Vom Ende des Großraumbüros
Die Preisschere an den Büromärkten droht im Zuge der Corona-Pandemie auseinanderzulaufen. Homeoffice und veränderte Hygienekonzepte sorgen für Unsicherheit, welche Büroflächen in Zukunft noch gefragt sein werden. Aber wie finden Investoren langfristig zukunftsfähige Anlagestandorte? Eine neue Studie gibt Hinweise darauf.
Ende April stellte das Immobilienanalysehaus Bulwiengesa mit seiner Fünf-Prozent-Studie 2020/21 die Renditepotenziale an deutschen Immobilienmärkten vor. Für Büroimmobilien prognostizieren die Experten möglicherweise auseinanderdriftende Renditen: Während die Anfangsrenditen für Core-Objekte mit bonitätsstarken Mietern in Top-Lagen zuletzt leicht gesunken sind, würden Immobilien mit erhöhtem Risikoprofil mit Aufschlägen versehen. Dabei hat Bulwiengesa die wahrscheinliche interne Verzinsung (IRR) einer Investition bei einer Haltedauer von zehn Jahren errechnet. „Bei Ausnutzung aller Hebel wie Leerstandsabbau und Mietanpassung sind bis zu 8,3 Prozent in den A-Städten erzielbar, in kleineren Märkten sogar bis zu zwölf Prozent. Auf der anderen Seite steht ein erhöhtes Cashflow-Risiko, das sich in negativen Renditen von bis zu minus vier Prozent widerspiegelt. Allerdings sind Non-Core-Transaktionen noch relativ selten – die Preiserwartungen von Käufern und Verkäufern gehen auseinander. „Hier dürfte es 2021 noch Bewegung geben, vor allem dann, wenn der Verkaufsdruck aufgrund von Liquiditätsengpässen wächst“, so die Studie. Die Nettoanfangsrendite liegt im Durchschnitt der A-Städte bei 2,8 Prozent und sei damit im Vergleich zum Vorjahr stabil geblieben. In diesen Werten spiegele sich auch die Erwartungshaltung an künftige Mietentwicklungen wider, so Bulwiengesa.
Der Frage, welche Standorte als zukunftsfähig gelten können, ist der Asset Manager Wealthcap in einer Langfrist-Studie aller Bürostandorte der deutschen Top-7-Städte nachgegangen. Die Scoring-Studie „Future Office“ wertet dabei die Zukunftsfähigkeit von 94 verschiedenen Bürolagen in Deutschland nach Macro- und Microgesichtspunkten aus. Untersucht wurden die Büromärkte in Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt und München sowie Düsseldorf und Stuttgart. Neben der Feststellung der Zukunftsfähigkeit eines Standortes war es das Ziel, die verschiedenen Lagen Investitionszielen zuzuordnen, zum Beispiel, ob sie sich für eher Cashflow-orientierte Investoren eignen, die Wert auf Stabilität legen, für risikobewusste Anleger, die Volatilität scheuen, oder für solche, die nach Wertsteigerungspotenzial suchen. „Ausgerechnet in Zeiten von Covid-19 eine Langfrist-Studie aller Büroteilstandorte der deutschen Top-7-Städte zu veröffentlichen, mag für manche Marktbeobachter ein überraschendes Timing sein. Wir sind jedoch der festen Ansicht, dass gerade jetzt eine fundamentale Analyse handverlesener Indikatoren Lehren aus vorangegangenen Krisen erlaubt und damit für Investoren relevanter denn je ist“, erklärt Achim von der Lahr, Geschäftsführer von Wealthcap, zur Veröffentlichung der Studie im Dezember vergangenen Jahres.
Scoring für 94 Bürostandorte in Deutschland
Das Scoring basiert dabei auf Daten von Bulwiengesa und wurde in einem mehrstufigen Verfahren in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) und erfahrenen Immobilienexperten erstellt. Professor Carsten Lausberg, Risikomanagement-Experte von der HfWU, war maßgeblich an der Entwicklung des Scorings beteiligt. „Wir haben uns angeschaut, welche grundsätzlich replizierbaren Daten uns für das Scoring zur Verfügung stehen, die sich für künftige Prognosen eignen sowie eine Übergewichtung ausschließen, und haben diese Indikatoren in Workshops mit externen und internen Experten verprobt und validiert“, erläutert Julian Ranga Lal, Manager Research bei Wealthcap. Als die sechs relevanten Indikatoren für Macrolagen stellten sich heraus: Spitzenmiete, Flächenumsatz, die belegte Bürofläche sowie Entwicklungspipeline als auch die Nettoanfangsrendite und das Bevölkerungswachstum. Für das Microlagen-Scoring sind die ersten vier Indikatoren gleich dem Makroscoring, statt Nettoanfangsrendite und Bevölkerungswachstum interessieren hier die ÖPNV-Anbindung und die Nahversorgung etwa durch Gastronomie und Lebensmitteleinzelhandel.
„Die erste Erhebung der Studie erfolgte auf Basis von Daten von vor der Pandemie, aber das Scoring lässt sich mit aktuellen Daten füttern und dementsprechend der Entwicklung am Büromarkt im Zuge von und nach Corona anpassen“, so Lal weiter. Ein wichtiges Ergebnis der Studie deckt sich mit den Erwartungen institutioneller Investoren, die derzeit nach Core-Objekten suchen: „Citylagen mit relativ niedrigen Anfangsrenditen eignen sich vor allem wegen der höheren Stabilität insbesondere für Cashflow-orientierte Investoren. So eignet sich beispielsweise der Berliner Hauptbahnhof für Cashflow-orientierte Investoren. „Unser Scoring ergibt aber auch, dass Berlin Hauptbahnhof unter Gesichtspunkten des Cashflows und der Wertänderung beispielsweise ein passenderer Büro-Standort sein kann als zum Beispiel die Münchener Innenstadt, wo die Wertstabilität im Fokus liegt“, nennt Lal ein Beispiel aus den 94 untersuchten Standorten.
Die Studie hat den Flächenumsatz als maßgebliche Größe ausgemacht, der die zukünftige Entwicklung der Mieten und Leerstände bestimmt. Zugleich definiere die Ausgewogenheit von Flächenbedarf- und Neubau einen gesunden Teilmarkt. Auch die Volatilität wurde untersucht: Hier weist Stuttgart beispielsweise einen niedrigeren Wert auf als Berlin. Randlagen bieten entsprechend die größten Wertsteigerungspotenziale. Sebastian Zehrer, Leiter Research bei Wealthcap, fasst die Kernergebnisse der Studie so zusammen: Der Flächenumsatz ist im Zusammenspiel einer der bestimmenden Faktoren für die Büro-Renditen: Sinkt beispielsweise der Flächenumsatz bei gleichzeitig erhöhten Flächenneuzugängen, besteht die Gefahr steigender Leerstände und sinkender Mieten, die wiederrum das Preisniveau von Immobilien negativ beeinflussen.“
Wie die Wealthcap-Studie erwähnt, erwartet man in vielen Branchen ein hybrides Arbeitskonzept wo Homeoffice neben der Büroarbeit gleichberechtigt besteht. „Homeoffice wird ein Add-on sein, kein Ersatz für den Büroarbeitsplatz“, so Sebastian Zehrer. Etwas anders sieht das Andreas Trumpp, Head of Research Europe bei Savills Investment Management. „Die durch Corona erzwungene Situation hat bei den Arbeitgebern Vertrauen in das Arbeiten von Zuhause gebildet. Vielfach wird es künftig eine Mischung aus Homeoffice und Büroarbeit geben, Mitarbeiter werden rotieren und Desksharing betreiben und es werden andererseits mehr Räume für Meetings und Recreation Areas für die gegenseitige Begegnung und den kreativen Austausch benötigt.“ In Summe glaubt jedoch auch Trumpp nicht an eine starke Reduzierung der Flächennachfrage. „Das Büro wird das Zentrum der Unternehmenskultur bleiben. Und demzufolge werden zentrale CBD-Lagen und sehr gut erreichbare Standorte mit Einrichtungen zum Einkaufen und Gastronomie weiter stark nachgefragt werden“, so Trumpp. Hingegen sieht er in suburbanen Lagen und schlecht angebundenen Agglomerationen ohne Versorgungsmöglichkeiten die Möglichkeit von Preisanpassungen. „Im Core-Bereich sind wir sehr zuversichtlich, dass wir nur wenig Auswirkungen spüren, aber natürlich sehen wir mehr mietfreie Monate oder Baukostenzuschüsse.“
Mehr Incentives gefragt
Fragt man Property Manager, sind zumindest stagnierende Mieten im Zuge der Corona-Krise ein durchaus denkbares Szenario. „Das Thema Mietsteigerungspotenzial in nahezu allen Lagen ist auf absehbare Zeit zu Ende. Mietpreise werden sich konsolidieren und in vielen Lagen nach unten entwickelt“, sagt Markus Reinert, Vorsitzender der Geschäftsführung und CEO des Property Managers IC-Immobilien-Gruppe. „Wo wir zuletzt zum Beispiel einen Leerstand von 1,5 Prozent hatten, könnte dieser wieder auf bis zu fünf Prozent steigen. Er wird sich aber mittelfristig in jedem Fall erhöhen, auch Incentives spielen bereits wieder eine entscheidende Rolle, wie zum Beispiel bei Neuvermietungen beziehungsweise Prolongationen einige Monate mietfrei anzubieten oder Ausbaukostenzuschüsse zu gewähren – solche Subventionen muss der Investor erstmal über die Vertragslaufzeit wieder kompensieren.“
Die aktuelle Lage, bei der oft circa 30 bis 50 Prozent der Mitarbeiter gar nicht im Büro sind, mindere aktuell den weiteren Bedarf an Flächen. Dabei wird es je nach Branche sehr unterschiedliche Szenarien geben. „Bei den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften oder großen Anwaltskanzleien, die schon vor der Krise weitestgehend in Einzelbüros gearbeitet haben, wird es weniger Änderungen geben als bei anderen Corporates, bei denen es Homeoffice und Mobiles Arbeiten in viele Varianten geben wird.“ Für das Großraumbüro, wie es in manchen Branchen zuletzt en vogue war, sieht Reinert dagegen keine Zukunft: „Das klassische Großraumbüro, so wie wir es kennen, mit Arbeitsplätzen für 20 bis 50 Mitarbeiter und mehr in einem Raum, wird nach Corona Geschichte sein.“
Sinkende Anfangsrenditen bei Core-Objekten, eine verstärkte Spreizung der Renditen je nach Risikoprofil und anhaltende Unsicherheit über die künftige Entwicklung am Büroinvestmentmarkt sind einige der derzeit heiß diskutierten Fragen. Investoren sollten neben Macrofaktoren auch auf Microlagen und damit auf eine gute Verkehrsanbindung mit guter Nahversorgung achten, um für Wertstabilität zu sorgen.
Autoren: Daniela EnglertSchlagworte: Büro | Gewerbeimmobilien | Immobilien
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