Asset Management
25. März 2022

Extensive Exklusion

Nichts als Ärger mit Russland haben in diesen Tagen Pensionsfonds. Sie stehen vor der Frage, ob sie ihre Wertpapiere nun zum Papierwert hinauskehren oder zunächst abwarten wollen.

Im Jahr 2018 beschlossen Russlands Herrscher eine Reform des Rentensystems. Künftig sollen Männer erst mit 65 Jahren in Rente gehen und nicht wie bislang mit 60. Die Anhebung macht durchaus Sinn – zumindest für den Staat. Schließlich beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung russischer Männer laut Statista nur etwa 68 Jahre. Der Krieg in der Ukraine könnte nun darauf hindeuten, dass ein weiterer Reformschritt in einer Absenkung der Lebenserwartung besteht.

Das russische Regime macht aber auch den Rentensystemen außerhalb Russlands zu schaffen. Überall stellt sich die Frage, wie nun mit russischen Assets umzugehen ist. Einen recht pragmatischen Ansatz fährt die Schweizer Altersvorsorgeeinrichtung Compenswiss, die etwa ein halbes Prozent ihrer 40 Milliarden Schweizer Franken aus Diversifikationsgründen in russischen Anleihen und Aktien hält: „Da Russland selbst die Schließung seiner Märkte beschlossen hat, stellt sich die Frage nach dem Verkauf der russischen Wertpapiere der Compenswiss vorläufig nicht, weil diese nicht mehr gehandelt werden“, teilt der in Genf ansässige Fonds mit.

Etwas mehr Trouble scheint der norwegische Ölfonds mit seinem Russland-Exposure zu haben, das sich auf etwa 0,2 Prozent beläuft. Zunächst vertrat der neue CEO Nicolai Tangen den Standpunkt, die russischen Wertpapiere nicht quasi zum Papierwert abzustoßen, da dies ein Geschenk für die Oligarchen wäre. Ein paar Tage später wurde Tangen anscheinend von der norwegischen Politik – was einen bislang einmaligen Fall darstellt – überstimmt. Nun bastelt man an einem Plan, wie die Wertpapiere abgestoßen werden sollen.

Ende 2021 war der Ölfonds in knapp 50 russischen Aktien investiert, darunter Gazprom, Lukoil, Sberbank oder VTB Bank. Russische Anleihen hielt der Fonds zu diesem Zeitpunkt nicht. Wer (wie der norwegische Ölfonds) in der Verlegenheit ist, über eine Billion Euro investieren zu müssen, kommt anscheinend auch als eigentlich nachhaltiger Investor nicht umhin, auch in die Aktien der genannten russischen Energietitel und Banken zu investieren.

Ausschluss alternativlos

Nichts als Ärger mit Russland hat auch der dänische Pensionsfonds Akademiker Pension, der umgerechnet knapp 20 Milliarden Euro an Assets auf die Waage bringt. Deren Direktor Jens Munch Holst hat das Land schon länger auf dem Kieker: „Russland ist eines von mehreren Ländern, die seit langem Kandidaten für den Ausschluss sind“, ließ er im Januar gegenüber IPE verlautbaren.

Zum Zeitpunkt der russischen Invasion waren die betroffenen Wertpapiere jedoch noch in den Portfolios des Fonds – aber nicht mehr lange: Am 24. Februar gab Akademiker Pension den Beschluss bekannt, Russland aus dem Anlageuniversum zu verbannen. Dies sei alternativlos gewesen. „Die Invasion ist ein klarer und eindeutiger Verstoß gegen internationale Gesetze und Vorschriften und gegen unsere Politik des verantwortungsvollen Investierens. Daher gibt es keine andere Konsequenz, als Russland auszuschließen“, verkündete Direktor Jens Munch Holst. Der Ausschluss bedeute, dass man so schnell wie möglich russische Staatsanleihen sowie Investitionen in russische Unternehmen, in denen der Staat mehr als 50 Prozent besitzt, veräußern werde. Insgesamt geht es um Anlagen in Höhe von umgerechnet knapp 31 Millionen Euro beziehungsweise 0,2 Prozent des Gesamtportfolios.

Kehraus von Versorgungsunternehmen

Das nachhaltige Management des Fonds hat sich „dank“ des Sektor-Schwergewicht des russischen Aktienmarkts auf Energie aber trotzdem bezahlt gemacht. Vor kurzem erfolgte nämlich der Kehraus von Versorgungsunternehmen, bei denen mehr als 25 Prozent des Energiemixes aus thermischer Kohle stammen. „Die Ziele des Pariser Abkommens erfordern einen raschen Kohleausstieg. Und deshalb glauben wir, dass Unternehmen, die große Kohleverbraucher sind, ein Risiko für uns als langfristige Investoren darstellen. Gleichzeitig kann ein Ausschluss von uns und anderen Investoren dazu beitragen, die Unternehmen dazu zu bringen, die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen“, erklärt Direktor Jens Munch Holst.

Veräußern musste die dänische Vorsorgeeinrichtung Unternehmen im Wert von umgerechnet 83 Millionen Euro. Aufgeführt auf der „Eksklusionsliste – Olie og Gas“ sind unter den insgesamt 120 Unternehmen auch Gasprom, Lukoil, Novatek, Rosneft, Surgutneftegas und Tatneft. Dies dürfte den finanziellen Schaden des Pensionsfonds durch den Post-Invasions-Zwangsverkauf begrenzt haben.

Bezüglich Anleihen kam der Bann aber wohl zu spät. Diesen Februar teilte Akademiker Pension mit, dass man im Laufe des Jahres 2022 auch die fossilen Unternehmensanleihen im Wert von etwa 270 Millionen Euro veräußern werde. „Dies ist wirklich eine Entscheidung, auf die wir im Verwaltungsrat stolz sind. Das ist etwas, was wir schon lange wollten, was aber schwierig war, da wir viele Faktoren berücksichtigen mussten – nicht zuletzt die Rendite für die Mitglieder“, so die Vorsitzende der Akademiker Pension, Janne Gleerup.

Auswirkungen auf das Risiko-Rendite-Profil

Über ihre Rendite können sich die Anspruchsberechtigten eigentlich nicht beschweren. Trotz – oder wohl eher vielmehr wegen – der vielen Ausschlüsse erwirtschaftete Akademiker Pension seit dem Ende der Finanzkrise eine durchschnittliche jährliche Rendite von 9,1 Prozent. Außen vor bleiben unter anderem 48 Staaten wegen Korruption oder Menschenrechtsverletzungen, 261 Unternehmen wegen Förderung oder Verbrauch von Kohle oder 54 Unternehmen, die mit kontroversen Waffen Geld verdienen.

Mit Blick auf die Portfoliotheorie und die zahlreichen Ausschlüsse könnten sich die Mitglieder, insgesamt 150.000 Akademiker, aber Sorgen machen, dass nicht mehr genügend Anlagemöglichkeiten für eine ausreichende Diversifikation bestehen. Darüber haben sich die Verantwortlichen der Pensionskasse anscheinend viele Gedanken gemacht, und zwar in der jüngeren Vergangenheit insbesondere zu fossilen Anleihen. Grundsätzlich würden diese einen großen Teil des Portfolios ausmachen, was bisher im Verkaufsfall eine Herausforderung für die Risikostreuung darstellte. Die Analysen hätten nun aber gezeigt, dass man die fossilen Anleihen verkaufen kann, ohne die Rendite oder die Risikodiversifizierung des Portfolios zu beeinträchtigen.

Bislang sprachen renditebezogene Argumente gegen die Veräußerung von Öl- und Gasanleihen, was die Aufgabe von Akademiker Pension, dass Rendite und Verantwortung Hand in Hand gehen sollten, in Frage stellte. „Als langfristiger Investor sehen wir schon seit einiger Zeit ein deutliches Renditerisiko bei fossilen Aktien. Dies war bei fossilen Anleihen nicht der Fall, da man bei Anleihen viel sicherer ist, sein Geld zurückzubekommen“, erläutert Investmentmanager Anders Schelde. „Wir sehen einen Trend, dass fossile Anleihen, wie fossile Aktien, nun auch mit Blick auf fossile Risiken bewertet werden und dass viele Anleger aus diesem Grund nicht in sie investieren wollen. Dies könnte in den kommenden Jahren zu einem Gegenwind für die Rendite dieser Anleihen führen.“

Akademiker Pension macht trotzdem Druck

Nicht nur bei den Dänen, sondern auch generell sind die Bedenken bezüglich des Risk-Return-Profils im Fall vieler Ausschlüsse zurückgegangen. Ein stärkeres Gegenargument ist mittlerweile, dass bei einer Exklusion die Möglichkeit verlorengeht, Engagements zu machen oder Druck bezüglich Transitions aufzubauen. Diese Sorge teilt Akademiker Pension nicht. Einmal, weil man sich an der Investoreninitiative Climate Action 100+ beteilige, und zum anderen, weil man als Aktionär von Banken Druck auf die Institute ausübe, die die fossile Brennstoffindustrie finanzieren.

ATP investiert in Geothermie

Gerade in Deutschland hat man aber große Bedenken bezüglich einer Energieversorgung ohne russisches Gas. Auch dazu gibt es von unseren nördlichen Nachbarn eine interessante Anregung. ATP, der mit einem Anlagevolumen von knapp 130 Milliarden Euro größte Pensionsfonds Dänemarks, investiert nun in Geothermie.

Die Umsetzung dieses Renewables-Investments geschieht über eine Beteiligung an dem Entwickler Innargi, der in Jütland Geothermie nutzbar machen will. 2030 soll die Geothermie 110 Megawatt erzeugen. „Während Sonne und Winde kommen und gehen, ist die Wärme im Inneren der Erde immer vorhanden. Dies macht die geothermische Energie stabil und erneuerbar, und sie wird benötigt, wenn wir den grünen Übergang erfolgreich gestalten wollen. ATP ist stolz darauf, dieses Projekt zu ermöglichen, welches ein enormes dänisches und internationales Potenzial hat und bei dem sich langfristig ein Gewinn für unsere Mitglieder ergeben wird“, sagt Bo Foged.

Der CEO von ATP erklärt weiter: „Geothermische Energie bietet enorme Perspektiven. Sie kann in der Wärmeversorgung anstelle von Kohle, Gas und Biomasse eingesetzt werden. Daher steht diese Investition im Einklang mit unseren Klimazielen, die wir im Herbst 2021 im Zusammenhang mit der COP26 angekündigt haben.“ So, wie sich die Wikinger einst auf die hohe See hinauswagten – und dabei auch damals schon einem großen Land im Osten die Stirn boten –, so geht es nun für deren Nachfahren also in das Innere der Erde.

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