Stiftungen
17. Januar 2013

„Noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten“

Die Stiftungslandschaft ist heterogen. Das trifft nicht nur auf die Kapitalanlagen zu, sondern auch auf das Know-how der Protagonisten. Mit Jens Güldner äußert sich ein Kenner der Szene, der mit dem ­Evangelischen Johannesstift bereits zwei portfolio Awards errungen hat, zur Lage des Dritten Sektors.

Interview mit Jens Güldner, Leiter Vermögensmanagement, Evangelisches Johannesstift – eine Stiftung bürgerlichen Rechts

_Herr Güldner, eine aktuelle Studie befasst sich mit den 200 kapitalstärksten Stiftungen in Deutschland. Wie gehen eigentlich die ­vielen tausend kleinen Einrichtungen mit der Vermögensanlage um?

Im Stiftungsbereich ist noch viel Auf­klärungsarbeit zu leisten. Viele Stiftungen ­haben Risiken in der Kapitalanlage, ohne sich der realen Tragweite bewusst zu sein. Die weit überwiegende Mehrheit der Stiftungen in Deutschland hat ein Vermögen von bis zu einer Million Euro. Die Vermögensanlage in diesen Stiftungen wird zum Teil intern ­gemanagt. In manchen Einrichtungen ­kommen dabei ausschließlich Einzeltitel zur Geltung, teilweise aber auch ein Mix aus Einzeltiteln und Fonds. In einigen Fällen kommen ausschließlich Zielinvestmentfonds zum Einsatz. Von Fall zu Fall managen aber auch Vermögensverwalter oder Banken das Stiftungsportfolio nach den jeweiligen ­Vor­gaben der Stiftung; das ist dann allerdings ein Kostenfaktor. Eine streng regelgebundene und risikoadjustierte Vorgehensweise, ­vergleichbar mit professionell beziehungsweise institutionell arbeitenden Stiftungen, findet man in beiden Fällen jedoch nur sehr selten.

_Sehen Sie bei den kleinen Stiftungen ­Schwächen im Risikomanagement?
Wesentliche Risiken im Stiftungsport­folio, die den Finanzbestand und die ­Leistungsfähigkeit der Stiftung gefährden, werden in ihren komplexen Wirkungen und Auswirkungen oftmals zu spät erkannt. Entsprechend wird oft nur schleppend ­gehandelt. Insofern bedarf es einer systemgestützten EDV-Architektur, in der die Risiken zeitnah abgebildet werden können. Externe Hilfe tut hier oftmals not. Ein streng regelgebundenes Limitsystem stellt meines Erachtens eine ­gute Basis für ein Risikomanagementsystem dar. Die Betrachtung der Risiken bedarf nicht ­unerheblicher zeitlicher und finanzieller Aufwendungen, um Marktrisiken zeitnah einschätzen zu können und Erkenntnisse in das eigene System einfließen zu lassen. Nur so kann man eine Antwort auf die Risiken im Stiftungsportfolio erhalten.
 
_Laut der jüngsten CSI-Studie der Uni Heidelberg investieren die deutschen Stiftungen überwiegend konservativ. Droht hier ein ­herbes Problem im Hinblick auf die Niedrig­zinsen, wenn die – hoffentlich vorhandenen – Rücklagen aufgezehrt sind?
Beim Thema „konservativ“ ist die Frage zu stellen, was Stiftungen überhaupt ­darunter verstehen: eine risikoaverse oder gar eine ­risikolose Investition? Staatsanleihen und Pfandbriefe haben in den vergangenen gut 20 ­Jahren dieser Einschätzung am besten entsprochen. Vor allem bei Staatsanleihen hat sich das Bild in der jüngsten Vergangenheit jedoch dramatisch geändert, und das aus Sicht des Risikos sowie der noch zu ­erzielenden Zinskupons. Einerseits haben sich Staatsanleihen weit von der Prämisse entfernt, eine „risikolose“ Asset-Klasse zu sein. Andererseits sind die Renditen in den vergangenen Jahren dramatisch gesunken, und das nominal wie real. Eine negative Realverzinsung ist längst an der Tagesordnung. Die ordentlichen Nettoerträge sinken dramatisch. Dadurch verringert sich zusehends der Spielraum der Stiftung in ihrem wirtschaft­lichen Tun, also in den Möglichkeiten der ­Fördertätigkeit. Und der reale Substanzerhalt des Stiftungsvermögens rückt in immer ­weitere Ferne. Bereits der Erhalt des ­nominalen Stiftungsvermögens stellt so ­manche Stiftung vor fast unlösbare Ziel­konflikte.
Je länger die Niedrigzinsphase in der ­aktuellen Ausgestaltung anhält, umso schwieriger wird sich die Lage für viele kleine ­Stiftungen gestalten. Sofern noch Rücklagen vorhanden sind, können diese aufgelöst ­werden. Mit dem Auslaufen vieler Anleihe­papiere mit noch auskömmlichen Kupons ­beziehungsweise deren Kündigung durch die Bank, zum Beispiel Produkte mit Zertifikatsstrukturen, Zinsstrukturen oder auch bei Stufenzins­anleihen mit Kündigungs­möglichkeiten, ­besteht in Stiftungsportfolien ein akutes ­Wiederanlageproblem.

 
_Wenn eine Stiftung aufgrund geringer Risiko­tragfähigkeit nicht in risikoreiche ­Anlagen investieren darf, sollten dann die Entscheidungsträger grundsätzlich definieren, was unter risikofreien Kapitalanlagen zu ­verstehen ist? Ob also ausschließlich deutsche Staatsanleihen infrage kommen oder auch ­europäische Government Bonds, um nur zwei Beispiele zu nennen?
 Um hier eine Antwort geben zu können, ist es wichtig, die Frage zu stellen, inwieweit viele kleine Stiftungen überhaupt mit dem ­Risikotragfähigkeitskonzept arbeiten beziehungsweise wie die Risiken für die jeweilige Stiftung definiert werden. Die Erörterung sollte im Vorstand in Übereinstimmung mit den entsprechenden Gremien erfolgen. Im Anschluss daran gilt es, die daraus resultierenden Definitionen in einer Anlagerichtlinie festzuhalten. Eine einmal verfasste Anlagerichtlinie darf allerdings nicht als statisches Konzept betrachtet werden. Ich plädiere ­dafür, sie zumindest einmal im Jahr auf den Prüfstand zu stellen. Die Zeit und die Märkte sind schließlich schnelllebiger denn je.
 
_Was macht einen Aktienfonds anziehend für Stiftungen? Planbare Ausschüttungen, Wertsteigerungen, ethische Sauberkeit?
 Ein Aktienfonds, und das betrifft auch andere Asset-Klassen in Publikumsfonds­lösung, hat den Charme für viele Stiftungs­anleger, dass hier Risiken breiter gestreut und weniger Einzelwetten eingegangen werden müssen. Hinzu kommt die Möglichkeit, in Märkte zu investieren, bei denen ein Einzel­titelinvestment sehr schwer oder gar nicht möglich ist. Darüber hinaus hat ein aktiv ­gemanagter Fonds für die Stiftung den Reiz, dass er zumeist vom Portfoliomanagement her risikoadjustiert gemanagt wird. Risiko-Controlling ist also an der Stelle im Fonds ­implementiert. Das entbindet die Stiftung ­jedoch nicht von der Pflicht, die Gesamtportfoliostruktur zu überwachen und zu ­managen, unabhängig davon, welche Anteilshöhe am ­Stiftungsportfolio extern verwaltet wird.

_Aber: Irgendwo hakt es doch immer bei den Angeboten, etwa bei den Kosten. Wie sehen Sie das?
Die Kosten für externes Management sind stets zu analysieren, liegen aber meist höher als bei internem Management. Der Brutto- und Nettobetrachtung bei der Performance sowie den Erträgen der Zielfonds ist beim Kosten-Controlling besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
 Das Thema „Transparenz der Zielfonds“ ist für Stiftungen übrigens besonders ­wichtig. Das gilt auch bei der Nachvollziehbarkeit
der Umsetzung von ethisch-nachhaltigen ­Ansätzen. Hier gibt es eine große Vielfalt am Markt. Die entsprechende Selektion fällt ­einer ­Stiftung schwer. Bedauerlicherweise existiert ein einheitliches Nachhaltigkeitsprüfsiegel, an dem sich die Stiftungsverantwortlichen orientieren könnten, derzeit noch nicht.
 Und was den Ruf nach planbaren Ausschüttungen für eine Stiftung als Langfrist­anleger betrifft, lautet für mich die Frage, ob nicht ein gewisser Bestand an Einzeltiteln, vor allem im Anleihebereich, die Planbarkeit gegenüber Fondsprodukten erhöht. Bei Fondsprodukten kann stets die vergangene Ausschüttung als Maßstab herangezogen werden. Sie stellt jedoch keine Garantie dar, ist also per se an der Stelle unsicherer zu ­planen als die zu erzielenden Kupons im ­Eigenbestand. Des Weiteren muss beachtet werden, dass die Verwaltungskosten der Fonds in extremen Niedrigzinsphasen, wie wir sie derzeit erleben, die noch erzielbaren Zinserträge zusätzlich schmälern.

_Stiftungen mit finanziell begrenzten Mitteln müssen bei der Diversifikation Abstriche ­machen. Bieten sich hier Pooling-Lösungen an, um Investments mit ­ähnlicher Investmentphilosophie auf einheitlicher Basis ­kosteneffizient zu verwalten oder managen zu lassen?
Die Anlage kleinerer Stiftungsvermögen setzt in Bezug auf eine vernünftige ­Diversifikation im Hinblick auf Mischung und Streuung natürlich Grenzen. Ein ­Investment in Publikums- oder Spezialfonds kann diesen Konflikt zum Teil minimieren. Gegenüber einem Publikumsfonds bieten Pooling-Lösungen von Stiftungsvermögen unter ­anderem den Vorteil der Transparenz, der vergleichbaren Investmentphilosophie sowie einen Kostenvorteil. Stiftungen, die aufgrund ihrer Volumina in der Anlage nicht institutionell anlegen könnten, erhalten ­dementsprechend die Möglichkeit, kosten­effizient, breit diversifiziert und streng ­risikoadjustiert ­anzulegen. Die Basis einer Anlage für eine Stiftung setzt konkret eine ­umfassende Analyse der Struktur der ­Pooling-Lösung, den Abgleich der Anlagerichtlinie des Fonds mit der ­eigenen Richt­linie sowie den Aufbau ­einer Vertrauensbasis mit dem Initiator ­voraus.

portfolio institutionell, Ausgabe 12/2012

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