„Für die Kapitalmärkte ist das Wahlergebnis ein Alarmzeichen.“
Union Investment kommentiert die Ergebnisse der Europawahl. Bankenverband mahnt Anreizsysteme für Klimaschutz an.
Zu den Ergebnissen der Europawahlen äußerten sich sowohl Union Investment als auch der der Bundesband der Deutschen Banken. Während Dr. Frank Engels, Leiter Portfoliomanagement bei Union Investment in einem Kommentar das Erstarken der Rechtspopulisten in den Vordergrund rückte und die Gefahren, die für Europas Kapitalmärkte dadurch entstehen, äußerte sich der Bankenverband zunächst positiv über die hohe Wahlbeteiligung in Deutschland und zum Thema Klimaschutz: „Erfreulich ist die hohe Wahlbeteiligung, jetzt brauchen wir schnell klare Verhältnisse. Das wird bei den sich abzeichnenden Mehrheitsverhältnissen nicht einfacher,“ sagte Bankenpräsident Hans-Walter Peters mit Blick auf den Ausgang der Europawahlen. „Klar ist: Wir brauchen mehr Europa und nicht weniger, wir brauchen schnell handlungsfähige EU-Institutionen. Dazu müssen alle konstruktiven europäischen Kräfte gemeinsam die drängenden Fragen angehen. Die Bürger Europas und gerade auch die Deutschen haben dem neuen Parlament zudem einen klaren Handlungsauftrag beim Klimaschutz gegeben. Dazu sollten marktwirtschaftliche Anreizsysteme entwickelt werden, im Bankensektor wollen wir dazu unseren Beitrag leisten.“
Dr. Frank Engels dagegen fand mahnende Worte: „Europas Populisten sind auf dem Vormarsch – das ist keine gute Nachricht für die Kapitalmärkte. Das Ergebnis der gestrigen Europawahl bestätigt einen anhaltenden Trend: Die etablierten Parteien der Mitte verlieren an Zustimmung, während die Rechtspopulisten an Boden gewinnen. Für die Kapitalmärkte ist das ein Alarmzeichen.“
Dabei gehe es weniger um die Neuverteilung von Macht und Einfluss auf der europäischen Ebene. Zwar werde die Mehrheitsfindung im Europaparlament schwieriger, da die „inoffizielle“ große Koalition aus EVP und Sozialisten ihre absolute Mehrheit einbüße und man vermutlich Dreier- statt der gewohnten Zweierbündnisse für Entscheidungen benötigen werde. Doch auch künftig würden die populistischen Gruppierungen nicht stark genug sein, um die Agenda in Brüssel zu diktieren. Die Sorge vor einer Übernahme des EU-Parlaments durch die Populisten sei daher übertrieben. „Das ist neben der hohen Wahlbeteiligung die vermutlich beste Nachricht des Wahlabends“, sagte Engels.
Bild ansteigender politischer Risiken
Die größte Gefahr drohe in den nationalen Hauptstädten. Sowohl in London als auch in Rom könnten die amtierenden Regierungen unter Druck geraten. Es drohe ein Anstieg der politischen Unsicherheit auf zwei sehr kapitalmarktrelevanten Feldern, nämlich dem Brexit und der italienischen Haushaltskonsolidierung. Und auch in Frankreich sei mit einer Zunahme der innenpolitischen Spannungen zu rechnen: Nachdem Marine Le Pen Staatspräsident Emmanuel Macron auf Platz zwei verwiesen hat, sei dessen Machtposition geschwächt.
„Selbst in Deutschland, bislang dem Hort der politischen Stabilität auf dem Kontinent, dürfte das Ergebnis Spuren hinterlassen“, fügte Engels hinzu. „Beide Volksparteien haben herbe Verluste erfahren. Insbesondere die SPD dürfte unter Druck geraten, nicht zuletzt durch innerparteiliche Diskussionen über Ursachen und Wirkung des Ergebnisses. An den Kapitalmärkten könnte diese Entwicklung als ein erstes Warnsignal über den Bestand der Großen Koalition gewertet werden. Damit ergibt sich aus mehreren Mosaiksteinchen für Investoren ein Bild ansteigender politischer Risiken.“
Eine spannende, nicht ganz offensichtliche Konsequenz aus dem Wahlergebnis sei zudem die Frage nach der personellen Neubesetzung der Spitzenpositionen Europas. „Nachdem das Resultat zu keiner eindeutigen Mehrheit für einen der drei meistgehandelten Spitzenkandidaten geführt hat, ist die Personalie des neuen Kommissionspräsidenten derzeit absolut offen. Da die Nachfolge von Jean-Claude Juncker (Kommission), Donald Tusk (Europäischer Rat) und Mario Draghi (EZB) kaum isoliert voneinander geregelt werden kann, führt die Europawahl auch bei der Frage des nächsten EZB-Präsidenten zu mehr Unsicherheit. Draghis Nachfolge ist somit offener denn je“, so Engels.
Populisten-Prämie befürchtet
Europa als Anlageregion werde angesichts der anhaltenden Unsicherheiten über den politischen Kurs Europas mit Bewertungsabschlägen gegenüber international vergleichbaren Investments leben müssen. Es drohe eine Populisten-Prämie. „Diese resultiert daraus, dass im Gegensatz zur Situation in den USA nicht ein populistisch agierender Präsident sondern zahlreiche populistisch agierende Parteien mit zum Teil stark divergierenden und oftmals eher anti-europäischen Motiven agieren. Die Europawahl zeigt: Der Kontinent braucht politische Bewegung und neue Weichenstellungen, soll er wirtschaftlich erfolgreich und damit strategisch attraktiv für Investoren bleiben. Dem EU-Parlament sowie der EU-Kommission kommen dabei Schlüsselrollen zu. Zunehmender Populismus dürfte dabei kein nachhaltiges Erfolgsrezept sein – im Gegenteil“, so der Leiter Portfoliomanagement von UI.
Autoren: Daniela EnglertSchlagworte: Deutschland | Europa | Politik/Regulierung
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