen sechs Jahren, also seitdem wir in dieses ­Segment investieren, gesellschaftlich und politisch sehr viel getan. Hier ist vor allem das deutsche EEG zu nennen. Als Investor schätzt man es, über eine möglichst lange Zeit verlässliche Cashflows mit einer ­verlässlichen Gegenpartei zu bekommen. Renewables sind auch prädestiniert dafür, um ESG-Anforderungen und CO₂-­Red­uktionszielen gerecht zu werden sowie ­Änderungen zu bewirken.

Wie sieht das Renewables-Portfolio aus?

Köhler: Neben den dominierenden Wind- und PV-Parks haben wir auch kleinere ­Wasserkraftwerke in Skandinavien, Spanien und Portugal im Portfolio. Zusätzlich haben wir auch Investitionen in Strom- und Gasleitungen. Bezüglich Energiespeicherung sind wir aber sehr zurückhaltend, weil der Venture-Charakter noch zu stark dominiert.

Muss man als Schweizer Investor mangels heimischer Opportunitäten immer ins ­Ausland gehen?

Köhler: Die Schweiz hatte schon immer ­höhere Netto-Auslandsinvestitionen als ­viele andere Länder. Das betrifft alle Asset-Klassen aber auch die Schweizer ­Unternehmen. Unsere Pensionskasse hält aber immerhin ein Viertel des Infrastrukturportfolios in der Schweiz. Das ist relativ viel. Schließlich ist die Schweiz recht klein und topografisch für Sonne und Wind nicht der optimale Standort. Die Gestehungskosten sind entweder nicht wirklich attraktiv oder die Subventionen auf einem politisch schwierigen Niveau. Interessant ist aber Wasserkraft. Allerdings ist hier fast alles in Händen von Versorgungsunternehmen.

Talanx ist Energieinfrastruktur nicht fremd.

Brodehser: Wie bereits Herr Dr. Heinke und Herr Köhler erwähnt haben, sprechen für alle Infrastruktursegmente ­insbesondere die stabilen Cashflows, und dass man ­Illiquiditäts-, Komplexitäts- und Durationsprämien heben kann – ohne dafür ein ­höheres Risiko eingehen zu müssen.
Die Talanx engagiert sich jedoch mit fast zwei Drittel ihrer Infrastruktur-Investments in Energieinfrastruktur-Projekten. Die Gründe für diesen Fokus sind, dass hier ­eine besondere Expertise, gute Kontakte und damit ein guter Dealflow bestehen.
Wichtig ist, keinen zu engen Sektor-Fokus zu haben. Das gilt auch innerhalb von ­Energie. Vor 50 Jahren standen Ölbohrungen im Mittelpunkt, dann Kohlekraftwerke, dann Gaskraftwerke und schließlich gab es die Onshore-, gefolgt von der Offshore-Wind-Welle. Im Augenblick zieht es alle ­Investoren in spanische Photovoltaik-Parks. Die nächste ­Welle wird die digitale Infrastruktur sein.
Es ist allerdings nicht ratsam, immer diesen einzelnen Trends zu folgen – ansonsten wartet man immer auf die perfekte Welle, wird sie aber nie erwischen. Besser ist eine breite sektorenseitige Aufstellung, die sich durch die ganze Organisation durchzieht.
Heinke: Mehr Diversifikation zu haben, ist auch unser Plan. Wir wollen unseren Versorgungsschwerpunkt reduzieren. Indem wir in andere Segmente diversifizieren, ­wollen wir von über 60 in Richtung 45 ­Prozent kommen. Geplant ist, Kommunikation, Verkehr und Transport zu erhöhen. Trotz unserer Passivseite wollen wir auch bei sozialer Infrastruktur die Quote auf ­zumindest drei Prozent vergrößern.

Ist für eine große Versicherung auch ein Argument pro Energieinfrastruktur, dass man anders als bei sozialer Infrastruktur relativ viel Geld in ein Projekt investieren kann?

Brodehser: Bei den Volumina ­unterscheiden sich die Sektoren eigentlich nicht. Wenn die Talanx einen Onshore-Windpark all Equity finanziert, liegt unsere Ticket-Größe zwischen 50 und 80 Millionen Euro. Große ­Infrastrukturfonds suchen meist nach ­Projekten mit höheren ­Investitionssummen. Wir haben aber auch einige Projekte im ­Bereich der sozialen Infrastruktur im ­Portfolio, die wir mit Fremdkapital im ­dreistelligen Bereich begleiten.
Eine Ausnahme ist Offshore-Wind. Ein Windpark auf dem Meer kostet grob zwischen anderthalb und vier Milliarden Euro. Egal, ob wir uns hier mit EK oder FK beteiligen: Das können wir nicht alleine stemmen. In diesen Fällen nehmen wir befreundete Investoren mit in die Finanzierung.

Die Elektra Baselland, EBL, gibt es seit 1898, deren Stromproduktion leitet Yves Grebenarov seit 2016.
Die Elektra Baselland, EBL, gibt es seit 1898, deren Stromproduktion leitet Yves Grebenarov seit 2016.

Ich würde als weitere Welle Developments und die steigende Relevanz von Speichern ausmachen. Da sind die Cashflows dann aber nicht mehr ganz so attraktiv.

Grebenarov: Der Wettbewerb im Bereich der „Developments“ nahm in der Tat zu. Als Energieversorger mit einer Geschichte von über 100 Jahren können wir mit Entwicklungsrisiken umgehen. In unseren Heimmärkten entwickeln wir teilweise die ­Projekte selbst. So sind wir schweizweit ­einer der führenden Fernwärme-Anbieter. In Deutschland und in Spanien gingen wir Entwicklungskooperationen ein, um früher an attraktive Assets zu gelangen. Dabei legen wir Wert auf werthaltige Vorhaben mit großer Realisierungswahrscheinlichkeit.
Außerhalb der Schweiz investieren wir ­momentan in Onshore-Wind und PV. In der EBL Wind Invest investieren wir mit sechs ­institutionellen Investoren in Windparks. Dabei verantworten wir ­Akquisitionen und Betrieb. In Südeuropa sind wir schon seit längerem in Spanien. Dort hatten wir auch unser ­erstes Solarthermie-Kraftwerk (CSP) errichtet, welches wir mit unserer ­lokalen Mannschaft von circa 30 Mitarbeitern betreiben. Mit einem solchen CSP-­Projekt gelang uns nun auch in Italien der Einstieg.
Dem Thema Speicher näherten wir uns von zwei Seiten. Einerseits haben wir in eine ­Beteiligung an dem Start-up-Unternehmen „Libattion“ investiert, welches die Zellen von gebrauchten Batterien wiederverwendet und in Battery Packs einbaut. Andererseits haben wir zusammen mit einem institutionellen Investor in das oben erwähnte CSP-Projekt auf Sizilien investiert, welches ­einen Flüssigsalzspeicher haben wird. Somit ­können wir im Sommer während 24 Stunden erneuerbaren Strom produzieren.

Welche Risiken nimmt die EZVK?

Heinke: Weil die Renditen bei der Erzeugung von Erneuerbaren Energien nun ­relativ niedrig sind, halten wir uns da eher zurück. Ein Kaufargument kann aber die ­Sicherheit sein. Wenn diese für uns zweifellos gegeben ist, dann könnten wir eine ­solche Anlage in unser risikofreies Portfolio aufnehmen, in welchem wir ansonsten ­direkt sichere Anleihen mit langen Durationen halten. Ansonsten sind wir eben eher im höherem Risikobereich unterwegs.
In der Tat wird digitale Infrastruktur wie Glasfaser wichtiger. Im Energiebereich steht nun die Transformation an und diese erfordert Investitionen und auch Mut. ­Themen wie Power to X, die ja auch noch in der Forschungsphase sind, haben Venture-Charakter. Wir wollen die Transformation unterstützen. Wenn unser Manager hier ­attraktive Vorschläge macht, sind wir zu Beimischungen bereit. In begrenztem ­Maße solche Risiken zu nehmen, unterstützt auch die SDG-Ziele.
Als weitere künftige Entwicklung sehe ich Kooperationen mit Stadtwerken. Die sitzen an der „Asset-Quelle“ und haben einen ­enormen Finanzierungsbedarf. Auch die Kommunen sind in der Regel nicht auf ­Rosen gebettet. Partnerschaften zwischen Stadtwerken und Finanzinvestoren sehe ich als spannende Entwicklung.

Eine Stoßrichtung könnte auch die regionale Verbreiterung über Europa hinaus sein.

Heinke: Wir sind in der Eurozone stark ­investiert und hier insbesondere in Deutschland, aber auch in Frankreich, Spanien und Italien. Zudem haben wir Investments in Nordamerika sowie in europäischen Nicht-EU-Ländern wie Großbritannien. Das soll auch künftig unser regionaler Fokus sein.

Muss die Talanx künftig für auskömmliche Renditen mehr ins Risiko ­gehen?

Brodehser: Ich denke: nein. Die Antwort hängt natürlich stark davon ab, wie man „auskömmliche Rendite“ definiert. Bei ­einem europäischen Renewables-Projekt liegen die Eigenkapital-Renditen bei einer konservativen Herangehensweise, das heißt allenfalls geringen Baurisiken, zwischen vier und fünf Prozent – und das ist eine ­absolut adäquate Risikoprämie, die zudem deutlich über den Anforderungen der Passivseite der meisten Lebensversicherer liegt.
Man muss also nicht in Entwicklungsländer gehen. Natürlich kann es aber Sinn ­machen, sich für exotischere Länder etwas zu öffnen oder sich auch mit neuen Technologien, ­beispielsweise mit Wasserstoff, zu beschäftigen. Neue Regionen erschließen wir aber meist über Fonds-Investitionen, da wir so auch von einer Risikodiversifikation profitieren können. Kürzlich haben wir ­beispielsweise einen Fonds gezeichnet, der auf Investitionen in Südost-Asien spezialisiert ist. Als Direktinvestment hätten wir diese Investition sicherlich nicht getätigt. Ich bin ein großer Verfechter davon, sich auch an neue Themen ran zu wagen.
Grundsätzlich muss aber gelten: Schuster, bleib bei deinem Leisten! Beispielsweise sollten wir nicht versuchen, von Köln aus rund um den Globus direkte ­Finanzierungen zu machen. Das wird nicht funktionieren. Unsere Make-or-Buy-Strategie sieht vor, ­Directs dort zu machen, wo wir uns wirklich auskennen – und das ist Europa. Wir sind von Skandinavien bis Iberien unterwegs.
Der nordamerikanische Markt mag zwar ähnlich funktionieren. Wenn man aber nicht in New York sitzt, ist man nicht Teil des Spiels. Dann fehlen die Informationen, die man nur in persönlichen Treffen ­bekommt. Darum verfolgen wir außerhalb Europas einen Buy-Ansatz.

Wie viel Ressourcen braucht es denn für ­einen Make-Ansatz?

Brodehser: Im Direktgeschäft muss man sowohl den Bestand managen als auch neue Assets akquirieren. Dafür braucht es mindestens vier bis fünf Full Time Equivalents. Ohne solche Vollzeit-Arbeitskräfte verzettelt man sich, findet keinen Zugang und kann die Erwartungen von Marktpartnern nicht erfüllen. Für einen Managed Account sehe ich das Minimum bei rund zwei Full Time Equivalents. Ein Managed Account ist zudem eine gute Möglichkeit, die betreffende Asset-Klasse kennen zu lernen. Es ist wie der Kauf einer Option: Man hat nach ­einigen Jahren des Lernens die Möglichkeit, selbst das Steuer zu übernehmen und vom Beifahrer- auf den Fahrersitz zu wechseln.

Wenn die Talanx einen Südost-Asien-Fonds zeichnet: Wie tief wird geprüft?

Brodehser: Zum Investitionszeitpunkt führen wir eine klassische Managerselektion durch. Wir schauen uns Team, Struktur, Strategie, Track Record et cetera an – und ob diese Punkte eine logische Konsistenz ­aufweisen. Ich achte auch noch auf die Einzelpersonen und klemme mich hierfür meistens auch ans Telefon. Meist kenne ich jemand, der wiederum jemand kennt, der diesen Investmentmanager kennt. Wenn ich diesen Manager nicht wenigstens über zwei Ecken kenne, lass ich die Finger davon. Außerdem prüfen wir die Deal-Pipeline. Tiefer, also auf die Ebene von Einzel-Transaktionen, gehen wir aber nicht. Danach, ­also beim Monitoring, achten wir auf die Assets und monitoren die Rendite. Man bekommt sehr schnell ein Gefühl dafür, ob die Erwartungen des Fonds-Managers realistisch waren oder korrigiert werden müssen.

Herr Heinke, Sie kennen auch andere Institutionen von innen. Wie sieht die Praxis aus?

Heinke: Das hängt natürlich von der Unternehmensgröße ab. Die Versicherungsunternehmen, für die ich bislang tätig war, sind deutlich kleiner als die Talanx. Oft ist die Vorgehensweise, dass man mit Dachfonds beginnt und sich nach und nach vortastet.
Ich bin aber davon überzeugt, dass man nicht nur aus der Vogelperspektive auf Fonds schauen, sondern näher an das ­Thema rankommen sollte. Dann sind bessere Einschätzungen möglich. Darum war meine Zielvorstellung immer, in Richtung dieser vier bis fünf Mitarbeiter zu kommen und so einmal in der Position zu sein, auch direkt investieren zu können.
Solche Schritte machen für Häuser mit zweistelligen Milliardenbeträgen an Assets und dem Ziel, in dieser Asset-Klasse ein ­signifikantes Volumen aufzubauen, Sinn. Dann braucht es Know-how, weil man auch Details einschätzen können muss. Wenn man jedoch nur über Fonds unterwegs ist, wird es schnell gefährlich.
Für den Einstieg hat die EZVK den Weg über Fonds gewählt. Noch haben wir eben nicht genügend Mitarbeiter. Aber je größer unsere Allokation wird, desto tiefer müssen wir einsteigen. Aktuell haben wir 3,1 Prozent unserer Assets in Infrastruktur. Künftig sollen es mehr sein. Darum macht es Sinn, personelle Kapazitäten aufzubauen.

Hilft die Nähe beim Risikomanagement?

Heinke: Auf jeden Fall. Es hilft aber auch bei der Einschätzung der Investments. Wie funktioniert das Bewertungsmodell des ­Managers? Sind dessen Annahmen vielleicht zu optimistisch? Was sind die kritischen, also zu hinterfragenden Parameter in dessen Modell? Dafür braucht es per­sonelle Ressourcen. Als Vorstand sollte man sich nicht darauf verlassen, dass der externe Asset Manager das schon ganz allein im Griff hat. Deswegen halte ich es für sehr wichtig, auch eigene Expertise aufzubauen.

Herr Köhler, wie viele Full Time Equivalents hat Ihre Pensionskasse für Infrastruktur?

Köhler: Von wegen Full Time Equivalents – davon können wir nur träumen. Unsere ­Infrastrukturanlagen mache ich im Nebenamt. Hauptberuflich verantworte ich Global Fixed Income. Die traditionellen Anlagen Fixed Income und Aktien verwalten wir selbst. Unsere erste Infrastrukturanlage, zu der ich wie die Jungfrau zum Kinde kam, habe ich mit der EBL 2013 gemacht. Das war ein Direktinvestment in ein diversifiziertes Portfolio von mehreren Fernwärmenetzwerken mit vorgelagerten Holzschnitzelkraftwerken. An diesem Projekt haben wir über ein Jahr gearbeitet. Weil die Zinsen immer tiefer gingen, habe ich mich da reingekniet. Es war aber auch sehr spannend.

Das war Learning by Doing?

Köhler: Ja. Bei vielen solchen Dingen helfen aber auch der gesunde Menschenverstand und die Erfahrung von über 25 Jahren am Kapitalmarkt, um die nötigen Checks und Plausibilisierungen zu machen. Man kann Modelle in Excel nachbauen und man kann das technische Verständnis nachschärfen. Am Schluss muss es eben plausibel sein.
Gelernt haben wir aber auch, dass wir ­mangels Kapazitäten auf diesem Weg nicht weitergehen können. Wir sind dann auf Fonds umgestiegen. Wir nehmen über Dachfonds etwas höhere Risiken und gehen mit Zielfonds ins Core-/Core+-Segment, wo die Diversifikation nicht ganz so hoch sein muss. Wir haben etwa zwölf Milliarden Schweizer Franken an Assets under Management, davon drei Prozent Infrastruktur-Equity und zwei Prozent Infrastruktur-Debt: da lohnt es sich nicht, ein Team mit drei bis vier Mitarbeitern aufzubauen.

Also quasi der umgekehrte Weg: Sie haben sich von den Assets entfernt.

Stephan Köhler, PK Hoffmann-La Roche, schätzt für Infrastruktur-Investments industrielle Partner.
Stephan Köhler, PK Hoffmann-La Roche, schätzt für Infrastruktur-Investments industrielle Partner.

Köhler: Ich strebe aber bei ein paar wenigen Mandaten einen Sitz im Investorenbeirat oder im Stiftungsausschuss an. Zum ­Beispiel bin ich bei der EBL bei einer Investitionsgesellschaft im Verwaltungsrat. So ­erfahre ich Näheres zu einzelnen Deals, kann Fragen stellen und dazulernen. Das schärft mein Verständnis für Treiber und Risiken. Meine Lernkurve war zunächst senkrecht und hat sich dann abgeflacht. Die gewonnene Expertise hilft mir im Dialog mit den Asset Managern. Hilfreich ist ebenfalls, dass der Manager-Search-Prozess wie bei Private Equity oder Hedgefonds abläuft: Wir schauen uns den Track Record an, ­achten auf die Teams, Produkte, Deal Flow, screenen die Partner und machen eine ­Legal- und Tax-Analyse. Danach geht es in die Tiefe, wofür unsere Kapazitäten aber ­begrenzt sind. Wir können uns aber noch auf die Due Diligence eines Partners stützen.

In Ihren über 25 Berufsjahren haben Sie ­sicher bereits viele Asset Manager ­kennengelernt. Wie unterscheidet sich die Zusammenarbeit mit Energieversorgern?

Köhler: Das sind zwei wirklich völlig unterschiedliche Paar Schuhe. Unterschiede gibt es zunächst in der Sachkompetenz – wobei auch bei den größten Energiekonzernen die Prognosefähigkeit für die Strompreisentwicklung schlecht ist. Deren technisches Verständnis ist allerdings gut. Die Finanzmanager kaufen sich aber zur ­Kompensation die Ingenieure und deren Fachwissen ein. Von daher sehe ich da keinen wirklichen Unterschied. Der größte Unterschied liegt für mich im Alignment of Interests. Wir ­machen es zur Bedingung – die meistens aber sowieso gegeben ist –, dass bei einem industriellen Partner ein wesentlich ­höheres Engagement als bei einem Finanzmanager erfolgt. Der Industriepartner ist dann mit eigenem Geld an zehn bis 30 Prozent des Portfolios beteiligt. Bei einem klassischen Fondsmanager liegt diese Quote bei ­allenfalls einem Prozent. Die ­Incentivierung des Industriellen ist also deutlich höher und das schätze ich sehr.
Nach meiner Erfahrung ist auch der Dialog mit dem Industriepartner etwas tiefer und partnerschaftlicher. Das liegt wohl daran, dass dieser nicht so viele Kunden wie ein global aufgestellter Fondsmanager hat. Der hat tausende von Kunden, und wenn man nicht zu den Top-10-Kunden zählt, dann ist der Dialog eher standardisiert. Das betrifft auch das Reporting.
Eher ein Nachteil ist aber, dass die Pen­sionskasse als Finanzinvestor nicht immer die gleichen Interessen wie der Industrielle hat. Dieser hat zwar auch finanzielle Ziele – aber eben nicht nur. Er will vielleicht stärker in die Anlagen investieren. Über den langen Zeitraum sind die Interessen nicht ­zwingend gleichgelagert. Wenn wir aber mit einem klassischen Asset Manager investieren, sind die Ziele ziemlich gleich. Wir sind beide an hohen IRRs interessiert.
Persönlich finde ich eine Mischung von ­beiden Profilen gut. Ich würde nicht das ­eine Modell dem anderen grundsätzlich vorziehen. Wer nah an die Assets ran will, ist jedoch mit einem Partner aus der Industrie besser bedient.
Grebenarov: Als genossenschaftlicher Energieversorger liegt eine transparente, partnerschaftliche Arbeitsweise quasi in ­unserer DNA. Um die Energiewende ­stärker voranzutreiben, skalieren wir unsere ­Erfahrungen und unser Know-how mit den Finanzmitteln unserer Co-Investoren, um gemeinsam ­gegen den Klimawandel anzugehen, und auch die Chancen dieser Transformation zu nutzen. Um ein klares Alignment of ­Interests zu erreichen, investieren wir in ­allen ­gemeinsamen Investmentstrukturen stets mit substanziellen Beträgen. Zudem ­werden klare Governance-Strukturen gelebt und Fragen bis hin zu technischen Details besprochen. Da wir nah an den Assets sind, lassen wir unsere Partner auch an unseren Erfahrungen teilhaben.

Fällt nicht auch bei den Finanzmanagern der Dialog sehr unterschiedlich aus?

Köhler: In den vergangenen Jahren kamen vermehrt Versicherungen an den Markt, die ihre Ressourcen auch für Kunden außerhalb ihres Konzerns öffneten. Zwischen den Anbietern aus dem Versicherungslager und den reinen Fondsmanagern sind Unterschiede bemerkbar. Letztere betreiben ihr Geschäft oft schon seit Jahrzehnten und ­verstehen ihre Kunden besser. Es ist eben etwas anderes, eigenes Geld oder plötzlich auch Drittgelder zu verwalten. Da müssen Versicherer noch etwas dazulernen.

Peter, jetzt aber los!

Brodehser: Zunächst zu den unterschied­lichen Kompetenzprofilen von Finanz- und industriellen Partnern. Ich stimme Ihrer Aussage, Herr Köhler, völlig zu, dass keine Seite der anderen vorzuziehen ist. Der ­Industriepartner ist ausgesprochen versiert mit Blick auf das Asset. Ein Finanzpartner hat dagegen eher den Portfolioblick. Von ­einem Energiekonzern kann ich alle Details eines PV-Parks bis hin zur Lieferfähigkeit von Modulen sowie deren Lebensdauer und Wartungskosten in Erfahrung bringen. Das ist eine Ausbildung par excellence und man kann nur sagen: Danke, Partner!
Die Sprechfähigkeit eines strategischen ­Investors endet aber sofort, wenn man in ­einen anderen Sektor blickt. So wird man mit dem soeben genannten Energiekonzern keine Mautstraßen erörtern können, die man auch noch im Portfolio hat. Da braucht es einen Partner, der breiter aufgestellt ist.
Vor- und Nachteile sind auch erkennbar, wenn man Asset Manager mit Versicherungen im Drittkunden-Geschäft vergleicht. Der klassische Asset Manager hat seine ­Reporting-Maschinerie. Wer eine Präsentation mit einer bestimmten Auswertung will, der bekommt diese hochprofessionell ­erstellt am nächsten Morgen. Mit ­Reportings auf Knopfdruck haben die Asset Manager kein Problem. Externe Asset Manager sind aber unter Umständen nicht mit der Insti-Perspektive vertraut. Sie kennen deren Probleme nicht aus dem eigenen daily doing. Dabei kann es sich beispielsweise um die Erfassung einer komplexen Infrastruktur­finanzierung in einer speziellen Versicherungs-Software handeln oder um den ­Liquiditätsmanager, der die genaue Aus­zahlung im Jahr 2033 wissen will. Es kommt zum Clash of Cultures. Hier haben Ver­sicherungen, die Dienstleistungen auch ­außerhalb ihres Konzerns anbieten, einen Vorteil. Die wissen auch, wie man aus den bestandsführenden Systemen ESG-Daten zu den Infrastruktur-Assets abfragen kann.
Die ideale Lösung gibt es aber nicht. Viel spricht für eine Kombination aus verschiedenen Kompetenzen.

Kann es nicht auch ein Zuviel an kultureller Nähe geben, Herr Heinke? Hätten Sie in ­Ihren Provinzial- und LVM-Zeiten die ­Angebote anderer Versicherer genutzt?

Heinke: In der Tat gibt es da bisweilen ­Vorbehalte. In der Praxis habe ich es immer so erlebt, dass man auf die Kompetenzen der handelnden Personen achtet und die ­Erfahrung gemacht hat, dass die Vorteile ­einer Zusammenarbeit die Vorbehalte ­überwiegen. Das gilt übrigens auch für ­Zusatzversorgungskassen.
Ergänzend möchte ich zu dem Punkt ­Kompetenzprofile und Reporting-Qualitäten noch die Master-KVG erwähnen. Wir ­arbeiten mit einer Master-KVG und wir ­wollen die liquiden und die illiquiden ­Assets unter einen Masterfonds-Mantel bekommen. Die liquide und die illiquide Welt ­entwickelte sich aber völlig getrennt voneinander und die großen Administratoren ­haben Schwierigkeiten, die illiquiden ­Assets hinzuzunehmen und in ihrer Komplexität darzustellen. Somit wird für uns der Look-through über alle Assets, um zu sehen, in welchen Regionen, Sektoren oder ­Währungen wir wie hoch allokiert sind, ­herausfordernd. Da besteht für Master-­KVGen noch viel Entwicklungspotenzial.

Herr Grebenarov, warum sucht ein ­Versorger Finanzinvestoren?

Grebenarov: Die Erfahrungen aus ­gemeinsamen Investments mit anderen Energieversorgern in Spanien waren für uns sicherlich ein zentraler Baustein ­unserer Lernkurve. Später kam mit der EBL Fernwärme AG die erste Kooperation mit institutionellen Investoren hinzu.
Würden wir uns nur mit Energieversorgern zusammentun, hätten wir keinen Kompetenzgewinn. Neben der Technik und der Energiewirtschaft verstehen wir unter anderem auch ­eine Menge von der EU-Taxonomie, von ESG-Kriterien oder von Umbrella-Strukturen.
Daneben eröffnen Diskussionen im Verwaltungsrat der EBL Wind Invest mit Pensionskassen oder Schweizer Privatbanken jedes Mal wieder neue Perspektiven. Das ist für uns extrem spannend. Wir haben gelernt, wie institutionelle Investoren auf ­bestimmte Themen schauen. Wir wissen jetzt, wie man Themen aufbereiten muss, damit sie bei ­Finanzinvestoren gremientauglich sind. Unser Anspruch ist es, uns täglich zu verbessern und dazuzulernen.

Vermutlich schätzen Sie an Finanzinvestoren aber nicht nur deren Kompetenzen, ­sondern auch deren Eigenkapital?

Grebenarov: Unsere Bilanz ist nicht endlos groß. Trotzdem wollen wir wachsen, die Transformation zur Klimaneutralität aktiv vorantreiben und weitere attraktive Investmentstrategien entwickeln und mit ­Partnern umsetzen. Die CSP-Projekte in Spanien und Italien sind Beispiele für unseren Pioniergeist und unser Unternehmertum. Wenn wir wirklich etwas bewegen ­wollen, macht es Sinn, unsere Industrie­erfahrung mit Finanzinvestoren zusammenzubringen. So können beide voneinander profitieren und die Chancen der ­Energiewende nutzen. Durch die damit einhergehenden größeren Volumen profitieren alle von Skaleneffekten und effizienteren Portfolios. Wie Herr Köhler erwähnte, sind wir aber auch selbst immer signifikant investiert. Bei der EBL Wind Invest sind es 17 Prozent. Wir haben „Skin in the Game“ und Interessensgleichheit mit den Investoren.

17 Prozent sind viel – trotzdem ist es ein Minderheitsanteil. Ist es nicht kurios, dass in einer solchen Konstellation immer der Kleinste die Richtung vorgibt? Wedelt der Schwanz mit dem Hund?

Köhler: Nein, dem ist nicht so! Selbstverständlich vereinbart man zu Beginn ­zusammen eine Strategie. Diese muss mehrheitsfähig sein. Wenn es doch zu ­Unstimmigkeiten kommt, haben die ­Finanzinvestoren mehr Stimmen als der Industriepartner. Die Finanzinvestoren können den Industriellen auch auswechseln.
Grundsätzlich ist es ein sehr partizipativer Ansatz, bei dem man immer auch um eine Lösung ringen muss. Das mag nicht ­jedermanns Sache sein. Mancher möchte einfach diskretionär vorgehen und will, ­solange die Performance stimmt, nichts mit der Sache zu tun haben. Wir entschieden uns in gewissen Investitionen für diesen Weg, auch um zu lernen, um der Sache ­näherzukommen.
Es macht auch mehr Spaß, es ist ein bisschen Unternehmertum. Man kann eingreifen, muss aber auch die Verantwortung für Fehlentscheidungen tragen. Da kann man sich dann nicht davonstehlen.
Brodehser: Ich hätte kein Problem damit, dass ein Minderheitsanteilseigner immer das Sagen hat. Beispiel Offshore-Windpark: Da habe ich meine ­Investitionsentscheidung zwar grundsätzlich auf Basis eines Assets getroffen – aber auch wegen des Industriepartners und dessen Kompetenz. Als ­Fin­anzinvestor bin ich dann auch bereit, auf Autopilot zu gehen. Den Energiekonzernen, mit denen wir investieren, brauche ich auch nicht erklären, wie beispielsweise Offshore-Wind funktioniert. Vielmehr höre ich zu, wenn die sprechen. Das Industrie-Knowhow hat der Partner.
Sicherstellen muss ich aber, dass nicht ­gegen meine Interessen gehandelt werden kann. Dafür braucht es eine passende Governance-Struktur. Da geht es dann beispielsweise um die Vereinbarung von ­Veto- und Mitbestimmungsrechten in ­Fällen wie dem Austausch von wesentlichen Vertragspartnern oder der Aufnahme von Fremd­kapital auf Ebene der Projektge­sellschaft.
Anders ausgedrückt: Man muss verein­baren, wer wann am Steuer sitzt. Das ist für mich zunächst einmal der Industriepartner. Als Finanzinvestor will ich Beifahrer sein oder auf der Rückbank sitzen – keinesfalls aber im Kofferraum eingesperrt werden.
Köhler: So sehe ich es auch. Ich wollte nicht den Eindruck erwecken, dass wir Micro­management betreiben. Aber ein Minderheits-Investorenschutz muss bei den wes­entlichen Entscheidungen gegeben sein.
Häufig ist das Vetorecht eher theoretisch. Es ist gut zu wissen, dass man es hätte, weil es eine Partnerschaft diszipliniert.
Brodehser: Ich habe übrigens noch nie ­einen Dissens mit einem Industriepartner erlebt – nur ein einziges Mal war ich mir mit einem Finanzinvestor grundlegend ­uneinig. Der Partner favorisierte eine internationale Expansionsstrategie und wollte ­alle Erträge reinvestieren. Ich wollte hingegen nicht expandieren und die Erträge nicht reinvestieren, sondern ausschütten.
Divergierender könnten die Interessen nicht sein. Aber wir haben eine gute Lösung gefunden, nämlich dass wir dem Partner unseren Anteil verkauft haben.
Ob Industrie- oder Finanzpartner: Wenn man nicht in die gleiche Richtung schaut, funktioniert es nicht. Dieses Risiko halte ich bei einem Finanzpartner für noch größer.

Sind Ausschüttungen der größte ­Knackpunkt in einer Kooperation?

Köhler: Früher gab es ausschließlich ­Produkte im Private-Equity-Stil: zehn Jahre Laufzeit plus Verlängerung, was nicht wirklich zu langlebigen Infrastruktur-Assets passt. Da musste man unnötigerweise das Geld immer wieder neu anlegen, was Geld und Ressourcen kostet. Persönlich habe ich eine Affinität zu Evergreens.
Heute kann man auch über Strukturen ­diversifizieren. Jede Pensionskasse muss selbst wissen, ob sie lieber Cash oder Wertzuwächse möchte. Das ist je nach Versichertenstruktur verschieden.

Nochmal zum Alignment of Interests: ­Dieses wäre doch zweifellos gegeben, wenn sich der Finanzinvestor an einem Dienstleister beteiligt? Beispielsweise hat sich die Ver­sicherungskammer an der Baywa ­Renewable Energy und an Encavis beteiligt.

Köhler: Die Volatilität einer Aktie ist nicht das, was man bei Infrastruktur sucht. Bei ungelisteten Gesellschaften ist zu befürchten, dass man diese Beteiligungen in ­Stressphasen nur mit sehr großen Abschlägen handeln kann. Dagegen kann man in diesem Fall bei einem Wind-Portfolio, dank vieler Player im Markt, eher eine ­Transaktion darstellen.
Heinke: Solche Beteiligungen sind auf ­jeden Fall spannend. Es hat Vorteile, Dienstleister als Tochtergesellschaften zu haben. Je näher man an den Themen dran ist, desto besser. Allerdings – und diesen Punkt hatten wir schon – braucht es für das Beteiligungs­management personelle Ressourcen, und dafür wiederum eine gewisse Größe. Es braucht aber auch einen langen Atem. In Krisen kann es zu Diskussionen kommen, weil man diese Beteiligungen nicht so ohne weiteres veräußern kann.

Wenn wir über Governance sprechen, dann müssen wir auch über Ökologie und Soz­iales sprechen. Wie setzt die EZVK Nachhaltigkeit im Infrastrukturportfolio um?

Heinke: Für uns als kirchliche Zusatzversorgungskasse ist Nachhaltigkeit sehr wichtig. Man könnte argumentieren, dass Erneuerbare Energien sowieso nachhaltig sind und direkt auf die ökologischen Sustainable ­Development Goals einzahlen. Ob Renew­ables aber auch sozial nachhaltig sind? Nachhaltigkeit ist ein sehr umfassendes Thema geworden, das uns in der gesamten Kapitalanlage beschäftigt. In der Asset-­Klasse Infrastruktur ist es aber besonders herausfordernd, ESG-Daten zu bekommen und allen Nachhaltigkeitsbestrebungen zu entsprechen. In dieser Runde hier waren wir uns ja auch einig, dass man in Infrastruktur diversifiziert und nicht nur konzentriert in Renewables investieren sollte.
Wir haben unseren Managed Account angewiesen, dass er nur Fonds von Managern berücksichtigt, die nachhaltige Anlagekriterien haben und die sich zu den UN PRI ­bekennen. Zudem muss unser Gatekeeper auch unsere allgemeinen Ausschlusskri­terien befolgen. Viele Asset Manager sind noch gar nicht so weit. Diese waren aber ­immer bereit, unsere Vorstellungen in die Investment Guidelines oder zumindest in Side Letter aufzunehmen.

Was ist mit den Widersprüchen zwischen CO₂-Reduktionszielen und Biodiversität und zwischen dem E und dem S?

Köhler: ESG enthält viele sich wider­sprechende Zielsetzungen. Beispielsweise braucht es für Renewables Flächen, die für Tiere und Menschen verlorengehen. Die Energiewende kostet auch Geld. Die Bürger werden finanziell belastet – und dies wäre auch ohne Russland der Fall. Ist das aber in jedem Fall sozial?

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