Statement
21. Februar 2020

Der Zins ist tot. Es lebe der Zins!

Deutsche Versicherungen stehen vor großen Herausforderungen. Die Zinsen fallen und gleichzeitig bestehen Mindestzinsverpflichtungen. Das Problem ist nicht neu, verschärft sich aber zusehends. Denn erstens sind die Zinsen weiter gefallen. Zweitens ist nicht absehbar, dass sie bald wieder deutlich steigen. Und drittens laufen die Anleihen mit hohen Kupons im Bestand nach und nach aus.

Nahezu alle Anleihen, die als sicher gelten, werfen kaum noch ­Zinsen ab. Und die Anleihen, die einen Zins tragen, besitzen ein mehr oder minder großes Kreditrisiko. Für viele Versicherungen und versicherungsähnliche Anleger geht es jetzt auch darum, ­bekannte Wege zu verlassen, um neue Anleihen mit auskömmlichen Zinsen zu finden. Einen Fehltritt kann man sich nicht leisten. Das Geschäftsmodell einer Versicherung steht für Sicherheit, die ­Zahlungsverpflichtungen sind unbedingt zu erfüllen.

Es gibt einen Ausweg aus diesem Dilemma, keinen einfachen aber auch keinen unmöglichen. Von der gewohnten Vorstellung des ­risikolosen Zinses, der die Mindestverzinsung erfüllt, müssen wir uns ein Stück weit verabschieden. Die Alternative ist arbeitsintensiv und führt zu einer Wahrnehmung von Sicherheit mit hinreichend hoher Qualität. Im Endeffekt ist dafür Erfahrung und Kompetenz in allen wesentlichen globalen Kapitalmärkten nötig, ein professionelles Risikomanagement und ein für die Steuerung von Ertrag und Sicherheit nötiges Daten- und Informationsmanagement.

VAG-orientierte Anleger: Herausforderungen und Lösungen

Die Basis eines Versicherungsportfolios bildet traditionell das Buy-and-hold-Portfolio in der Direktanlage. Hier wird mit Blick auf das HGB-Ergebnis eine bilanziell gesteuerte Kapitalanlage sicher­gestellt. Die Fristigkeit der Kapitalanlage orientiert sich an den Zahlungsverbindlichkeiten. Sicherheit ist Trumpf. Das Anlage­universum beschränkte sich in der Vergangenheit auf einen gemessen am gesamten globalen Kapitalmarkt relativ kleinen Kreis ­bekannter sicherer Anlagen. Diese Welt ist unter Druck geraten, nicht erst in jüngster Zeit, aber die Auswege und Zufluchtsorte sind immer schwieriger zu finden und verlangen immer höhere ­Expertise. Ein wichtiger Schlüssel für eine erfolgreiche Kapitalanlage von ­Versicherungen ist die Kenntnis der eigenen Freiheitsgrade. Wenn man die Vielzahl der Restriktionen kennt, denen eine Direktanlage in Deutschland unterliegt, kann man sie zur Optimierung eines Portfolios nutzen. Der Gesetzgeber hat mit Solvency II neue Wege und Möglichkeiten geöffnet. Die starren klassischen Obergrenzen gelten nicht mehr. Um davon zu profitieren, muss diese Chance vom gesamten Unternehmen getragen werden. Insbesondere die Reporting- und Backoffice-Abteilungen müssen sich auf die neuen Herausforderungen einlassen. Erst dann kann das Portfolio­management auch aktiv zu einer tieferen Wertschöpfung beitragen. Das Portfolio- und Risikomanagement ist prozessual und strukturell aufzubauen, zu unterhalten und weiterzuentwickeln, damit nicht nur die Erfordernisse an ein modernes Betriebssystem erfüllt sind, sondern auch den regulatorischen und aufsichtsrechtlichen Informationsbedürfnissen Genüge getan wird.

Die zentrale Herausforderung ist bereits skizziert: Die durchschnittliche Verzinsung in den Bestandsportfolien fällt und lässt sich in der Neuanlage traditioneller Anlagen von VAG-Anlegern nicht ­stoppen. Die Lösung lautet nicht einfach, mehr Risiko zu nehmen. ­Stattdessen gilt es, mehr kalkulierbares Risiko zu nehmen und abseits der ­traditionellen Asset-Klassen zu investieren. Eine wichtige Komponente ist die Illiquiditätsprämie. Viele VAG-Anleger vergeben diese Chancen und investieren zu viel in marktgängige Produkte. Zudem bieten spezielle Produktkonstruktionen, die zwar einen höheren Analyseaufwand benötigen, aber auch eine höhere Rendite bei ­verbessertem Kreditrisiko liefern, entscheidenden Mehrwert.

Was weltweite Anleihemärkte zu bieten haben

Neben den klassischen Staatsanleihen, Pfandbriefen und Covered Bonds steigt die Zahl der staatsnahen Emittenten, die sich dem ­Kapitalmarkt zuwenden. Die MEAG schaut sich für die Direkt­anlage auch Infrastrukturprojekte mit teilstaatlichen Garantien an. Der Mehrertrag rechtfertigt den höheren Analyseaufwand. Die ­Anzahl der Asset Manager, die sich solche Projekte anschauen kann, ist überschaubar. Allein durch die geringe Anzahl der Mit­bewerber haben professionelle Asset Manager somit einen Vorteil.

Supranationale Organisationen, Agencies und öffentliche Gebietskörperschaften sind vermehrt ansprechbar für Privatplatzierungen. Diesen Emittenten ist gemein, dass sie über eine mehr oder minder starke explizite oder implizite Staatsgarantie verfügen, die allerdings in jedem Einzelfall kritisch geprüft werden muss. Darüber hinaus gilt es die Entwicklung auszunutzen, dass weltweit immer mehr Emittenten Anleihen in Euro begeben. Abhängig vom Verhältnis des Euro zur jeweiligen Fremdwährung – „Crosscurrency Basis“ – ergeben sich attraktive Investitionsmöglichkeiten. Hier hat die MEAG positive Erfahrungen gemacht und begleitet teils sogar die Emittenten im Vorfeld ihres Euro-Debüts. Der erfolgreiche ­Aufbau von Vertrauen und Knowhow-Transfer sind dabei für den Emittenten und den Investor die Schlüssel zum Erfolg. Schließlich ist das immer größer werdende Feld der Credits mit einer Vielzahl von strukturierten Produkten wie CLOs und ABS zu nennen. ­Darüber hinaus können auch im Rahmen des Risikobudgets ungesicherte Fremdwährungsanleihen beigemischt werden. Alternativen gibt es, doch es gilt: erst prüfen, dann investieren.

Der Skeptiker mag hier einwenden, dass sich unter dem Strich das Risiko erhöht. Solange die Märkte laufen, alles kein Problem, aber im Marktstress kommt das dicke Ende. Zugegeben: Ohne mehr Risiko geht es nicht, aber es muss für den Anleger kalkulierbar bleiben. Letztlich geht es für die meisten Anleger nicht mehr ­darum, ob sie zusätzliche Risiken eingehen wollen, sondern vielmehr, wo es Sinn macht. Viele VAG-orientierte Anleger haben ­langlaufende Zahlungsverpflichtungen und im Gegensatz dazu eine ­Kapitalanlage mit deutlich kürzerer Bindung oder einem zu hohen Bestand an einfachen Callables – also vom Emittenten kündbaren Anleihen. Das kann sich rächen. Hier bestehen Chancen, die Bindungsdauer in der Kapitalanlage der Fristigkeit der Verbindlichkeiten ­sukzessive anzupassen und dabei Renditeaufschläge oder Illiquiditätsprämien zu vereinnahmen. Bei näherer Betrachtung zeigen viele Portfolien Optimierungsmöglichkeiten im Asset-Liability-Management.

Buy and Maintain statt Buy and Hold

Mit Blick auf die typische Direktanlage sind Besonderheiten zu ­beachten. Illiquide Bestände, wie zum Beispiel ­Infrastrukturprojekte oder zinsstrukturierte Produkte, sind im Vorfeld auf Herz und ­Nieren zu prüfen. Ein Verkauf ist selten eine Option. Für den ­liquiden Teil der Bestände sehen wir das anders. Hier fokussieren wir uns auf ein Buy-and-Maintain-Konzept. Ein „Buy and Maintain“­ ­ist die Weiterentwicklung des klassischen „Buy and Hold“. Bestände­ ­können nicht einfach mehr gehalten, sondern müssen im Zeitablauf gepflegt werden. Maintenance = Pflege! Die Bonität muss regel­mäßig überprüft und die Portfoliokonstruktion gegebenenfalls ad hoc angepasst werden. Der Portfoliomanager wird eine Änderung der Bonität mit Blick auf sein Zielportfolio immer im Auge ­behalten. Der Unterschied ist, dass man nicht alle Assets unbesehen bis zum Laufzeitende durchhält, sondern entsprechend des Risikos ein ­aktives Portfolio- und damit aktives Risikomanagement fährt. Der Buy-and-Maintain-Ansatz ist mehrstufig. Im ersten Schritt werden zusammen mit Analysten und Volkswirten die Emittenten auf einen ungestörten Zins- und Tilgungsdienst geprüft. Dabei gibt es weltweit immer mehr positiv geprüfte Emittenten. Daraus resultiert das für uns entscheidende Buy-and-Maintain-Anlageuniversum. Dieses Anlageuniversum nutzen wir, um ein diversifiziertes und ertrags­optimiertes Portfolio zu konstruieren. Um keine Kumulrisiken ­aufkommen zu lassen, müssen intern eigene dynamische ­Grenzwerte und Warnschwellen vergeben und überwacht werden.

Professionelles Risikomanagement ist deswegen unabdingbar. Für ein aktives Portfoliomanagement ist das Monitoring von mehreren hundert Emittenten notwendig. Dafür bedarf es erstens: Erfahrung und Kompetenz. Wer riskantere Wege geht, muss sich dafür das nötige Expertenwissen in allen Bereichen des Asset Managements aneignen. Zweitens: Aufwand. Ohne zusätzliche Ressourcen geht es nicht, um Unsicherheiten aufzulösen und Risiken gangbar zu machen. Drittens: Ausgeprägtes Risikobewusstsein im Portfoliomanagement im Kontext des Gesamtportfolios flankiert durch ­unabhängiges und professionelles Risikomanagement.

Fazit

Angesichts all dieser Herausforderungen müssen VAG-Anleger auf viele Jahre hinaus ihr Anlageportfolio wetterfest machen. Dies kann nur gelingen, wenn das Anlageuniversum deutlich globaler aufgestellt wird und dabei die Vorteile der Diversifizierung konsequent und zielgerichtet genutzt werden. Die neuen Freiheitsgrade, die der Gesetzgeber bietet, müssen genutzt werden. Vermehrte ­Investitionen auch in analyseaufwendige, illiquidere Strukturen mit hoher Kreditqualität sind dabei ein Schlüssel zum Erfolg. Die dafür notwendigen Investitionen in neue Ressourcen sind nicht unerheblich, aber zahlen sich aus. Ein einfacher Buy-and-hold-Ansatz kann nicht mehr die Lösung sein. Die Devise lautet deswegen: ein aktiv bewirtschaftetes, ertragsoptimiertes und risikokontrolliertes Buy-and-Maintain-Portfolio aufzubauen. Fast jedes konservativ aus­gerichtete und traditionell gemanagte Portfolio einer deutschen Versicherung bietet gute Optimierungsoptionen.

Erst Emittent und Emission – dann das Segment

Interview mit Frank Becker, Geschäftsführer Institutionelle Kunden, MEAG

Die Duration lang und die Bonität niedrig erwies sich als simples Erfolgsrezept. Was ist das Erfolgsrezept für die Zukunft?

So einfach ist es leider nicht. Es gibt keine Standardantwort. Jeder Anleger hat spezifische Ziele. Zunächst gilt es, den Bestand mit Blick auf die Anlegerziele zu analysieren, ein Zielportfolio zu definieren und daraus dann den Anlagevorschlag abzuleiten.
Ergebnis kann sein, dass die Vereinnahmung von Illiquiditätsprämien empfehlenswert ist und gezielt qualitätsorientiert in etwas ­niedrige Bonitäten investiert werden sollte. Entscheidend ist hier die wirkliche Kreditqualität, die in jedem Einzelfall genau unter Berücksichtigung einer auskömmlichen Rendite analysiert werden sollte. Eine tiefe Analyse der Kreditqualität und eine auf die Anlegerziele ausgerichtete, breit diversifizierte Anlage dürfte auch künftig wichtig in der konservativen, auf Anleihen dominierten Kapitalanlage bleiben. Wir verfolgen diesen Ansatz seit unserer Gründung vor 20 Jahren für unsere Mandanten innerhalb der Munich Re Gruppe.

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Autoren: und

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