BVI: Vermögenswerte in Milliardenhöhe vernichtet
Analyse der Hauptversammlungssaison 2019 auf Basis der Leitlinien des BVI. Allianz vorbildlich.
Die Mehrzahl der großen börsennotierten Gesellschaften hält sich nicht an die Regeln einer guten Unternehmensführung. Besonders viel Börsenwert sei im Jahr 2019 durch Missmanagement und Fehlentscheidungen vernichtet worden, so das Ergebnis der Analyse der Hauptversammlungssaison 2019 auf Basis der Analyse-Leitlinien des deutschen Fondsverbands BVI. Der BVI hat mit Unterstützung des Aktionärsdienstleisters Ivox Glass Lewis analysiert, inwieweit die 160 Unternehmen der DAX-Familie (DAX30, MDAX und SDAX) die Vorgaben der Analyse-Leitlinien des BVI für Hauptversammlungen (ALHV) in der Saison 2019 erfüllt haben.
Bei insgesamt 82 der 160 untersuchten Unternehmen hätte laut BVI dem Vorstand und bei 102 Gesellschaften dem Aufsichtsrat die Entlastung verweigert werden müssen. „Im vergangenen Jahr wurden zum Leidwesen der Aktionäre Vermögenswerte in Milliardenhöhe vernichtet“, sagt Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des BVI. Schädlich waren insbesondere die Dieselaffäre bei Volkswagen und die Monsanto-Übernahme durch Bayer. Dass es auch anders geht, zeigen Unternehmen wie Allianz, Aurubis oder Jenoptik. Sie stehen der Untersuchung zufolge stellvertretend für Unternehmen, bei denen es keine Beanstandungen gab. Deren Vorstände und Aufsichtsräte konnten komplett entlastet werden.
Intransparente Vergütung
Hauptkritikpunkt ist die fehlende regelmäßige Abstimmung der Investoren über das Vergütungssystem des Vorstands. Gemäß der ALHV sollten die Aktionäre darüber alle fünf Jahre auf der Hauptversammlung abstimmen, nur dann sei eine Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats möglich. In der Saison 2019 hätten der Analyse zufolge deswegen die Investoren bei 70 der 160 Unternehmen dem Aufsichtsrat und bei 66 Gesellschaften dem Vorstand die Entlastung verweigern können.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die fehlende Offenlegung der individuellen Vergütung von Vorstand beziehungsweise Aufsichtsrat. Eine Reihe von Unternehmen individualisiere sie immer noch nicht im Vergütungsbericht. Doch das werde spätestens mit Inkrafttreten der ARUG II im nächsten Jahr Pflicht. Bei insgesamt 112 der 160 Unternehmen konnte daher laut BVI keine uneingeschränkte Entlastung des Aufsichtsrates empfohlen werden. „Einige Unternehmen mauern weiter bei der Vorstandsvergütung. Dabei sind deren Ausweis und Zusammensetzung für Investoren ein wichtiges Kriterium zur Beurteilung der Leistung im Vergleich zum Unternehmensergebnis. Die Analyse-Leitlinien fordern an dieser Stelle schon seit 2017 mehr Transparenz, doch passiert ist bislang wenig“, so Richter.
Im kommenden Jahr werde die BVI-Leitlinie weiter verschärft werden, kündigt der Verband an. In Anlehnung an die zweite Aktionärsrechterichtlinie (SRD II) sei dann eine Abstimmung mindestens alle vier Jahre vorgesehen. Zudem wird dem Thema Nachhaltigkeit im Rahmen einer guten Unternehmensführung eine größere Bedeutung beigemessen. Konkret wird der BVI überprüfen, inwieweit Unternehmen für ihre nicht-finanzielle Berichterstattung die EU-Leitlinien zu klimarelevanten Informationen beachten.
Aufsichtsräte: zu viele Mandate pro Person
Auch die Aufsichtsratsarbeit muss besser werden: Bei der Wahl zum Aufsichtsrat gab es gegenüber dem Vorjahr eine Verschlechterung bei den Grundsätzen zur guten Unternehmensführung. Bei 70 Unternehmen gab es Beanstandungen. Nach den Vorgaben der ALHV ist eine Beschränkung der Anzahl auf fünf Aufsichtsratsmandate vorgesehen. Dieser Anforderung kamen 43 Unternehmen nicht nach. Die ALHV verlangen auch, dass die Hälfte der Aktionärsvertreter unabhängig ist. Als nicht unabhängig gilt dabei ein Kandidat, der bereits seit zehn Jahren im Aufsichtsrat tätig ist oder ein Bewerber, der von einem Aktionär mit einem Stimmanteil von mehr als zehn Prozent entsandt wird. Auf Basis dieser Kriterien konnten 24 Unternehmen keine ausreichende Zahl unabhängiger Bewerber vorweisen. Die Analyse-Leitlinien sehen auch die Nennung einer Altersgrenze für Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder vor. Bei 36 Unternehmen ist keine Begrenzung des Alters vorgesehen oder es wird keine Altersbegrenzung veröffentlicht.
Nach der Index-Neuordnung durch die Deutsche Börse im Herbst 2018 sei ein Vergleich gegenüber dem Vorjahr laut BVI nur eingeschränkt möglich: Die Zahl der Mitglieder im MDAX wurde von 50 auf 60 Unternehmen erhöht, im SDAX sind jetzt 70 Gesellschaften notiert nach 50 Werten zuvor. Der TecDax wird von Ivox Glass Lewis nicht mehr separat ausgewertet, da dessen Mitglieder auch in den anderen Indizes enthalten sind. Daher verzichtete der BVI auf die Angabe des Vorjahreszeitraums.
Autoren: Daniela EnglertSchlagworte: Aktien | Corporate Governance
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