Strategien
12. Mai 2020

Die Aufnahme der Schadensbilanz

Der Corona-Crash war für Wertsicherungskonzepte, Absolute-Return-Strategien und alternative Risikoprämien (ARP) eine Herausforderung. Was Risikomanagement in diesen Zeiten bedeutet.

Man nehme 27 Millionen Dollar und schließe eine Wette auf den Weltuntergang ab. Tritt der dann ein und steigen die gekauften Kreditversicherungen an Wert, geht man nach etwa drei Wochen mit 2,6 Milliarden Gewinn wieder nach Hause. So ähnlich verfuhr Bill Ackmann mit seinem Hedgefonds Pershing Square Capital, der im März, während die Aktienmärkte weltweit auf Talfahrt gingen, acht Prozent Rendite machte. Seine Wette sei verhältnismäßig risikolos gewesen, sagte Ackmann. Doch den meisten Hedgefonds erging es im ersten Quartal nicht annähernd so gut: Die Corona-Krise hat Hedgefonds die schwächste Performance seit der Finanzkrise beschert. Der HFRX Global Hedgefonds-Index reduzierte sich um 9,63 Prozent. Höher war der Wertverlust nur während der Finanzkrise im dritten Quartal 2008 ausgefallen, damals waren die Verluste knapp zweistellig.

Die Corona-Krise, die am Aktienmarkt am 24. Februar mit ersten, heftigen Kursstürzen begann, kostete die Aktienmärkte zwischen 25 und 30 Prozent ihres Werts, laut Handelsblatt wurden weltweit 19 Billionen Euro an Unternehmenswerten vernichtet. Diese Situation war für viele Wertsicherungskonzepte eine Herausforderung. Thomas Bossert, Geschäftsführer Union Investment Institutional, erläutert: „Bei derartigen Rückschlägen von historischen Ausmaßen hatten wir natürlich alle Hände voll zu tun, um die Risikobudgets zu verteidigen. Dabei kam uns zugute, dass wir auf die Erfahrung unserer Mannschaft zählen konnten.“ Prozessgemäß seien die Mandate bei niedrigen Risikobudgets natürlich in der Breite risikoärmer aufgestellt. Dennoch seien die Risikobudgets bei Kursverlusten in Höhe von bis zu 15 Standardabweichungen in einigen Märkten natürlich außergewöhnlich stark und dazu sehr schnell belastet worden, so Bossert weiter.

Apple setzt auch auf dem Kapitalmarkt Trends

Einige seiner diesbezüglichen Mandate waren ab Mitte März eingelockt, erklärt auch Martin Hinkofer, Senior Portfolio Manager bei Amundi, auf eine Anfrage von portfolio institutionell. Und dies, obwohl die Wertsicherungsfonds „aufgrund unserer ohnehin etwas vorsichtigeren Haltung zu den Aktienmärkten, vor allem des überbewerteten US-Aktienmarkts, in der strategischen Asset-Allokation in der absoluten Aktienquote etwas niedriger dotiert“ waren. „Gerade die Umsatzwarnung von Apple, aufgrund der unterbrochenen Lieferketten durch die ersten Corona-bedingten Fabrikschließungen in China, war für uns der Auslöser für erste Aktienreduzierungen über Futures und/oder Put-Optionen.“ Die Warnung hatte Apple am 18. Februar abgegeben. Mit steigendem Momentum nach unten habe man die Aktienquote auf eine offene Quote von drei bis fünf Prozent reduziert, so Hinkofer.

In Bedrängnis gerieten auch die klassischen Alternativen zu Aktien. „Negativ wirkten sich die Quoten in Unternehmensanleihen aus. Nicht nur die Spread-Ausweitungen, sondern auch die extrem abnehmende Liquidität waren hier die Ursache. Zudem hätte gegen Mitte März auch eine längere Duration in den Staatsanleihen geschadet, da die internationalen Anleihemärkte bis zum Eingreifen der EZB nahezu kollabierten. Insofern war es gut, in einem eher neutralen Durationsband von zwei bis drei Jahren positioniert gewesen zu sein“, beschreibt Hinkofer die Positionierung seiner Wertsicherungsfonds. Jedoch wurden die Risikobudgets nahezu ausgeschöpft. Hinkofer: „Gerade bei Anlagerichtlinien, die den Einsatz von Absicherungsinstrumenten wie Credit Default Swaps (CDS) nicht gestatten, war ein Abrutschen in die untersten Risikobänder nicht zu vermeiden.“

Bis Ende März hatte das Vario-Konzept kein Risikokapital mehr zur Verfügung und die Mandate waren nahezu vollständig gegen weitere Marktbewegungen abgesichert. „Erst unsere quartalsweise Anpassung stellt wieder die Hälfte des noch zur Verfügung stehenden maximalen Risikokapitals zur Verfügung“, so Hinkofer. Die Verluste konnte der dynamische Value-at-Risk-Risikobudget-­Ansatz jedoch deutlich begrenzen. Die Bruttoperformance des Referenzmandates über 41 Millionen Euro bei einem Wertsicherungsniveau von 94 Prozent betrug im Februar/März 2020 minus 4,3 Prozent.

Wertsicherungskonzepte suchen Wiedereinstieg

Für viele Wertsicherungskonzepte kam der drastische Börseneinbruch wenig vorhersehbar. Bei Allianz Global Investors hat man die Aktienquote in den Mandaten mittlerweile auf einen einstelligen Bereich oder nahe null reduziert. Der schnelle Kapitalmarkteinbruch habe auch die Risikobudgets „in allen Mandaten weitgehend ausgelastet“, schreibt Dr. Heidi Jäger-Buchholz, Leiterin des Protection-Teams bei Allianz Global Investors (AGI), auf Anfrage. „In einigen Mandaten mit ausreichendem Risikobudget konnten wir einen Puffer für einen Wiedereinstieg zurückhalten. In den übrigen Mandaten sind wir jetzt geldmarktnah investiert. Hier wird ein Wiedereinstieg nur in Absprache mit den Kunden stattfinden.“

Die zwischenzeitlich deutlichen Kursbewegungen nach oben an den Aktienmärkten, die teils über zehn Prozent am Tag ausmachen, sieht Jäger-Buchholz als so genannte Bärenmarkt-Rallye. „Diese gab es auch in der Finanzkrise, die meisten läuteten jedoch noch nicht die Trendwende ein, und die letztendlichen Tiefststände zeigten sich oft erst in der Folge.“ Die aktuelle Wertsicherungs-Anlagestrategie bleibt daher von Vorsicht geprägt. „Weder aus fundamentaler noch aus technischer Sicht glauben wir kurzfristig an eine schnelle und nachhaltige Erholung an den Kapitalmärkten“, so Jäger-Buchholz. Zur Performance der AGI-Wertsicherungskonzepte lagen zum Redaktionsschluss noch keine Daten vor.

Was es den Portfoliomanagern von Wertsicherungskonzepten zusätzlich schwer machte, waren die auf den Aktien-Crash folgenden Turbulenzen an den Anleihemärkten: „Core-Euro-Staatsanleihen profitierten zunächst durch Kursgewinne, während Staatsanleihen schlechterer Bonität und Unternehmensanleihen Kursverluste durch sich ausweitende Risikoaufschläge erlitten. Wie auch schon in der Finanzkrise 2008 zeichnete sich der Aktienmarkt als der Markt mit der höchsten Liquidität aus“, erinnert sich Jäger-Buchholz von AGI. Alle Wertuntergrenzen habe man dennoch eingehalten. Thomas Bossert von Union Investment sieht in den Problemen am Anleihenmarkt neue Herausforderungen für Wertsicherungskonzepte: „Das völlige Verschwinden von Liquidität in einigen Marktsegmenten ist zwar nicht neu und war auch als Teil eines Crashs von uns erwartet worden. Dennoch hat dieser Risikofaktor in der aktuellen Marktsituation eine neue Dimension erreicht“, so Bossert. Diese und weitere Erkenntnisse der bisherigen Marktentwicklung wolle man in den Prozess integrieren.

Wie die Manager von Wertsicherungskonzepten feststellten, betraf das Problem der zunehmenden Illiquidität im Corona-Crash nicht nur US-Treasuries, sondern in erheblichem Maße auch Unternehmensanleihen. Rentenexperten sehen darin eine Folge der hohen Volatilität an den Märkten. „Die hohe Volatilität hat die Liquidität im Markt für Unternehmensanleihen zwischenzeitlich stark beeinträchtigt“, konstatiert Andrew Jackson, Head of Fixed Income beim Investmenthaus Federated Hermes. „Am High-Yield-Markt haben wir eine Verkaufswelle gesehen und Anzeichen von Panik. Es war die schnellste große Verkaufswelle seit der Krise im Jahr 2008. Aber auf dem Kreditmarkt ist längst nicht so viel Leverage im System wie es in der Finanzkrise 2008 der Fall war“, erklärt Jackson. Dennoch bestehe aber eine große Ähnlichkeit mit der globalen Finanzkrise: „Die Credit Spreads starteten sowohl auf dem europäischen, als auch auf dem US-amerikanischen HY-Markt auf sehr niedrigen Niveaus und haben sich jedes Mal mehr als verdreifacht.“ Ein Beispiel dafür ist der Itraxx Crossover, ein Index für Credit Spreads bei europäischen HY-Unternehmensanleihen. Dieser stieg im Zuge der Corona-Krise im Februar und März beispielsweise von 219 Basispunkten Mitte Februar auf zwischenzeitlich 707 Basispunkte am 18. März.

Richard Schmidt, Leiter Absolute Return bei DJE, beschreibt das Verhalten von Anleihehändlern bezüglich HY wie folgt: „Ähnlich wie in den ersten Monaten des Jahres 2016 haben wir das Phänomen erlebt, dass Anleihehändler aus Risikoüberlegungen teilweise keine Anleihebestände mehr zukaufen konnten und sogenannte Abwehrbids gezeigt haben. Das sind Preise, die sich deutlich unter dem ohnehin schon niedrigen Marktniveau befinden und große Illiquidität signalisieren.“ Und Andrew Jackson von Federated Hermes ergänzt: „Wir sehen einen grundlegenden Wandel in der Art, wie Banken arbeiten. Banken stehen eigentlich in der Verantwortung, Nachfrage und Angebot in Form von Preisen darzustellen und Verkäufer und Käufer am Anleihenmarkt zusammenzubringen. Wir sehen hier aktuell aber große Lücken.“

Zugleich sieht Jackson in der aktuellen Krise auch Parallelen mit der Euro-Krise: „Investment Grade Corporate Bonds waren Mitte März so illiquide geworden wie zuletzt im dritten Quartal 2011, während der Euro-Krise. Sie waren aber längst nicht so illiquide wie während der Finanzkrise in 2008.“ Für den gesamten Bereich der vor der Krise recht teuren Unternehmensanleihen sieht Schmidt durch die Corona-Krise wieder Chancen: „Die Risikoaufschläge waren deutlich zu niedrig angesichts der vergleichsweise hohen durchschnittlichen Verschuldung vieler Unternehmen. Durch die Krise sind auch Anleihen unter die Räder gekommen und auf ein fast schon günstiges Niveau zurückgeholt worden.“

Milliardenschwere Fallen Angels

Große Unternehmen wie Ford wurden zudem durch die Corona-Krise abgestraft – ihr Emittentenstatus von Investment Grade auf Junk heruntergestuft. Wie die Rentenexperten von Aberdeen Standard Investments in einem Webinar Anfang April erläuterten, lassen sich durchaus Parallelen zur globalen Finanzkrise von 2008/2009 ziehen, vor allem, was die aktuellen Downgrades von Investment Grade Corporates hin zu High Yield betrifft: „Im laufenden Jahr haben wir bereits Fallen Angels im Umfang von ungefähr 120 Milliarden US-Dollar gesehen“, erklärt Craig MacDonald, Head of Fixed Income bei Aberdeen Standard Investments. „Während der globalen Finanzkrise umfassten die Downgrades nochmal über 150 Milliarden US-Dollar mehr, das Ganze spielte sich aber über eine Periode von zwei Jahren ab. Wir haben also über ein Drittel der Downgrades der globalen Finanzkrise innerhalb der letzten zwei bis drei Monate gesehen. Und wir erwarten mehr“, so MacDonald. Nicholas Kordowski, Head of Fixed Income Research, präzisiert: „Wir schätzen, dass im US-Markt etwa Anleihen von über 200 Milliarden US-Dollar zu so genannten Fallen Angels werden. In Europa werden es mehr als 100 Milliarden sein, das hängt natürlich davon ab, wie groß der wirtschaftliche Schaden ist. Der EU-Markt für Investment-Grade-Anleihen ist zudem deutlich kleiner als der US-Markt.“ Goldman Sachs Asset Management rechnet „konservativen Schätzungen“ zufolge damit, dass 200 bis 250 Milliarden US-Dollar an Anleihen mit BBB-Rating (niedrigstes Investment-Grade-Rating) im kommenden Jahr an den Markt für Hochzinsanleihen kommen. Das entspricht etwa 17 Prozent des aktuellen Marktwerts des US-Hochzinsmarkts. „Wir gehen davon aus, dass Energietitel etwa die Hälfte dieser Rating-Herabstufungen ausmachen werden“, so Andrew Wilson, CEO fu¨r EMEA und Leiter des Global Fixed Income und Liquidity Management Teams bei Goldman Sachs Asset Management.

„Wenn die Krise sich ausweitet, wird nahezu jeder Sektor betroffen sein“, fürchtet Andrew Jackson. „Wir sehen aber zum Beispiel gute Chancen für Banken, da die Zentralbanken die Wertpapiere von Banken durch ihre Ankaufprogramme stützen. Regierungen und Zentralbanken werden nicht riskieren, Banken in die Zahlungsunfähigkeit schlittern zu lassen“, so Jackson. Die Ausfallrisiken seien aktuell bereits gut eingepreist, meint Craig MacDonald von Aberdeen Standard Investments, zumindest bei den Investment Grade Corporates. „Offensichtlich müssen Spreads hier mehr als das Ausfallrisiko kompensieren, nämlich auch Liquiditätsrisiken im aktuellen Umfeld abbilden. Für ein durchschnittliches Portfolio von IG-Anleihen sind die Ausfallrisiken mehr als eingepreist und auch die Downgrade-Risiken werden zunehmend eingepreist.“ Goldmann Wilson sieht ein erhöhtes Ausfallrisiko für den Hochzinsmarkt. „Wir schätzen, dass der Markt eine zwölfmonatige Ausfallrate von rund neun Prozent einpreist, was über unseren Erwartungen liegt.“ Laut einer Mitteilung des Asset Managers Star Capital kam es während der Finanzkrise zu Ausfällen von 13 Prozent der Bonds der High-Yield-Emittenten.

Absolute Return schlug sich wacker

Ausfälle gehören zu Krisen, aber wie kann man sich von diesen unabhängig machen? Wie waren zum Beispiel Absolute-Return-Strategien, die das Ziel stetiger, marktunabhängiger Erträge haben, zu Beginn der Corona-Krise aufgestellt und wie haben sie auf die Krise reagiert? Der Investmentfonds DJE Zins & Dividende im Segment der Mischfonds mit Absolute-Return-Charakter ist bislang mit einem mittleren einstelligen Verlust (minus 4,39 Prozent laut Factsheet vom 13.4.) durch die Krise gekommen. Man habe mit dem Bekanntwerden der größeren Infektionszahlen in Norditalien am 24. Februar sofort begonnen, mit Hilfe von Aktienderivaten – aber auch durch den Abbau von physischen Aktienbeständen – die eigenen Risiken zu reduzieren. Als Basis für die Strategie dienen die Anlageklassen Aktien, Anleihen (Unternehmensanleihen, Staatsanleihen, Emerging-Markets-Anleihen) und Rohstoffe inklusive Edelmetalle. Aktien, Renten und Fremdwährungen werden zusätzlich gesteuert durch den Einsatz von Derivaten.

Einer Absolute-Return-Strategie folgt auch der Greiff Systematic Allocation Fund, der zu Beginn des Corona-Einbruchs stark in Aktien investiert war: „Der Fonds war zu Beginn des Jahres und auch zu Beginn des Corona-Einbruchs mit 95 Prozent in circa 200 Aktienpositionen investiert“, erläutert Marc Schnieder, Senior Portfoliomanager bei der Greiff Capital Management AG. Bis zum 13.3. habe man die Netto-Aktienquote auf circa null Prozent reduziert. „Das erfolgt nach einem Mechanismus, der im entfernten Sinne einem CPPI ähnelt, allerdings auf Analysen jeder einzelnen Aktienposition basiert. Wir suchen nach Chartformationen mit einem hohen positiven Erwartungswert. Zusätzlich erhält jede einzelne Aktie im Fonds einen Stop-Loss – also ein Risikobudget. Dieses wurde in der Corona-Krise nach und nach ausgeschöpft. Dennoch kann der Fonds bei wieder aussichtsreichen Aktien nach und nach wieder investieren.“ Die selbst gesteckte Wertverlustgrenze von 15 Prozent plus/minus zwei Prozent konnte der Fonds zwar halten, rentierte zum 31.3.2020 aber bei minus 11,7 Prozent.

Auch der Global Equity Market Neutral Fund von Janus Henderson Investors investiert in der Regel in Aktien, setzt dazu aber auch Derivate ein. Ende Dezember 2019 belief sich das Brutto-Exposure auf 170 Prozent, bestehend aus einem Long-Exposure von 86 Prozent und einem Short-Exposure von 85 Prozent, was einem Gesamt-Netto-Exposure von nur einem Prozent entsprach. Fondsmanager Steve Johnstone: „Als sich die Corona-Krise in China ausweitete, haben wir einige unserer aggressiveren Positionen aufgelöst und auch an anderen Stellen unser Engagement reduziert, so dass Ende Februar unser Brutto-Exposure bereits nur noch 129 Prozent betrug (65 Prozent Long und 64 Prozent Short), womit das Netto-Exposure bei nahezu null lag. Auch im März begrenzten wir unser Exposure, indem wir Gewinne in Short-Positionen, bei denen wir von einer überverkauften Situation ausgingen, mitnahmen und schnell fallende Long-Positionen reduzierten.“ Um zu shorten nutzt der Fondsmanager Contracts for Difference, die das Ertragsprofil der zugrundeliegenden Aktien replizieren. „Um unsere Short-Position zu decken, bedienen wir uns bei diesen Aktienpositionen immer der Wertpapierleihe. Wir haben unseren Drawdown aktiv gesteuert und haben sehr schnell funktionierende Short-Positionen verlängert sowie nicht funktionierende Long-Positionen reduziert oder Gewinne mitgenommen. Einige unserer Positionen trafen ihren Hard Stop und fielen deshalb aus dem Portfolio. Auf der anderen Seite konnten wir auch neue Chancen identifizieren, mit denen wir sie ersetzen konnten“, so Johnstone.

In der Krise haben viele Strategien ihre Stop-Losses aufgrund der hohen Volatilität an den Märkten schnell erreicht. Das Ziel der Absolute-Return-Strategien bei Candriam ist es, unkorreliert zu sein zu den Aktienmärkten. Ein gutes Risikomanagement in solch einem Umfeld bestehe aus drei Säulen, erklärt Emmanuel Terraz, Global Head of Absolute Return and Quantitative Equity bei Candriam. „Jede Position muss ordentlich gehedged werden, das heisst, sie muss Delta-neutral sein. Das ist die erste Säule des Risikomanagements. Die zweite Säule stellt einen sehr disziplinierten Stop-Loss- und Stop-Gain-Ansatz dar. Man muss einem Plan folgen und diesen auch durchhalten. Die dritte Säule ist meiner Ansicht nach, dass man zugleich nach einem Top-Down-Ansatz Positionen wieder leicht reduziert, bei denen man eventuell ein Übergewicht hat, zum Beispiel in bestimmten Ländern und Sektoren.“ Der maximale Drawdown im Index Arbitrage Fund von Candriam lag in der Krise bei 0,4 Prozent. Die Performance im März bei 0,3 Prozent. Das Aktien-Exposure wird in der Regel über Long- und Short-Positionen auf weltweite Aktienindizes sowie die in diesen abgebildeten Unternehmen aufgebaut. „Wir nutzen eine Mischung aus quantitativem und fundamentalem Research um unsere Assets zu managen. Ich habe 1998 die Russland-Krise erlebt, die Internet-Blase in 2000, den 11. September 2001 und die globale Finanzkrise. Und daraus habe ich den Schluss gezogen, dass quantitatives Management zwar ein gutes Messinstrument ist, da es die Rückschau, die präzise Betrachtung der Vergangenheit, ermöglicht. Noch besser wird der Quant-Ansatz jedoch, wenn wir ihn mit einer Fundamentalanalyse ergänzen. Erst der fundamentale Ansatz öffnet den Blick für die globale Analyse der Portfolios sowie mögliche Veränderungen in der Zukunft. Die Finanzkrise 2008 sieht Terraz grundsätzlich anders gelagert: „Von einer Risikomanagement-Perspektive war 2008 eine Krise innerhalb der Finanzindustrie. Heute geht es mehr um Corporates. Damals ging es vor allem um Liquiditätsrisiken, die vornehmlich durch die Zentralbanken bekämpft wurden. Heute geht es um Solvabiltätsrisiken, darum, dass das Risiko ein bisschen zu sehr gehebelt wird. Was wir uns fragen müssen: Haben die Unternehmen die Fähigkeit, diese Schulden innerhalb einer bestimmten Zeit zurückzuzahlen?“

Beim Alternative-Risk-Premium-Spezialisten GAM Investments zieht man eine positive Bilanz der begrenzten Verluste durch den Corona-Crash. Im Februar lag die Performance des GAM Systematic Alternative Risk Premia bei minus 1,3 Prozent und im März bei minus vier Prozent. Für das erste Quartal rentierte der Fonds bei minus 4,5 Prozent. Dr. Lars Jaeger, Leiter des Quantitativen Research für das Alternative Investment Solutions-Team bei GAM Investments hat es überrascht, dass gerade Substanzwerte durch die Krise dramatisch an Wert verloren. „Aus Aktien sind wir bis zum 10. März weitgehend herausgegangen, das hat schon weh getan“, gesteht der Quant-Experte. In Unternehmensanleihen war man zu Beginn der Krise nur schwach positioniert. Das Credit Exposure lag Anfang März nur noch bei 25 Prozent der üblichen Allokation von zehn Prozent. Bei Commodities war man long in Gold und Silber und Short in Energies. „Dadurch sind wir noch ganz gut weggekommen. Bei Aktien haben wir derzeit null Prozent direktionales Exposure. Die Trendmodelle haben sich entsprechend neu positioniert. In Währungen sind wir zum Beispiel short in der norwegischen Krone, auch in Substanzaktien sind wir noch positioniert. Das Beta liegt bei null Prozent“, so Jaeger.

„Schon viel eingepreist“

Gut weggekommen ist man bei GAM vor allem im direkten Vergleich mit der Finanzkrise: Im Oktober 2008, dem Tiefpunkt der Krise, hatte die Wertentwicklung des Fonds bei minus 7,6 Prozent gelegen. Dabei hatte die Finanzkrise schon Mitte 2007 begonnen und zog sich über anderthalb Jahre. Jaeger sieht zwar Ähnlichkeiten mit der Corona-Krise: „Wir sehen aber doch eher Opportunitäten. Volatilität zu handeln ist heute viel attraktiver, da sich die Volatilität derart plötzlich aufbaute. Das hat 2007/2008 sehr viel länger gedauert. Wir hatten 2008 anfangs auch mehr Short-Volatility-Exposure. Heute können wir es opportunistisch aufbauen.“ Mit Momentum-Strategien konnten Jaeger und sein Team, die ARP-Strategien bereits seit 2004 anbieten, nicht soviel gewinnen wie noch in 2008. Und Carry-Strategien seien damals noch stärker heruntergegangen. „Der Hauptunterschied zur Finanzkrise liegt darin: Die Corona-Krise hat die Realwirtschaft als Auslöser“, sagt Jaeger. Die Aktienmärkte waren damals insgesamt noch stärker – um 50 Prozent eingebrochen, jetzt sind es in der Spitze 30 bis 35 Prozent. „Auch die Kreditmärkte waren damals noch sehr viel stärker betroffen als jetzt. Bei den Rohstoffen verhält sich diese Krise jedoch sehr ähnlich.“ Auch und gerade institutionelle Kunden seien schon sehr früh aus Aktien herausgegangen: „Da ist schon einiges eingepreist gewesen. Ob das aber alles gewesen ist, wird sich zeigen. Wir sind da zur Zeit eher defensiver eingestellt.“

Bei Aberdeen Standard Investments haben die Alternative-Risk-Premia-Strategien versucht, schwere Verluste bei Short-Volatilität und Rohstoffen zu vermeiden. Die meisten der Aktienpositionen sind tendenziell long/short marktneutral und konzentrieren sich auf bestimmte Anlagestile, wie Value, Momentum oder Quality. Duncan Moir, Senior Investment Manager Alternative Investment Strategies, sagt: „Die Marktbewegungen der vergangenen Wochen hätten das schlechteste Umfeld für diese Strategie sein müssen. In diesem Zusammenhang verzeichneten wir Verluste bei unseren verbleibenden Short-Volatilitätspositionen (Aktien, Zinssätze, Rohstoffe – insbesondere Öl und Gold) und Währungsrisiken (hauptsächlich EM FX-Carry). Auch die marktneutralen Aktienfaktoren entwickelten sich in diesem Zeitraum angesichts des wahllosen Verkaufs von Aktien besonders schlecht.“ Die gestressten Märkte nutzten die Fondsmanager als Gelegenheit, um wieder ein gewisses Risiko-Exposure aufzubauen, während sie gleichzeitig durch den Aktientrend (der jetzt Short-Aktien ist) vorsichtigere Positionen bildeten. Aberdeen Standard Investments verwendet hier Total Return Swaps für das gesamte ARP-Portfolio, aber auch CDS, Optionen, Futures und Forwards, um die Liquidität in einem Portfolio zu verbessern. Das synthetische Leerverkaufen durch Derivate sei eindeutig vorteilhaft für regulierte Ogaw-Fonds, die sonst nicht in der Lage wären, dies bei einzelnen Aktien zu tun. Es ermögliche zudem eine höhere Hebelwirkung, was bei ARP von wesentlicher Bedeutung ist, da die Strategien meist long/short und neutral sind. „Die Nachteile treten erst dann zutage, wenn die Hebelwirkung eingesetzt wurde und die Position Geld verliert. Wenn Sie OTC-Derivate verwenden, kann die Preisgestaltung schwieriger sein, wenn die Märkte unter Stress stehen, wie es in den letzten Wochen der Fall war“, erläutert Duncan Moir.

Weniger Leverage als in 2008

Ähnlich wie in der Finanzkrise 2008 sei es auch in der Corona-Krise zu einer groß angelegten Liquidation von Portfolios über alle Anlageklassen hinweg gekommen – ohne Rücksicht auf Fundamentaldaten. „Wir haben sicherlich einen Teil davon bei den Risikoanlagen und der Spread-Ausweitung bei Relative-Value-Strategien gesehen. Die Liquidität war in den Kredit- und Volatilitätsmärkten geringer, aber insgesamt wurde die Situation bisher besser eingedämmt. Dies spricht wahrscheinlich für den im Vergleich zu 2008 geringeren Leverage in der Branche“, zieht Moir Bilanz. Emmanuel Terraz von Candriam findet, dass die Corona-Krise letztlich mehr der Russland-Krise ähneln könnte, als der Finanzkrise: „Der Abschwung verlief 1998 auch sehr brutal, aber der Impact dauerte nicht sehr lang. Die Reaktion der Marktteilnehmer aber war damals ähnlich wie jetzt: Es war schwer vorherzusehen und die Reaktion der Märkte war gewaltig. Ich könnte mir vorstellen, dass die langfristige Erholung von der Krise ein bisschen schneller erfolgt, als die nach der Finanzkrise und dass diese Krise uns dazu veranlasst, in der Zukunft einige Probleme stärker anzugehen, wie zum Beispiel den Klimawandel.“

Enge Liquiditätsgrenzen bei Unternehmensanleihen als neue Dimension, die Gefahren gehebelter Derivate und die Parallelen und Unterschiede zur globalen Finanzkrise 2008/2009 beeinflussen die Antwort auf die ganz große Frage: Wann gehen die Kurse wieder nach oben? Leider haben auch wir bei portfolio institutionell keine Glaskugel. Doch in einem Punkt schienen sich unsere Gesprächspartner einig: Noch ist eine Bodenbildung wohl nicht erreicht.

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