Vom Jetset in den Staatsdienst
Ein außergewöhnliches Wochenende
„Es war ein in jeder Hinsicht außergewöhnliches Wochenende. Chapeau!“, freute sich der Chef des norwegischen Ölfonds, Yngve Slyngstad, Ende November 2019 in einer privaten Mail. Spaß hatte es gemacht, das Wochenende, welches er mit rund 30 weiteren Größen der norwegischen Politik und Wirtschaft in Philadelphia verbrachte, unter anderem mit dem damaligen Wirtschafts- und heutigen Arbeitsminister, dem Generalstaatsanwalt, einem ranghohen Militär, einem Buchverleger und einer früheren Spitzensportlerin sowie der früheren Chefin des Arbeitgeberverbands. Soweit nichts Ungewöhnliches, denn diese Gesellschaft dürfte Sylngstad schon Berufes wegen oft haben. Pikanter ist vielmehr, dass der ganze Spaß – Konferenz in Philadelphia, exquisites Konzert von Sting für die rund 150 Gäste, anschließend Rückflug im Privatjet – aus der Portokasse seines mittlerweile designierten Nachfolgers Nicolai Tangen finanziert wurde. Die Berufung erfolgte erst einige Monate nach der gemeinsamen Reise, die eine norwegische Zeitung aufdeckte und die einen Entrüstungssturm auslöste. Überraschend, denn Tangen stand nicht auf der offiziellen Kandidatenliste.
Privatjet-Besitzer Tangen wird dennoch ab September die Nachfolge von Slyngstad antreten. Der zeigte sich lernfähig: „Der Unterschied zwischen meinem alten Leben, in dem ich mein eigener Chef war, und meinem neuen Leben ist größer, als ich gedacht hatte. Aber jetzt beende ich mein altes Leben, und das wird sicher gutgehen.“ Zur Beendigung des alten Lebens gehört auch die Übertragung seiner Anteile an seiner Investmentgesellschaft AKO Capital an seine Stiftung, die er vor Jahren gemeinsam mit seiner Frau ins Leben rief.
Tangen ist er eher vom Schlage Bill Gates als Paypal-Gründer Peter Thiel: Wie ersterer will er über die Hälfte seines Vermögens spenden und freut sich nun über seinen Beamtenjob, welcher Thiel, der von schwimmenden Inseln vor der kalifornischen Küste träumt, fernab von den gierigen Klauen des Staates, aber nah genug an der Gesellschaft, die ihm einen solchen unverschämten Reichtum ermöglichte, wohl ein Graus sein dürfte. Von schwimmenden Inseln profitierte Tangen gleichwohl: Der Fonds seiner Investmentgesellschaft ist auf den Cayman-Inseln inkorporiert, ein privater Trust in der Steueroase Jersey.
Darüber sind in Norwegen wohl nun Debatten entbrannt: Während einige in Frage stellen, ob es denn angebracht sei, den Bock nun zum Gärtner der Staatsfinanzen zu machen, heben andere die berufliche Erfahrung hervor. In der Tat: In Gesprächen mit der Deutschen Bank, HSBC und BNP Paribas sowie inselbewohnenden Hedgefonds und Private-Equity-Gesellschaften dürfte man so in Zukunft viel schneller in ein offenes Gespräch bezüglich den wesentlichen Punkten übergehen können als bisher.
Slyngstad geht durch die Affäre leicht angeschlagen durch sein letztes Dienstjahr. Immerhin die Returns der vergangenen Jahre sprechen für Slyngstad. Diese erlauben nun einen ganz tiefen Griff in die Staatskasse: 419 Milliarden Kronen (rund 38 Milliarden Euro) oder 4,2 Prozent des Vermögenswertes des Fonds zu Jahresbeginn sollen nun zur Krisenbewältigung eingesetzt werden – laut der FAZ für Arbeitslosenunterstützung, Hilfen für Unternehmen und Investitionsanreize für die Ölindustrie. Die eigentliche maximale Grenze für Entnahmen liegt bei drei Prozent. Grundsätzlich soll der Fonds ja der Altersvorsorge der Norwegerinnen und Norweger dienen. Doch – so werden sich die Entscheidungsträger im Finanzministerium wohl gesagt haben – was nützt eine auf dem Papier stabile Altersvorsorge in einer Welt, in der die Wirtschaft auseinanderbricht?
Auseinanderbrechen werden die globalen Aktienmärkte nicht gleich. Doch der wohl nun erfolgende Abverkauf von Assets des weltgrößten Investors, der 1,5 Prozent aller weltweiten börsennotierten Aktien hält, könnte dennoch seine Spuren hinterlassen. In der Hedgefonds-Welt spekuliert man deshalb bereits auf gewinnbringende Short-Verkäufe. Vielleicht wird ja auch AKO Capital daran beteiligt sein?
Ein solch außergewöhnliches Wochenende wünscht Ihnen auch Ihre Redaktion von portfolio institutionell! Aber passen Sie auf, wer Sie einlädt.
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