Von Aktien, Emerging Markets und Karotten
„Schwellenländer-Aktien“, „passiv“ und „Nachhaltigkeit“ klingt wie ein magisches Dreieck. Allen drei Ecken gerecht zu werden ist diffizil. Einen investierbaren Weg hat nun der schwedische Pensionsfonds AP1 im Verbund mit LGIM gefunden.
Schwedens Pensionsfonds schätzen Aktien, sind Pfennigfuchser und ESG-Schrittmacher. Die Wikinger investieren ein bis zwei Drittel ihrer Assets in Aktien und managen diese aus Kostengründen am liebsten selbst. Von den staatlichen Buffer Funds AP1 und AP3 ist zu erfahren, dass diese die Anteilsscheine intern verwalten und Asset Manager nur für speziellere Segmente wie Emerging Markets oder ausländische Small Caps mandatieren. Die hohen Aktienquoten resultieren in langfristig hohen Renditen und der do-it-yourself-Ansatz in niedrigen Kosten. Das Renditeziel von AP1 liegt bei realen drei Prozent pro Jahr über einen rollierenden 10-Jahres-Zeitraum, erzielt hat man in Stockholm mit im Schnitt 6,7 Prozent mehr als doppelt so viel. Die Verwaltungskosten der Defined-Contribution-Einrichtungen liegen in der Regel unter 20 Basispunkten. AP3 gibt für 2019 für die Asset Management Cost Ratio einen Wert von gerade einmal neun Basispunkten an. Als langfristige Investoren beschäftigen sich die AP-Fonds – und auch die anderen schwedischen Pensionsfonds – intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit. Für AP2 sind Green Bonds sogar eine eigene Asset-Klasse.
Im Rahmen eines längeren Projekts hat sich AP1 mit dem Thema beschäftigt, wie sich nachhaltiger in den Schwellenländern investieren lässt. Resultat der Überlegungen ist ein nachhaltiger Indexfonds, der gemeinsam mit Legal & General Investment Management (LGIM) konzipiert wurde. Ziel der Fondsentwicklung war, dass dieser mehrere ESG-Dimensionen abdeckt. AP1 verwaltet umgerechnet etwa 35 Milliarden Euro. Davon sind circa fünf Milliarden Euro in Aktien der Schwellenländer über externe Dienstleister aktiv, systematisch und passiv investiert. „Aus Kostengründen investiert AP1 auch in den Schwellenländern teilweise passiv“, erläutert Tina Rönnholm, die die extern gemanagten Kapitalanlagen von AP1 verantwortet, im Gespräch mit portfolio institutionell. Nachhaltige Aspekte wurden bislang über Ausschlüsse und Stimmrechtsausübungen abgedeckt, was jedoch zur Frage geführt habe, wie man nachhaltige Investments forcieren könnte, wenn man passiv investiert. Schwierig war es, einen Anbieter zu finden, der dem holistischen ESG-Ansatz von AP1 gerecht wird. „E, S und G sind uns wichtig. Am Markt findet man aber vor allem fokussierte Produkte“, so Rönnholm und nennt „Carbon Reduction“ als ein Beispiel. „Und das war genau der Grund für unser Fondsprojekt: mehrere ESG-Dimensionen abdecken zu können.“ Tina Rönnholms Kollege Majdi Chammas ergänzt: „Die transparente Behandlung mehrerer ESG-Dimensionen wird nach unserer Überzeugung sowohl den Wandel als auch den Shareholder Value vorantreiben und uns gleichzeitig die Risiko- und Renditemerkmale bieten, die wir von passiven Investments erwarten. Darüber hinaus denken wir, dass langfristige Investoren wie wir selbst die Verantwortung haben, den Wandel durch die Allokation unseres Kapitals zu beeinflussen. Wir haben uns daher entschieden, diese Strategie in einem Fondsformat zu lancieren, so dass gleichgesinnte Investoren die Möglichkeit haben, mit uns zusammen zu investieren.“
Der Fonds, der mit einem Better-in-Class-Ansatz und Ausschlüssen arbeitet, bildet den Solactive L&G Emerging Markets Future Core Index ab. Dieser wurde von LGIM entwickelt und wird von dem in Deutschland ansässigen Indexanbieter Solactive berechnet. Bei dem Fonds handelt es sich um einen irischen Icav, der die europäischen Ogaw-Standards erfüllt. Volker Kurr, Head of Europe Institutional bei LGIM, betont die Kosteneffizienz bei breiter Diversifikation. „Der Index bildet 1.125 Aktien ab.“ Der MSCI-Emerging-Markets-Index besteht aus rund 1.400 Titeln.
Vergleicht man die Top-10 des MSCI EM und des Future Core EM kommt Taiwan in der nachhaltigen Version auf einen um fünf Prozentpunkte höheren Anteil, China und Südkorea verlieren dagegen an Gewicht. Bei den Sektoren gewinnen vor allem Financials, Technology und Consumer Services auf Kosten von Basic Materials und Oil & Gas. Der Tracking Error liegt bei etwa zwei Prozent. Die Dividendenrendite des ESG-Index beziffert LGIM mit 1,84 Prozent, der „große Bruder“ kommt dagegen auf 2,3 Prozent.
Bei den Einzeltiteln fällt zunächst die Top-Platzierung von Taiwan Semiconductor im Future Core ins Auge. Mit einem Gewicht von acht Prozent in dem Nachhaltigkeitsindex kommt das Unternehmen auf zwei Prozentpunkte mehr als im klassischen Indexpendant, wo es nur für Platz drei reicht. Alibaba, Tencent und Samsung Electronics können ihre Positionen verteidigen. In den Top-10 des Future Core, aber nicht im MSCI EM, sind Infosys – mit einer Höhergewichtung von 1,22 Prozentpunkten – und KE Holding enthalten. In den Top-10 des MSCI EM, aber nicht im Future Core sind Reliance Industries und die China Construction Bank enthalten.
Am Rande: Eine solche Einzeltitel-Betrachtung ist nicht unwesentlich. Denn eine Entwicklung wie in den USA, wo die fünf Faang-Aktien die Performance des S&P500 bestimmen, zeichnet sich für Tim Love, Schwellenländer-Aktienspezialist bei GAM Investments, auch im EM-Universum ab. „Wir bezeichnen diese Gruppe starker, innovativer Unternehmen mit dem Sammelbegriff START – für Samsung Electronics, Tencent Holdings, Alibaba Group, Reliance Industries und Taiwan Semiconductor“, so Love. „Unseres Erachtens wird Start an den Schwellenmärkten zu einem vergleichbar bedeutenden Akronym werden wie Faang in den USA und die Performance der gesamten Anlageklasse entscheidend beeinflussen. Wir haben diese Aktien auf Basis ihrer Marktdominanz, Führungsposition, Nachhaltigkeit und Umsetzungskompetenz sowie ihres Wachstumspotenzials und Wertversprechens identifiziert.“
Schlussendlich stellt sich wie bei jedem ESG-Ansatz die Frage nach der Wirkung. „Diese Indexlösung basiert auf der Grundüberzeugung von LGIM, dass wir durch die Ausübung unserer Rechte und Positionen als einer der weltweit führenden Vermögensverwalter die Handlungen und das Verhalten der Unternehmen, in die wir im Namen unserer Kunden investieren, beeinflussen können“, erklärt Volker Kurr. „Wir glauben, dass dies zu positiven Veränderungen bei den Unternehmen und auf den Märkten, in die wir investieren, führen wird. Dies schlägt sich letztlich in einem langfristigen Wert für unsere Kunden nieder.“ Die ESG-Bewertungen, die die Unternehmen erhalten, sind laut LGIM vollständig transparent. „Die Firmen werden also darüber informiert, was sie tun müssen, um sich zu verbessern“, so Kurr.
Auch wenn man wie AP1 einen relativ großen Teil des Anlagevermögens in Unternehmen der Emerging Markets investiert, dürfte der von Kurr erwähnte Einfluss auf das Verhalten der Unternehmen gering sein, solange der Fonds noch klein ist. Darum handelt es sich um ein Better-in-Class als Fondslösung auf Basis eines Scoring-Modells, um mit mehr Assets die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, die Unternehmen auf einen nachhaltigeren Weg zu bringen. „Wir wollen keine Nischenstrategie, sondern im Gegenteil eine Core-Strategie für die Zukunft schaffen“, spielt Rönnholm auf die Indexbezeichnung an.
Konditionierung der Unternehmen
Das Kapital wird danach investiert, wie gut die Unternehmen bei den ESG-Kriterien abschneiden. Diejenigen mit einer guten Bewertung erhalten im Vergleich zu ihrer Marktkapitalisierung eine höhere Gewichtung, während diejenigen mit einer schlechten Bewertung geringer gewichtet werden. Tina Rönnholm: „Dieses Gewichtungsschema ist die Karotte, die wir den Unternehmen hinhalten. Je größer der Fonds, desto größer die Karotte.“
Autoren: Patrick EiseleSchlagworte: Aktien | Emerging Markets / Schwellenländer | Nachhaltigkeit/ESG-konformes Investieren
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