Pensionskassen
27. Mai 2021

Nachhaltigkeit in der VBV: Organisation, strategische Zielbildung, operative Umsetzung

Gastbeitrag von Günther Schiendl, Mitglied des Vorstandes der VBV-Pensions­kasse Aktiengesellschaft und VBV Betriebliche Altersvorsorge AG.

Die VBV Gruppe ist Österreichs ­führende und größte Gruppe im ­Bereich nachhaltiger betrieblicher ­Alters- und Abfertigungsvorsorge und verwaltet über 13 Milliarden Euro an privatem von den Arbeitsgebern für ihre MitarbeiterInnen einbezahlten Sozialkapital für über drei Millionen Menschen. Die VBV hat eine langjährige Tradition im nachhaltigen Asset Management – und entwickelt die eigene Nachhaltigkeitsstrategie laufend weiter.

Die VBV arbeitet gemäß gesetzlichem Auftrag ausschließlich im Interesse unserer Versicherten, unserer „Berechtigten“ – ein ­öffentliches Ziel wird nicht mit privatem Geld verfolgt – außer ein öffentliches Gut wie „Klimaschutz“ dient ebenso dem privaten ­finanziellen und qualitativen Ziel. Die Anfänge im nachhaltigen Asset Management reichen bis 2003 zurück. Die nachhaltigen Strategien, Initiativen und Maßnahmen der vergangenen 20 Jahre standen unter dem Leitprinzip „Ertrag mit Verantwortung“ und „nachhaltiges Investieren“.

Nach einer Schärfung des Nachhaltigkeits-Zugangs durch die ­Integration von Umwelt („Environment“), Menschen und Sozialem („Social“), sowie guten Organisations- und Kontrollprinzipien („Governance“) wird seit dem Jahr 2015 ein integrierter ESG-­Ansatz, ­ver­bunden mit einer fokussierten ­Kriterienselektion und einem Best-in-Class-Ansatz verfolgt. Das heißt, dass ESG-Faktoren Teil ­einer jeden Investmentstrategie der VBV sind und ent­sprechend in den Investment­entscheidungen berücksichtigt und umgesetzt werden.

Unsere bisher im Wesentlichen rein finanzielle treuhänderische Verantwortung für unsere Versicherten hat die EU Sustainable ­Finance Regulierung um Umwelt und ESG-Aspekte erweitert. Aus unserer eigenen Überzeugung und Verantwortung heraus haben wir diese Aspekte schon weit früher gelebt. Seit vier Jahren ­be­fassen wir uns in unseren Portfolien – aber auch als Unternehmen selbst im Rahmen des Umwelt-Management-Systems mit einem nachhaltigen Bürobetrieb, Lieferantenbeziehungen und ähnlichem – gezielt mit Strategien und Maßnahmen, die Erderwärmung gemäß dem Pariser Klimaziel auf 1,5 Grad, jedenfalls aber unter zwei Grad versus vorindustrieller Zeit zu begrenzen.

EU Sustainable Finance Regulierung

Nachhaltiges Investieren wurde spätestens 2020 Mainstream. Dies liegt an regulatorischen Entwicklungen wie der EU Sustainable ­Finance Regulierung mit den drei Verordnungen zu nachhaltigkeitsbezogenen Offenlegungspflichten (SFDR), Taxonomie und Klima-Benchmarks. Seit 10.03.2021 müssen gemäß SFDR unter anderem Strategien zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken ­veröffentlicht werden. Zuvor waren die vergangenen zwei Jahre sehr stark geprägt durch eine Vielzahl von ‚Guidelines‘ und ­‚Recommendations‘ von Organisationen wie TCFD, UN PRI oder EFRAG, sowie von ‚Leitfäden‘, ‚Empfehlungen‘, ‚Anforderungen‘, ­‚Discussion Papers‘ der Aufsichtsbehörden Eiopa, Esma, Eba, ­Bafin, FMA, EZB. Ihr aller Ziel war, die beaufsichtigten Institutionen – die SFDR spricht auch von „Finanzmarktteilnehmern“ – auf die aufsichtsrechtlichen Standards und Erwartungshaltungen vorzubereiten und hinzuführen.

In diesen Leitfäden wird wiederholt auf entsprechend geeignete Governance-Strukturen in den Unternehmen hingewiesen, sodass die Nachhaltigkeits-Chancen und Risiken von einer gut struktu­rierten Organisation mit klaren Entscheidungsstrukturen und ­Prozessabläufen kompetent erfasst, gemessen, bewertet und ­gesteuert werden können.

Organisation

Die VBV ist seit Jahren Mitglied der UN PRI (UN Principles of ­Responsible Investment). Wir haben uns daher schon vor der EU Sustainable Finance Regulierung mit Governance, Policies, Zielen, Strategien und nachhaltigen Portfolios beschäftigt. Besonders hinzuweisen ist diesbezüglich auf die TCFD-Recommendations, die eine Blaupause für viele der aktuellen Regulierungen darstellen. Aufgrund der PRI-Mitgliedschaft und des verpflichtenden ­Reportings für Mitglieder haben wir viel Energie in Organisations- und Prozessentwicklung, nachhaltige Zielbildung, Strategie­entwicklung und Portfolioaufbau investiert sowie umgesetzt – und waren somit auf die Anforderungen der neuen EU-Nachhaltigkeits-Regulierung vorbereitet.

Im Sommer 2020 waren die regulatorischen Anforderungen und aufsichtsbehördlichen Erwartungshaltungen weitestgehend klar. Somit konnten wir das Update unserer Strukturen, Prozesse und strategischen Ziele finalisieren.

Strategische und strukturelle Nachhaltigkeit ist Chefsache

Ganz oben in der Governance-Struktur der VBV ist unser ­Aufsichtsrat mit den Grundsätzen des nachhaltigen Asset Management und der Verantwortung von Vorstand und Schlüssel­funktionen vertraut. In einem neu geschaffenen ­Vorstandsgremium bezüglich strategischer Nachhaltigkeit haben wir ausgewählte langfristige Oberziele im Sinn der Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen (SDGs) definiert (siehe Box rechts). Zuvor ­wurden alle 17 SDGs mit all ihren 169 Unterzielen vom Asset ­Management auf konkrete „Investierbarkeit“ überprüft und die am effizientesten über unsere Investments umsetzbaren SDGs ausgewählt. Diese Oberziele bilden den obersten Rahmen nachhaltiger Investmentziele in der VBV-Gruppe und sind stimmig mit den langfristigen finanziellen und qualitativen Zielen für unsere Ver­sicherten. Die SDGs, die nicht bevorzugt „investierbar“ sind, ­werden gegebenenfalls über ausgewählte Engagement-Aktivitäten verfolgt. Dieses Vorstandsgremium beschließt übrigens auch das Umweltprogramm der VBV gemäß EMAS, dem europäischen ­Umweltmanagementsystem.
Unsere Überlegung zum ersten Oberziel war, dass für uns als ­Pensionsvorsorgeeinrichtung das oberste Ziel ganz klar der Mensch ist, „die Sicherung des Lebensstandards von Menschen über ­Generationen“. Damit meinen wir übrigens alle, alt und jung, die wir ein Erwerbs- und Ruhestandsleben lang begleiten. Wir wollen durch verantwortungsvolle, ertragreiche Investments zur ­Sicherung der Lebensqualität von Menschen über Generationen beitragen, ein Ansparvermögen aufbauen, aus dem dann eine lebenslange Zusatzrente ausbezahlt wird.

Beispiel für Umsetzung der Oberziele

Die Oberziele 2, 3 und 5 resultieren aus der Erkenntnis und Überzeugung, als nachhaltiger und verantwortungsvoller Investor von Sozialkapital, aber auch selbst in der Funktion des obersten Entscheidungsträgers, jetzt konkrete Maßnahmen und Handlungen zu setzen. Dies resultiert auch aus der Erkenntnis der UN PRI, dass bei einem Nicht-Handeln der politischen Entscheidungsträger in den Jahren 2020-25 ab 2025 gezwungener Maßen mit einer ­inevitable policy response zur rechnen ist, also mit ­verschärften ­politischen Entscheidungen, die zu lange aufge­schoben wurden.

Wir wollen durch unsere Investments den ­nachhaltigen Energiewandel durch die Entwicklung innovativer Technologien und ­erneuerbaren Investitionen unterstützen. Die Umsetzung und ­Realisierung erfolgt dabei zu einem großen Teil über die Aktienportfolios unserer Gruppe.

Die operativen Bereiche Asset- und Risk Management setzen die strategischen Oberziele in konkreten nachhaltigen Asset-Klassen-Strategien, wie sie für Aktien, Anleihen, Immobilien, Infrastruktur und Private Debt definiert sind, auf Produktebene um. Sie steuern, überwachen, messen, und berichten Fortschritt und Zieler­reichung. Im Risikomanagement werden Nachhaltigkeitsrisiken einerseits als Teil der klassischen – weil auch über sie wirkenden – finanziellen Risiken identifiziert, gemessen, gemeinsam mit dem Asset Management beurteilt, gegebenenfalls vermieden/mitigiert/abgegeben oder auch eingegangen.

Operative Nachhaltigkeit in Asset und Risk Management

Grafik: Durchschnittsperformance der VBVZusätzlich wurde ein neues Skill-Set auf- beziehungsweise aus­gebaut, eine Tool-Box aus Klima-Impact-Modellen, Heatmaps, ­Asset Screenings und Klimastress-Szenarien getestet, erschlossen, in der Anwendung auf konkrete Portfolien auf Relevanz, Aussagekraft und Praktikabilität geprüft. Feststellbar waren dabei zum ­einen eine ungeheure Motivation der Asset- und Risk Management Teams, zum anderen aber auch Synergien mit dem Umwelt­management-Team. ESG-, Nachhaltigkeits-, Klimarisiken – aber ebenso die damit verbundenen Chancen – werden unter anderem wie im links stehenden Begleitkasten aufgeführt, erfasst, ­adressiert, gesteuert, umgesetzt.

Nachhaltigkeit hat finanzielle Auswirkungen

Zum Skill-Set eines professionellen und erfolgreichen Pension Fund Asset Managements gehören neben den prozessualen und technischen Standards fortlaufend angepaßte Investment-Stra­tegien, Alternativ- und Stress-Szenarien, Risiko-Management Tools und Instrumente – und Menschen mit Ausbildung, Erfahrung und Gespür, aber auch Neugier, sich mit einer neuen Materie wie ­Klimawandel zu befassen, positiv dazu beizutragen und als inte­gralen Bestandteil des langfristigen Kerngeschäftes zu integrieren. Die finanziellen Auswirkungen der Nachhaltigkeit an den Finanzmärkten sind in den vergangenen beiden Jahren immer deutlicher sichtbar geworden. Investoren müssen sich aus vielen finanziellen und regulatorischen Gründen damit befassen.

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